Michel Nahm: Wenn die Dunkelheit ein Ende findet . Terminale Geistesklarheit und andere ungewöhnliche Phänomene in Todesnähe

Online-Publikation: März 2012 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Michel Nahm: Wenn die Dunkelheit ein Ende findet . Terminale Geistesklarheit und andere ungewöhnliche Phänomene in Todesnähe >>
288 Seiten, Hardcover, ISBN: 978-3-86191-024-4; 19,95 €
Crotona Verlag, 83123 Amerang; www.crotona.de

Inhalt
Dieses Buch ist die erste umfassende Studie über eines der geheimnisvollsten Phänomene der Seele – die Terminale Geistesklarheit.
Es beschreibt die Erfahrung mit Menschen, die Jahre- oder Jahrzehntelang im Koma lagen oder unter nahezu vollständiger, irreparabler Gehirnschädigung litten, bis sich kurz vor ihrem Tod etwas Unglaubliches ereignet.
Plötzlich, nach schier endloser geistiger Umnachtung, setzen sich diese Menschen auf,
sind geistig völlig klar, gewinnen ihre alten harmonischen Gesichtszüge zurück und richten an die völlig verblüfften Verwandten oder Familienmitglieder eine letzte Botschaft mit wichtigen persönlichen Nachrichten.
Dann legen sie sich entspannt und offenbar ganz mit sich im Reinen zurück – und verlassen ihre
physische Hülle.
Dr. Michael Nahm beschreibt die beeindruckendsten Fälle von „Terminaler Geistesklarheit“ und versucht eine erste Erklärung für eines der ungewöhnlichsten und bisher kaum erforschten Gebiete der modernen Geisteswissenschaft. So entsteht ein einzigartiges Dokument über die Macht des Geistes über die Materie.
Am Ende eines langen und oft leidvollen Lebensweges zeigt sich, dass auch die längste Dunkelheit einst ihr Ende nimmt.
An der Schwelle zu einer höheren Welt leuchtet erneut das LICHT auf!

Autor
Nach der Tätigkeit in einem Naturschutzzentrum studierte Michael Nahm Zoologie, Botanik, Genetik und Paläontologie. Danach absolvierte er eine Ausbildung zum Lehrer für Alexander-Technik und promovierte im Bereich Pflanzenphysiologie.
Danach absolvierte er eine Ausbildung zum Lehrer für Alexander-Technik und promovierte im Bereich Pflanzenphysiologie. Verschiedene Publikationen in internationalen Fachjournalen zeugen von seiner wissenschaftlichen Tätigkeit auf diesem Gebiet. Ungelöste Evolutionsprobleme, Rätsel des menschlichen Geisteslebens sowie ungewöhnliche Erfahrungen in Todesnähe bilden seit vielen Jahren Schwerpunkte seiner Interessen, wovon auch hier zahlreiche Veröffentlichungen Zeugnis ablegen.

Fazit
Michel Nahm hat sich als Lehrer für Alexander-Technik und promovierter Pflanzenphysiologe seit eh und je für ungelöste Evolutionsprobleme interessiert , sein aktuelles Ergebnis heisst "Wenn die Dunkelheit ein Ende findet" , In diesem Sachbuch beschäftigen ihn die "terminale Geistesklarheit und andere ungewöhnliche Phänomene in Todesnähe ". Er bezeichnet diese als ein " letztes, bzw, als ein *erstes* Aufflackern der Seele mit ihren ureigensten Fähigkeiten auf ihrem Weg in ihre eigentliche und angestammte Heimat" das er in zweihundert Jahren an neunzig Referenzen untersucht hat und in seiner Schrift überzeugend feststellen konnte. Wir stimmen dem grosso modo, bezeichnen es als Aufbruch im Zustand der "grossen Meditation" in die "molekulare Reise mit offenem Ort". Für uns ist der Ausdruck Heimat zu sehr missbraucht und abgegriffen. Es fehlt dieser bemerkenswerten Studie zur terminalen Geistesklarheit letztendlich die überzeugende Befreiung aus der miefen Heimatbegrifflichkeit des Seelengrundes, bedauerlicherweise. m+w.p12-3

