Bernard Brandchaft / Shelly Doctors / Dorienne Sorter : Emanzipatorische Psychoanalyse . Systeme pathologischer Anpassung – Brandchafts Konzept der Intersubjektivität

Gesundheit aktuell
Emanzipatorische Psychoanalyse
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Online-Publikation: Juni 2015 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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Aus dem Amerikanischen übersetzt von Gerhard Pawlowsky und Armin Vodopiutz
344 S., 23,5 x 15,5 cm, Pb. Großoktav; ISBN 9783955581138; 39,90 €
Brandes & Apsel Verlag, Frankfurt a.M.; http://www.brandes-apsel-verlag.de

Inhalt
Bernard Brandchaft gilt mit Atwood und Stolorow als Begründer des Konzepts der Intersubjektivität (1). Daraus entwickelte er in seiner klinischen Arbeit die Idee der »Systeme pathologischer Anpassung«, die es ihm ermöglichte, Patienten mit Zwangsstörungen, Depres­sionen und Traumata psycho­analytisch zu behandeln, die in der klassischen Theorie als unanalysierbar oder wider­ständig abgelehnt wurden.
An seinen Erkenntnissen lassen sich die intersubjektive Wende in der Psychoanalyse, die er entscheidend mitgeprägt hat, und die daraus folgende Erweiterung des psychoanalytischen Verfahrens verfolgen und nachvollziehen. Doctors und Sorter begleiten die Texte mit Erläuterungen zum historischen Kontext und dem Bezug zur gegenwärtigen Psychoanalyse. 

Zu den Protagonisten in diesen Topoi
Robert D. Stolorow, G. E. Atwood, und hier  B. Brandchaft mit G. E. Atwood zu:
(1)  Intersubjektivität
in der Psychoanalyse gründet auf den Arbeiten von Robert D. Stolorow, B. Brandchaft und G. E. Atwood, die unter Einbeziehung der Selbstpsychologie von Heinz Kohut eine erlebensnah orientierte Form psychoanalytischer Theorie und Behandlungspraxis formulierten, die sich in wesentlichen Punkten von der klassischen Konzeption Sigmund Freuds unterscheidet. Nach Auffassung von Stolorow und anderen entsteht und ereignet sich Erleben im wechselseitigen Austausch von Subjektivitäten, z. B. der des Patienten und der des Analytikers. Die Beobachtungsposition liegt dabei stets innerhalb des gemeinsamen Kontextes, d. h. der Analytiker versucht den Patienten aus dessen Perspektive heraus zu verstehen (Empathie) und bezieht seinen eigenen biographischen Hintergrund in die Reflexion seiner Haltung dem Patienten gegenüber mit ein (Introspektion). Dies hat maßgebliche Konsequenzen für die psychoanalytische Theorie und Praxis, die an zentralen Begriffen der Psychoanalyse deutlich werden.
Analytische Haltung
Im Freudschen Sinne wird „analytische Haltung“ als eine Form von „Neutralität“ definiert und ist eng mit der Vorstellung von Abstinenz verknüpft: Der Analytiker darf dem Patienten möglichst keine Triebbefriedigung gewähren, um die Ausbildung einer Übertragungsneurose zu ermöglichen. „Triebbefriedigung“ meint in diesem Zusammenhang alles, was der Patient wünscht bzw. begehrt – in Freuds Konzeption handelt es sich bei den psychopathologischen Phänomenen, mit denen sich die Psychoanalyse auseinandersetzt, um die Produkte verdrängter Triebabkömmlinge. Triebbefriedigung würde die Bewusstwerdung verdrängter Triebwünsche erschweren und damit dem analytischen Prozess zuwiderlaufen. Nach intersubjektiver Auffassung wird eine solchermaßen abstinente Haltung des Analytikers, die eine bewusste Frustration der Bedürfnisse des Patienten darstellt, von diesem nicht als neutral erlebt. Der Analytiker läuft Gefahr, Konflikte zu provozieren, die ein durch die Haltung des Analytikers bedingtes Artefakt darstellen, nicht aber eine Manifestation der primären Psychopathologie des Patienten. Deshalb sollen die Interventionen (Deutungen) des Analytikers auf der Grundlage von Selbstbeobachtung und Empathie von einer kontinuierlichen Einschätzung dessen geleitet sein, was den Prozess der Entfaltung der subjektiven Welt des Patienten im Kontext der analytischen Beziehung erleichtern oder erschweren würde.
Widerstand
Aus intersubjektiver Sicht tritt Widerstand dann auf, wenn eine Reaktion des Analytikers dem Patienten die Gefahr einer Wiederholung schädigender Erfahrungen durch den Analytiker anzukündigen scheint – Widerstand gründet damit in einer Angst vor der Wiederholung erlittener Traumatisierung.
http://de.wikipedia.org/wiki/Intersubjektivit%C3%A4t_(Psychoanalyse)

Fazit

Das Autorenteam Bernard Brandchaft , Shelly Doctors und Dorienne Sorter haben im Begriffsfeld des Diskursbuches "Emanzipatorische Psychoanalyse" sich weiterführend und vertiefend mit dem Topos 'Intersubjektivität‘ auseinandergesetzt.
In ihrer Neubetrachtung beziehen sie Stellung zu den Topoi 'hartnäckiger Depression, Zwangsstörungen, fesselnde und befreiende Bindungen, und beziehen zur Frage nach dem Selbst Position. Dabei geht es um Abstandsgewinnung aus der Geistesenge des Selbst, mit Entwicklungsräumen zu einer systemischen Perspektive. Nach grundsätzlichen Reflexionen entfalten sie abschliessend eine eigene intersubjektive Vision. Ihre Erkenntnis geht davon aus, dass die Wirkung von Traumen anhaltend sind und nicht völlig aufgehoben werden können. Es gibt aber einen 'beträchtlichen Fortschritt in der Befreiung ihrer PatientInnen, dank dem Stand der 'einzigartigen Wissenschaft der Psychoanalyse' heute, wie sie mit Recht feststellen . Dieses Diskursbuch markiert auf diese Weise einen weiteren erkenntnisreichen Grenzpfeiler in der psychoanalytischen Theorie und Praxis. m+w.p15-6