Wolfram Pyta : Hitler . Der Künstler als Politiker und Feldherr. Eine Herrschaftsanalyse
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W. Pyta: Hitler . Der Künstler..
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Online-Publikation: April 2015 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Wolfram Pyta : Hitler . Der Künstler als Politiker und Feldherr. Eine Herrschaftsanalyse >>
Buch: Gebunden, mit Schutzumschlag, 848 Seiten, 15,0 x 22,7 cm; ISBN: 978-3-8275-0058-8; € 39,99 [D] | € 41,20 [A] | CHF 49,50
eBook:-epub : ISBN: 978-3-641-15701-2; € 32,99 [D] | CHF 42,00
Verlagsgruppe Random House - Siedler, München; http://www.randomhouse.de;
Charakteristika
Der Diktator und die Macht der Inszenierung
Inhalt
Dieses Buch gewährt einen völlig neuen Blick auf Herrschaft und Persönlichkeit Adolf Hitlers. Sein Aufstieg und sein mörderisches Regime, so zeigt Wolfram Pyta, beruhten vor allem auf der radikalen Anwendung ästhetischer Prinzipien, welche sich der selbsternannte Künstler Hitler vor seinem Eintritt in die Politik im Jahre 1919 zu eigen gemacht hatte.
Wolfram Pyta, renommierter Neuzeithistoriker und Direktor der Forschungsstelle Ludwigsburg zur NS-Verbrechensgeschichte, untersucht aus ebenso erhellender wie ungewöhnlicher Perspektive den Aufstieg des brotlosen Künstlers Hitler zum allmächtigen Politiker und Feldherrn. Der Historiker zeigt, wie Hitler durch raffinierte Ästhetisierung der Politik seine Massengefolgschaft fand – dem verhinderten Theaterarchitekt und passionierten Wagnerianer half dabei vor allem die konsequente Inszenierung seiner politischen Auftritte. In dem von ihm entfesselten Weltkrieg erlangte Hitler zudem die totale militärische Herrschaft, weil ihm der Geniekult die nötige Legitimation verlieh. So wird auf überraschende Weise deutlich, dass der Diktator und militärische Führer Hitler ohne sein reklamiertes Künstlertum nicht zu verstehen sind.
Autor
Wolfram Pyta, geboren 1960 in Dortmund, leitet als Universitätsprofessor die Abteilung für Neuere Geschichte am Historischen Institut der Universität Stuttgart sowie die Forschungsstelle Ludwigsburg zur NS-Verbrechensgeschichte. 2007 erschien bei Siedler seine vielgelobte Biographie „Hindenburg. Herrschaft zwischen Hohenzollern und Hitler“.
Der Protagonist
Adolf Hitler (* 20. April 1889 in Braunau am Inn in Oberösterreich; † 30. April 1945 in Berlin) war von 1933 bis 1945 Diktator des Deutschen Reiches.
Ab Juli 1921 Vorsitzender der NSDAP,
versuchte er im November 1923 mit einem Putsch von Bayern aus die Weimarer Republik zu stürzen. Mit seiner Schrift Mein Kampf (erschienen 1925 und 1926) prägte er die antisemitische und rassistische Ideologie des Nationalsozialismus.
Am 30. Januar 1933 wurde Hitler von Reichspräsident Paul von Hindenburg zum deutschen Reichskanzler ernannt. Innerhalb weniger Monate beseitigte sein Regime mit Terror, Notverordnungen, Gleichschaltungsgesetzen, Organisations- und Parteiverboten die pluralistische Demokratie, den Föderalismus und den Rechtsstaat. Politische Gegner wurden in Konzentrationslagern inhaftiert, gefoltert und ermordet. Hitler ließ anlässlich des sogenannten Röhm-Putsches auch potentielle Rivalen in den eigenen Reihen ermorden. Hindenburgs Tod am 2. August 1934 nutzte er, um das Amt des Reichspräsidenten mit dem des Reichskanzlers vereinen zu lassen.