Kinderhospiz Balthasar : ... den Tagen mehr Leben geben

Kinderhospiz Balthasar : "Wir können dem Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben."
mailto:alschner@kokos.ag
Erstes Deutsches Kinderhospiz "Balthasar" zum bundesweiten "Tag der Kinderhospizarbeit" am 10. Februar 2006

Olpe (ots) - Es ist eine traurige Zahl: Über 500 Kinder in
Deutschland erkranken pro Jahr unheilbar. Der Weg von der Diagnose
bis zum Tod eines Kindes verläuft oft über Monate oder Jahre und
verlangt ihnen, ihren Eltern, Geschwistern und Angehörigen enorm viel
ab. Zahlreiche Menschen engagieren sich in Deutschland hauptberuflich
wie ehrenamtlich für diese Kinder und deren Familien. Mit dem ersten
"Tag der Kinderhospizarbeit" am 10. Februar wird bundesweit auf die
Situation der Betroffenen aufmerksam gemacht.

"Kinder sterben anders", erläutert Rüdiger Barth vom Kinderhospiz
Balthasar in Olpe. Der Leiter des ersten deutschen Kinderhospizes ist
fest davon überzeugt, dass eine differenzierte Begleitung sterbender
Kinder und derer Familien notwendig ist: "Schon allein der
Krankheitsverlauf ist bei jungen Menschen anders als bei
Erwachsenen." Zudem, so Barth, stehe bei der Hospizarbeit nicht nur
das sterbende Kind im Mittelpunkt. "Wir wollen und müssen in unsere
Arbeit auch die Eltern und Geschwister einbeziehen. Für uns sind sie
bereits mit der furchtbaren Diagnose Abschied nehmende und trauernde
Menschen." Mit jeder Fähigkeit, die ein Kind mit fortschreitendem
Krankheitsverlauf verliere, müsse auch die Trauerarbeit intensiviert
werden, erläutert der Fachmann.

"Gegenüber einem Erwachsenenhospiz hat unsere Einrichtung einige
Besonderheiten, mit denen wir uns auf die Bedürfnisse der kleinen
Gäste einstellen", erklärt Barth. "Weil Kinder mit unheilbaren
Stoffwechsel- oder Muskelerkrankungen oft mehrere Jahre an ihrer
unheilbaren Krankheit leiden, kommen sie und ihre Familien mehrmals
für einige Tage oder Wochen zu uns, um "aufzutanken" und gestärkt
wieder nach Hause zu fahren." Das unterscheide diese Kinder von
erwachsenen Menschen, die in der Regel nur in der allerletzten Phase
ihres Lebens in ein Hospiz gehen, um dort zu versterben.

Rund um die Uhr werden die jungen Patienten nicht nur von
erfahrenem Pflegepersonal wie beispielsweise Kinderkrankenschwestern
betreut. Sowohl ihnen als auch den Angehörigen stehen zudem
ausgebildete Fachkräfte für Gespräche während und zwischen den
Aufenthalten - also oftmals über Jahre - zur Verfügung. Besonders
ausgebildete Mitarbeiter im Kinderhospiz Balthasar kümmern sich
speziell um die Geschwister, die ansonsten im familiären Alltag sehr
viel Rücksicht nehmen und mit Einschränkungen leben müssen und die
schon außergewöhnlich früh mit dem Tod konfrontiert werden.

Mit Kinderzimmern, einer kindgerechten Einrichtung des Hauses bis
hin zu "Wunschessen" der Kinder will das Team des "Balthasar" den
kleinen Patienten einen erfüllten Alltag gestalten: "Wir können dem
Leben nicht mehr Tage geben, aber den Tagen mehr Leben," lautet das
Credo von Rüdiger Barth und seinem Team. So können die kranken Kinder
nach Lust und Laune mit anderen Kindern und Geschwistern im
Spielzimmer oder im Garten spielen oder im Snoezelen-Raum entspannen.
Klinikclowns besuchen regelmäßig die kleinen Gäste. "Bei uns im
Kinderhospiz gehören Leben und Lachen ganz natürlich ebenso so dazu
wie Sterben und Trauern", resümiert Barth.

"Selbstverständlich kommen zu uns wie in einem Erwachsenenhospiz
auch Kinder in ihrer unmittelbar letzten Lebensphase, die dann hier
versterben", so Barth. Nach dem Tod des Kindes besteht für die
Familien die Möglichkeit, in Ruhe Abschied zu nehmen. Dafür gibt es
einen Abschiedsbereich, der sehr persönlich gestaltet werden kann.

Das 1998 in Trägerschaft der gemeinnützigen Gesellschaft der
Franziskanerinnen zu Olpe als erstes deutsches Kinderhospiz überhaupt
gegründete Haus verfügt über intensivste Erfahrungen hierzulande und
stand Pate bei der Gründung von mehreren gleichartigen Einrichtungen
im Bundesgebiet. Weil das geltende Sozialgesetzbuch als Grundlage der
Kostenerstattungen durch Sozialversicherungsträger nicht zwischen
Erwachsenen- und Kinderhospizen unterscheidet, werden die ungleich
aufwendigeren Kinderhospize in der Regel allerdings nur als
Kurzzeitpflegeeinrichtungen mit zu geringen Kostenübernahmen
anerkannt. Nicht zuletzt aus diesem Grund sind Einrichtungen wie
"Balthasar" in hohem Maße auf Spenden angewiesen.

Mit einer Informationsveranstaltung über die Geschichte und
Entstehung des Kinderhospiz Balthasar wollen die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter den diesjährig erstmals veranstalteten bundesweiten "Tag
der Kinderhospizarbeit" am 10. Februar im Kinderhospiz gestalten.
Hospizleiter Barth: "Wir möchten so auf die Familien im Haus und auch
die Mitarbeiter über die Entstehung des ersten deutschen
Kinderhospizes informieren und auf die zahlreichen Facetten und
Besonderheiten unserer Arbeit aufmerksam machen."

Für Rückfragen der Redaktion:
Uwe Alschner
Telefon: 0163-8822150

Erni Kutter: Schwester Tod . Weibliche Trauerkultur. Abschiedsrituale, Gedenkbräuche, Erinnerungsfeste

Online-Publikation: Mai 2010 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Erni Kutter: Schwester Tod . Weibliche Trauerkultur. Abschiedsrituale, Gedenkbräuche, Erinnerungsfeste >>
Paperback, Broschur, 208 Seiten, 16,5 x 24,0 cm. Mit zahlr. z.T. farbigen Abb.; ISBN: 978-3-466-36877-8; € 17,95 [D] | € 18,50 [A] | CHF 31,90
Verlag Kösel - Verlagsgruppe Random House, München; www.randomhouse.de; www.koesel.de;  

Inhalt
Frauen trauern anders
Dieses konkurrenzlose Begleitbuch aktiviert den reichen Erfahrungsschatz alter Traditionen, Mythen und Märchen. Rituale und Bräuche eines nur scheinbar vergangenen weiblichen Wissens unterstützen Frauen in ihrem Umgang mit Tod und Trauer. Gekonnt verbindet die Autorin religions- und kulturgeschichtliche Informationen mit Vorschlägen für eine heute stimmige Trauerkultur.
Altes Frauen-Wissen für heute
KATEGORIEN
» Psychologie & Lebenshilfe
» Lebenshilfe & Persönlichkeitsentwicklung
» Sterben, Tod & Trauer
SCHLAGWORTE
» Glaube & Religion
» Frauenspiritualität
» Lebenshilfe & Psychologie
» Hospiz
» Tod & Sterben

Autorin
Erni Kutter, geb. 1947, Dipl.-Sozialpädagogin, ist heute freiberuflich im Bereich der Erwachsenen- und Frauenbildung tätig. Seit 20 Jahren beschäftigt sie sich mit Frauengeschichte, Kulturanthropologie, Mythologie und spirituellen Frauentraditionen. Sie lebt in Freising.