Die deutschen Juden
wurden ab 1933 zunehmend ausgegrenzt und entrechtet, besonders durch die Nürnberger Gesetze vom September 1935 und die Novemberpogrome 1938. Mit seinen Befehlen zur Aufrüstung der Wehrmacht und der Rheinlandbesetzung brach Hitler 1936 den Versailler Vertrag. Die NS-Propaganda
stellte seine Wirtschafts-, Sozial- und Außenpolitik als große Erfolge dar und verschaffte ihm so in Deutschland zumindest bis 1939 enorme Popularität.
1938 übernahm er die unmittelbare Befehlsgewalt über die Wehrmacht und setzte den Anschluss Österreichs durch.
Über das Münchner Abkommen (30. September 1938), das ihm die Angliederung des Sudetenlandes an das Reich gestattete, setzte er sich mit der „Zerschlagung der Rest-Tschechei“ bereits am 15. März 1939 hinweg. Mit dem Befehl zum Überfall auf Polen im September 1939 löste er den Zweiten Weltkrieg in Europa aus. Am 31. Juli 1940 teilte er Vertretern des Oberkommandos der Wehrmacht seinen Entschluss mit, die Sowjetunion anzugreifen. Den am 22. Juni 1941 eröffneten Krieg gegen die Sowjetunion ließ er unter dem Decknamen „Unternehmen Barbarossa“ als Vernichtungskrieg zur Eroberung von „Lebensraum im Osten“ vorbereiten und führen.
Im Zweiten Weltkrieg
verübten die Nationalsozialisten und ihre Helfershelfer zahlreiche Massenverbrechen und Völkermorde. Schon im Sommer 1939 gab Hitler den Auftrag, die „Erwachseneneuthanasie“ vorzubereiten. In der „Aktion T4“ (September 1939 bis August 1941) wurden über 70.000 psychisch kranke sowie geistig und körperlich behinderte Menschen, bei weiteren Formen der NS-Euthanasie mindestens 190.000 Menschen systematisch ermordet. Im Holocaust wurden etwa 5,6 bis 6,3 Millionen Juden, im Porajmos bis zu 500.000 Sinti und Roma ermordet. Hitler autorisierte die wichtigsten Schritte des Judenmordes und ließ sich über den Verlauf informieren.[1] Seine verbrecherische Politik führte zu Millionen Kriegstoten und zur Zerstörung weiter Teile Deutschlands und Europas.
http://de.wikipedia.org/wiki/Adolf_Hitler
Fazit
In folgender Schlussfolgerung von Wolfram Pyta zu seinem Diskursbuch "Hitler . Der Künstler als Politiker und Feldherr" subsumiert er in seiner Herrschaftsanalyse:
'Hitlers genialüberhöhte Herrschaft offenbart wie kein zweites Beispiel der Weltgeschichte die zerstörerischen Potenzen einer Auslieferung an einen Künstler-Politiker' und weiter 'Einem zum Genie erhobenen Führer wurd die Selbstermächtigung zuerkannt, alles zu tun und zu lassen, was ihm beliebte (beliebt machte); das deutsch(sprachige und nicht nur das, siehe Japan...)e Volk lieferte sich auf Gedeih und Verderb einer omnipotenten Herrschaftsform aus... einer Geniekult-Kompensation mit umfassender Gefolgschaftstreue..'.
Dazu ergänze ich aus eigenem Erleben mein Bei-Spiel und mit Zeitzeugen, ein Intermezzo:
Im neunten Lebensjahr (1944) erklärte der NSDAP-Schuldirektor meiner Pflegemutter (mein Vater war 1941 gefallen und meine originäre Mutter war nicht in der Lage mich zu erziehen, sie entführte mich mit fünf, so kam ich zur wunderbar-unvergesslichen Pflegemutter..). also, er sagte meiner Mutter, ich werde nach Schulabschluss der Volksschule aus seiner Sicht in die Napola (1-2) aufgenommen. Meine Pflegemutter war innerlich dagegen, da sie und mein Pflegevater - insgeheim sozialdemokratische Gesinnung hatten - und ich bereits diese Tendenz in mir gleichfalls spürte, so zögerte sie die Antwort hinaus bis 1945 (Tod des Pflegevaters) und in den folgenden Wirren sich der Schuldirektor erschoss. Für mich - aus heutiger erzieherischer Sicht - war der Schuldirektor ein aussergewöhnlicher Pädagoge. Danach hatte ich dank ÖGB*- Förderung Gelegenheit das Architekturstudum an der Akademie der bildenden Künste in der Architektur abzuschliessen, wärenddessen ich auch die anderen Künste aktiv und querfeld ein transdiszipinär kennenlernen wollte. So ergab es sich, dass der Meisterklassen-Professor und Maler Dobrowsky **(ca.1963) bei meiner Recherche in der Akademie zu mir unvermittelt sagte, dass ich eine Ausdruckskraft aufzeige, wie er ihn bei Hitler erlebt habe, als er sich an dieser Akademie bewarb und abgewiesen wurde..d.h. zwanzig Jahre später nach all dem Grauen, war ihm und mir sofort klar wie präsent die Weitergabe und Wirkkraft des Bösen bis zum Lachen der Täter (3) sein wird für lange - wahrscheinlich alle - Zeit.