Fazit
Autorin Erni Kutter entwirft in ihrem Diskursbuch "Schwester Tod" eindringliches Muster für weibliche Trauerkultur, Abschiedsrituale, Gedenkbräuche und Erinnerungsfeste. Sie gliedert diesen unwiederkehrbaren Vorgang in fünf Bereiche in denen die Vorbereitung auf den Tod, zu Sterbebegleitung, Beerdigung, Trauerritual, Beisetzung, Erinnerungsritus- und Gedenken - kulturgeschichtlich vernetzt - von ihr auf tief berührende Weise dargestellt wird. Erni Kutter formt mit ihrem Begleitbuch zum Sterbenmit überzeugend-esoterischer Beschreibung das Abschiednehmen als ein wunder- wie heilsames Kontrastbild zur Medizin der Schläuche und Kanülen. w.p.10-5

Nicht-Liebe und Tod Aktuelles Glossar (in Arbeit)

Nicht-Liebe und Tod  Aktuelles Glossar  (in Arbeit)
(Diskursgrundlage für den 30.11.03)
Begriffsfeld Nicht-Liebe und Tod :
Quelle: Platon – Phaidon
Gesprächspartner von und über Sokrates: Apollodoros, Euenos, Kebes, Simmias; ein beorderter Knabe, der den Giftbecher verabreicht und den Ablauf regelt; Platon erzählt..."denkt sich seinen Teil und lässt die andern reden"...Grillparzer-Zitat...
(Reclam 918; 1987; im folgenden werden stets Seitenhinweise, keine Kapitel genannt )

A
Absondern der Seele 18; Astronomie 82; Anwesenheit 114; Ablösung von der Gemeinschaft 14, 114;
B
Bewegtheit 5; Besprecher des Todes 35; Befreiung der Seele 18; Begierde 43;
Besonnenheit 21;
D
Dreiseiend 76;
E
Erde und Schlange 87; Eros 106; Erkenntnis 31, Eingestalt 38; Erlösung 42; Entstehen 62; Entgegengesetztes 73; Edelmut 91;
F
Furcht 43;
G
Glückliches Wandern in den Tod 95; Gemeinschaft–Ablösung 14, 114; Gerechtes 15, 21, 91, 96; Gutes 15, 33, 68; Gleiches 29; Göttliches 46,
H
Herrschsucht 41;
I
Idee 112
K
Karthasis /; Reinigung 42, 111
L
Leben, erfülltes 12; Leib-Trennung 13; Leben, sich entfernend 17; Liebe 19; Lernen 26; Lust 43, 110;
M
Musik 8; Mineralien 83;
P
Philosophie 8; Pflanzen 85;
R
Raub 41; Rede-Zeitgewinn 48-51; Reinigung 42, 111;
S
Seele-Trennung 13; Seele-Ablösung 14; Seele zerstiebt 33; Seele-Tod 34; Seele uns/-sichtbar 37; Seele-unsterblich 78; Seele-Schmuck 91; Sterbliches stirbt 79; Ströme-Schlangen-Erde 87; Sokrates stirbt 399 v.d.Zw.; Schönes 15,33,68,113; Stimmung, göttliche 46,55;
T
Tod 3; Tod-Besprecher 35; Todesstunde 4; Tod-willig 11; Tod-Trost 12; Tod-Etwas 13; Trennung 13; Tapferkeit 21;
U
Unangenehmes 7; Ungerechtigkeit 41; Unlust 43; Unvergänglichkeit, wohlbehalten 79;
V
Vielgestalt 38; Vergehen 62; Vernunft 96;
W
Wohlbehalten 79;        

Lust und Laster . Die sieben Todsünden von Dürer bis Nauman

Online-Publikation: November 2010 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Lust und Laster . Die sieben Todsünden von Dürer bis Nauman . Ausstellung: Zentrum Paul Klee und Kunstmuseum Bern 15.10.2010–20.2.2011 >>
Hrsg. Zentrum Paul Klee, Kunstmuseum Bern, Gestaltung von Grégoire Bossy, Dominique Scholl, Text von Fabienne Eggelhöfer, Christine Göttler, Claudine Metzger, Monique Meyer, Barbara Müller, Anette Schaffer, Gerhard Schulze, Samuel Vitali
Katalogbuch: 380 Seiten, 480 farbige Abb., 23,20 x 29,00 cm, gebunden, ISBN 978-3-7757-2647-4, € 39,80 | CHF 56,90
Hatje Cantz Verlag, Ostfildern; www.hatjecantz.de; m.gatermann@hatjecantz.de;  

Inhalt: Katalogbuch
Ist das Laster zeitlos? Dieser opulente Streifzug durch die Jahrhunderte entdeckt faszinierende Unterschiede
Hochmut, Geiz, Neid, Zorn, Wollust, Völlerei, Trägheit – im 6. Jahrhundert listete Papst Gregor erstmals die sieben Todsünden als diejenigen Hauptlaster auf, die den Sünder geradewegs in die ewige Verdammnis führen. Die künstlerische Bearbeitung des Themas beginnt im Mittelalter, wobei sich über die Jahrhunderte die Lastervorstellungen wandelten: von den Allegorien eines Hieronymus Bosch oder Pieter Brueghel d. Ä. über die Genrebilder der Niederländer des Goldenen Zeitalters bis hin zur Wiederentdeckung des Themas durch Künstler wie James Ensor, Alfred Kubin, Marc Chagall und Otto Dix oder jüngeren Bearbeitungen etwa durch Bruce Nauman, Cindy Sherman und Jeff Koons.
Nach einer Einleitung mit zyklischen Darstellungen stellt der umfassende Band herausragende Arbeiten zu den einzelnen Todsünden epochenübergreifend einander gegenüber. Dabei wird nicht zuletzt auch unsere ambivalente Haltung gegenüber dem Lasterbegriff beleuchtet, die von Lust am Tabubruch bis zur Sehnsucht nach moralischen Leitlinien reicht.

Inhalt: Ausstellung
Lust und Laster. Die 7 Todsünden von Dürer bis Nauman
Freitag, 15. Oktober 2010 – Sonntag, 20. Februar 2011
Das Zentrum Paul Klee und das Kunstmuseum Bern widmen den sieben Todsünden eine umfassende Ausstellung, welche die künstlerische Auseinandersetzung mit diesem Thema vom Mittelalter bis in die Gegenwart adäquat dokumentieren soll. Dabei wird auch der Frage nachgegangen, welche Relevanz der Sündenbegriff in der heutigen Gesellschaft noch hat und wie unsere Kultur die Umwertungen begründet.
Trotz der Säkularisierung der Gesellschaft und dem schwindenden Einfluss der christlichen Moraltheologie ist das Konzept der Todsünden auch heute noch hochaktuell, wie der Hollywoodfilm Seven (1996) von David Fincher oder Kunstwerke wie Vices and Virtues (1983-1988/2008) von Bruce Nauman belegen.
Von den «sieben Todsünden» spricht erstmals Papst Gregor I. (ca. 540–604). Er bezeichnet damit sieben Seelenhaltungen, schlechte Charaktereigenschaften oder Laster, welche den Tod der Beziehung zwischen Mensch und Gott sowie unter den Menschen zur Folge haben:
Superbia/Hochmut, Avaritia/Geiz, Invidia/Neid, Ira/Zorn, Luxuria/Wollust, Gula/Völlerei, Acedia/Trägheit
Die Haltung der Gesellschaft zu den einzelnen Lastern ist in neuerer Zeit ambivalent geworden: Habgier, Neid oder Völlerei (in Form von Konsumismus) werden zu Triebfedern des kapitalistischen Wirtschaftssystems, die Wollust in Form von sexueller Promiskuität hat in weiten Kreisen der Erlebnisgesellschaft ihren negativen Beigeschmack verloren. Dabei sind aber gegenläufige Tendenzen zu beobachten: die Habgier der Manager wird als Abzockermentalität, das Konsumverhalten der Wegwerfgesellschaft als oberflächlich und sinnentleert gegeisselt.