Inhaltlich gesehen ist dieses überaus hervorragend recherchierte Diskursbuch mit seiner philosophisch-ästhetischen Sichtweise besonders impressiv. Er zeigt den weiteren Werdegang Hitlers - ohne den östererreichischen, aduleszenten Teil genügend erwähnenswert zu sehen.
Denn die gestaltungsräumlich-ästhetischen und 'perfomativen' Entertainer-Qualitäten Hitlers, als akusmatischer Redekünstler (4) die überwältigen konfigurativ auf Massenwirkung ausgerichtet war, sind für Pyta und mich evident.
Die Kraftquellen holte sich Hitler durch seine hochrangig ausgewählten Beziehungen speziell im Salon von M. Zaeper in München (Maler, Autodidakt), zu R. Wagner , H.Thode (Kunsthistoriker), A. Böcklin, H.Thoma, E.Steppes (Maler), D. Eckart (Dramatiker), ... P.L.Troost + > A.Speer (Architektur+Städtebau) darüber hinaus durch F. Weisheitiger (Volkssänger), A. Schopenhauer, F. Nietzsche - A, Vogel, (Philosophen),... bis zum Architekten und Vize Speer, sowie Hitlers Sekretär R. Hess.. man sprach von den Grenzen u.a. Hitlers 'nackten Stimme' deren kunst-maskierte Authentiziät genial 'prägend' und so tod- und schrecken-bringend war - und wie wir aktuell sehen, weiter wirkt.
Die transdisziplinäre, zugleich zerstörische Wirkkraft des genial-bestialischen Täters Hitler wird in diesem Diskursbuch aussergewöhnlich und umfassend dokumentarisch wie lebendig zugleich dargestellt. m+w.p15-4
*) ÖGB
http://www.oegb.at/cms/S06/S06_0/home
**)
http://de.wikipedia.org/wiki/Josef_Dobrowsky_(Maler)
Die Hitlerjugend (1)
oder Hitler-Jugend (abgekürzt HJ) war die Jugend- und Nachwuchsorganisation der Nationalsozialistischen Deutschen Arbeiterpartei (NSDAP). Sie wurde nach dem leitenden Politiker der NSDAP Adolf Hitler benannt und in der Zeit des Nationalsozialismus ab 1933 zum staatlichen und einzigen Jugendverband mit bis zu 8,7 Millionen Mitgliedern (98 Prozent aller deutschen Jugendlichen) ausgebaut.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hitlerjugend
Napola (2)
Nationalpolitische Erziehungsanstalt, eine nationalsozialistische Eliteschulart im Dritten Reich
Napola – Elite für den Führer, einen deutschen Film aus dem Jahr 2004
http://de.wikipedia.org/wiki/Napola
Täter (3)
akusmatisch (4)
http://de.wikipedia.org/wiki/Akusmatik
***
Stimme
zur Ästhetisierung eines Diktators:
Kulturthema am 17.4.2015 von Rainer Volk:, SWR2
"Mir fällt zu Hitler nichts ein" schrieb Karl Kraus 1934 in der "Fackel". Das war Sarkasmus, leider erkannten das die meisten Autoren nicht, die sich an Hitler abgearbeitet haben. Die Hoffnung, einen Bestseller zu produzieren, trieb sie. Wolfram Pyta ist in seinem neuem Buch viel zu Hitler eingefallen aber es ist unwahrscheinlich, dass es ein Bestseller wird. Denn "Hitler. Der Künstler als Politiker und Feldherr" ist ein sperriges Buch. Es beginnt mit einem Gedanken Walter Benjamins, der Nationalsozialismus sei die "Ästhetisierung der Politik". Pyta erweitert ihn zu einer kulturhistorischen Erklärung, die auf dem Geniekult basiert:
"Das Interessante bei Hitler ist, dass Hitler, spätestens seit 1943 sich visuell aber auch akustisch immer rarer macht. Er distanziert sich sozusagen von seiner Gefolgschaft. Er tritt nicht mehr auf, nur noch zu ganz seltenen Anlässen. Und um zu erklären, weshalb Hitlers Herrschaft nicht verfallen ist, brauchen wir eine andere Konzeption, die imstande ist, diese ästhetisch gestiftete Beziehung auf den Punkt zu bringen und das ist der Begriff des Geniekults." Wolfram Pyta
Wagner, Rienzi, Walküre, das kennt man bereits. Doch führt Pytas Idee weiter zu einigen, unter Historikern bisher wenig beachteten Forschungs-Hinweisen der Kultur- und Literaturwissenschaft. Unter anderem ergibt sich daraus eine Rangfolge der Künste aus Hitlers Perspektive. Unten darbt die Literatur als zu rational und wissensorientiert, im Zwischenstock hausen Musik und Malerei, Königsdisziplin ist die Architektur:
"Das hängt nicht zuletzt mit der künstlerischen Vita Hitlers zusammen. Wir sehen Hitler immer nur als Maler oder Zeichner. Das war aber nur ein Beruf, den er in Wien und München ausübte. Seine eigentliche und wahre Liebe galt der Architektur und hier insbesondere der Theater-Architektur." Wolfram Pyta
Auch wenn die Ausführung Längen hat: Wolfram Pyta überträgt seinen "Überbau" konsequent auf die Untersuchungsfelder Politik und Militär: Der Möchte-Gern-Architekt, der sich zum "größten Festungsbauer aller Zeiten" aufschwingt, der Feldherr, der am Kartentisch sein Gefühl für Raum und Landschaft der Kriegführung überstülpt, Millionenheere bis zum Untergang kommandiert, weil sein Tatgenie Generalstabs-Wissen übertrumpft, das ist intellektuell anregend, wird in der Fachwelt vermutlich heftig analysiert werden und könnte die ewige "Wie-konnte-das-passieren"-Debatte wirklich beleben. Dabei ist Wolfram Pyta ein Einzelkämpfer-Forscher, der selbst tief in die Archivberge steigt. Zwei Funde zu Hitlers Selbsteinschätzung als Genie hebt er hervor. Einen Münchner Kapellmeister, der Hitler Unterricht gab:
"Adolf Vogl, der in den frühen 20er Jahren mit Hitler intensivst verkehrt hat. Dessen Nachlass liegt im Stadtarchiv München und ist bislang nicht benutzt worden. Und zum zweiten gibt es den Chronisten der Hitler‘schen Tischgespräche. Der Chronist ist Heinrich Heim, der als ästhetisch sensibler Wagnerianer für diese Aufgabe besonders geeignet war. Er hat das ohne Wissen Hitlers gemacht. Und mir ist es gelungen, den Privatnachlass Heinrich Heins aufzustöbern." Wolfram Pyta
Ganz am Schluss erlaubt sich Pyta noch eine Pointe, die auch alle interessieren dürfte, denen das Jetzt und Heute wichtiger sind als der selbst ernannte "Führer". Die ästhetische Überladung der Politik Hitlers, heißt es nach 653 Seiten, habe vermutlich dafür gesorgt, dass in der Bundesrepublik offizielle Anlässe sehr nüchtern gefeiert werden. Wörtlich heißt es: "Konrad Adenauer bildete nicht nur in dieser Hinsicht den Gegenpol zu Adolf Hitler."