Kuratorenteam: Fabienne Eggelhöfer (ZPK), Claudine Metzger (KMB), Samuel Vitali (KMB)
Hinweis:Die Ausstellung «Lust und Laster. Die 7 Todsünden von Dürer bis Nauman» im Zentrum Paul Klee ist für Jugendliche unter 16 Jahren nicht geeignet.
Im Zentrum Paul Klee weisen einige der ausgestellten Werke pornografischen Charakter auf, der ihre Empfindungen verletzen könnte. Die Werke sind von schutzwürdigem kulturellem Wert.
Förderer:Stiftung GegenwART, Dr. h.c. Hansjörg Wyss;Stanley Thomas Johnson Stiftung; Burgergemeinde Bern; Paul Klee-Stiftung der Burgergemeinde Bern. Der Katalog wurde finanziert von: Ursula Wirz-Stiftung

Fazit
Die Thematik, die den Tod der Beziehung zwischen Mensch und dem Transzendenten/Göttlichen ist durch das Christentum in 7 Regelverstössen gegliedert worden, und findet im Katalogbuch zur Ausstellung " Lust und Laster" ihren Niederschlag, wie folgt: Superbia/Hochmut, Avaritia/Geiz, Invidia/Neid, Ira/Zorn, Luxuria/Wollust, Gula/Völlerei, Acedia/Trägheit. Von Dürer bis Naumann werden Künstler darin aufgeführt, wobei einer der bedeutendsten Protagonisten im Bereich der Erotik (Luxuria/Wollust) ungenannt bleibt: Egon Schiele* und an dessen Stelle wird Gustav Klimt vorgeschoben, wie es im deutschen und puritanen Kunstgeschehen Usus war und ist. Selten erscheint auch die Kernpersönlichkeit des Zentrum Paul Klee und des Kunstmuseum Bern, Klee nämlich. Das Historisierende an diesem Projekt lässt sich an jeder Stelle der Inhalte feststellen und wirkt ermüdend bis sinnleer.
 m+w.p10-10
*) http://archiv.kultur-punkt.ch/buchtipps-allgemein/hatjecantz05-9schiele-roessler.htm

Sogyal Rinpoche : Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben

Online-Publikation: September 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Sogyal Rinpoche : Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben . Ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod >>
Taschenbuch TB : ISBN: 978-3-426-87528-5; € 14,99 ; E-Book (€12,99);
                     Hardcover - O.W. Barth, ISBN: 978-3-426-29120-7; (€29,99)
Knaur MensSana, Berlin; www.droemer-knaur.de; http://mens-sana.del.borowski@buchcontact.de

Inhalt
Der tibetische Meditationsmeister Sogyal Rinpoche führt uns an eine Lebenspraxis heran, durch die der Tod seinen Schrecken verliert und der Alltag an Freude gewinnt. Seine zeitgemäße Auslegung der buddhistischen Lehren des berühmten »Tibetischen Totenbuchs« hat weltweit einen maßgeblichen Rang erlangt. Sie ist zu einer unentbehrlichen Hilfe in der Krankenbetreuung und Sterbebegleitung geworden. Doch jeder Mensch kann durch dieses Buch nicht nur »die Kunst zu sterben«, sondern auch die »zu leben« lernen. Beide sind nach tibetischer Auffassung nur die zwei Seiten einer Medaille.

Autor
Sogyal Rinpoche wurde in Tibet geboren und von einem der größten Meditationsmeister ausgebildet. 1971 ging er nach England und studierte an der Universität Cambridge vergleichende Religionswissenschaft. Seit Mitte der siebziger Jahre lehrt er den tibetischen Buddhismus im Westen und hat eine einzigartige Fähigkeit entwickelt, die traditionellen Lehren mit dem modernen Leben zu verbinden. Er ist heute einer der bedeutendsten tibetischen Lehrer weltweit und der Gründer und spirituelle Leiter von Rigpa, einem weltweiten Netzwerk buddhistischer Gruppen und Zentren.

Fazit
Die gesamte Lebensspanne zwichen Geburt und Tod, nennt Sogyal Rinpoche den natürlichen 'Bardo (1)' in seiner Schrift " Das tibetische Buch vom Leben und vom Sterben" , das ein Schlüssel zum tieferen Verständnis von Leben und Tod sei, wie er nachfügt.
Rinpoche führt anschaulich durch den tibetischen Kreislaufzyklus und gliedert Leben (Vergänglichkeit, Reflexion, Wandel, Evolution und spiritueller Pfad mit innerster Essenz..), Sterben (Sterbegleitung, Mitgefühl, spirituelle Hilfe im Sterbeprozess...), Tod und Wiedergeburt (Immanente Strahlung/dharmata/Natur des Geistes, Nahtoderfahrung (2) / Wiederbelebung nach klinischem Tod als "Himmelsleiter?" Hilfe nach dem Tod "Himmelsleiter?", wieder Werden). Eine überzeugende und gut fundierte Schrift zum Diskurs zu Leben, Tod und darüber hinaus. m+w.p13-8

1) 'Bardo' : Im tibetischen Kreislaufdenken gibt es 4 Bardos : Leben, Sterben, Tod und Wiedergeburt
2) Platon, Politea, 614e: Erlebnisse nach Tod (Nahtoderfahrung) ; die Seele entfernt sich, 2 Richter entscheiden über das Vorgehen; http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/

Michael von Brück : Ewiges Leben oder Wiedergeburt? Sterben, Tod und Jenseitshoffnung

Online-Publikation: Januar 2009 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Michael von Brück : Ewiges Leben oder Wiedergeburt? Sterben, Tod und Jenseitshoffnung in europäischen und asiatischen Kulturen >>
320 Seiten, 13,9 x 21,4 cm. Gebunden mit Schutzumschlag, ISBN 978-3-451-29599-7.
Verlag Herder GmbH, Freiburg 2007; www.herder.de
Erweiternder Hinweis: http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/suhrkamp-vwr08-2brueck-buddhismus.htm

Inhalt
Verzeichnis Ist mit dem Tode alles aus? Oder reicht die menschliche Bestimmung über den Tod hinaus? Dies ist die Kernfrage der menschlichen Existenz. Alle Religionen geben darauf Antwort. Die Vorstellungen von Tod und Todesüberwindung nach dem Glauben im christlich-europäischen Raum bilden einen deutlichen Kontrast zur hinduistisch-buddhistischen Lehre von Seelenwanderung, Wiedergeburt und Nirwana oder zu den Vorstellungen von der Seele und dem Tod in der chinesischen Welt. Der bekannte Religionswissenschaftler gibt einen souveränen Überblick über die verschiedenen Weltbilder und Glaubensgebäude, aber auch über Riten und Kulte, mit deren Hilfe sich Menschen mit dem Phänomen Tod und Sterblichkeit auseinander gesetzt haben. Eine faszinierende Gesamtschau der Jenseitsvorstellungen der Religionen.

Vertiefender und komprimierter Inhalt: Mythos, Ritus und Geheimnis als Hoffnung
Sterben, Tod und Jenseitshoffnung in europäischen und asiatischen Kulturen
wissenschaftliche Sorgfalt mit spirituellem Einfühlungsvermögen und interreligiöser Offenheit verbindet. Neben einer Einleitung zu Fragen der unterschiedlichen kulturellen Verständnisse von „Tod", Nah-Toderfahrungen und den Zusammenhang zwischen privatem und sozialem Tod und den kulturellen Voraussetzungen unserer Gesellschaft schreitet er drei Themenkreise ab:
1. Der Mythos der Todüberwindung im Mittelmeerraum und Europa,
im hinduistisch-budhistischen Raum und in China.
Hier erstaunt die mythische Vielfalt vom antiken Griechenland, über biblische Schwerpunkte bis hin zu Renaissance und Aufklärung und die Veränderungen im 19. Jahrhundert, aber ebenso die sich in Vishnu und Shiva ausdrückende Kosmologien und Bewusstseinszustände menschlicher Existenz.
2. Riten der Sterbe- und Bestattungskulturen unter Rückbezug auf den antiken Mittleren Osten, Ägypten und Griechenland
sowie das frühe Christentum sind der zweite Themenkreis, den er bis hin zu neuen Entwicklungen die Darstellung religiöser Varianten der „ars moriendi" abschreitet.
Eine Besonderheit ist dabei seine Darstellung im Blick auf die Musik und die Requiems bzw. Kantaten von Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach, Wolfgang Amadeus. Mozart, Johannes Brahms und Hans Werner Henze. Dem setzt er den Opfercharakter im Hinduisimus und die Stufen des Sterbens im Buddhismus gegenüber, wie sich diese ritualisiert in den karmischen Kreisläufen des Lebens zeigen.
3. Unter eschatologischen Gesichtspunkten „Das Geheimnis als Hoffnung" kommen die Themen Angst, Schicksal, Leere, Sinnlosigkeit, Schuld, Verdammung als Rahmenfelder des Todes zur Sprache.
Paul Tillich spielt für Brück dabei eine wichtige Rolle. Der Auferweckung der Toten im christlichen Bereich stellt er intensiv differenzierend Reinkarnationsvorstellungen aus Asien gegenüber, um in einem ausführlichen Schlussteil Relationen zwischen Erleuchtung im Buddhismus und Christentum aufzuzeigen, einzelne Reinkarnationsvorstellungen Indiens zu kritisieren,
aber eben nicht abgrenzend zu verurteilen, wie das im Christentum leider immer noch geschieht. Es geht ihm darum, auf die eine Wirklichkeit im Leben und Sterben hinzuzielen und damit faktisch einem dualistischen Verständnis von Leben und Tod, Diesseits und Jenseits den Abschied zu geben. Die verschiedenen Religionen haben dabei längst Gemeinsames entdeckt:
„In tieferen Bewusstseinsschichten entsteht eine Bewusstheit, in der es keinen Dualismus von erkennendem Menschen und erkanntem Gott gibt.
Auferstehung ist die Erfahrung dieser Einheit jenseits der Zeit, und wo keine Zeit ist, ist auch kein Tod. Was jenseits des Todes ist, wissen wir nicht …
Da das Bewusstsein in einen ‚Raum' der Zeitfreiheit
eintreten kann, ist es nicht unvernünftig anzunehmen, dass auch im Tod der Übergang in eine andere Bewusstseinsintensität geschieht, die an ‚feinstoffliche' Prozesse
gekoppelt ist, die im Tod neu konfiguriert werden" (S. 306).
Den Umgang mit dem Tod drücken in diesem Zusammenhang Symbole aus, die auf Verbindlichkeit und Hoffnung weisen, wie z.B. Baum, Ähre, Blume, Blüte, blaue Blume, Efeu, Ginkgo-Baum, Kreuz, Lilie, Samenkorn, Schmetterling und Sonne (S. 197-201).

Michael von Brück kommt sicher zugute, dass er nicht nur Religionswissenschaftler und Theologe ist, sondern dass seine Indienerfahrungen sowie seine in Japan gelernte Zen-Praxis es ihm ermöglichen, sich in andere Sterbekulturen hineinzudenken. Sein Ansatz ist darum nicht eine Differenzhermeneutik zwischen Ost und West, sondern ein differenzierendes und konvergierendes Verstehen der „Einen Wirklichkeit", die unterschiedliche kulturelle Auslegungen und Einübungen ins Sterben erfahren hat, aber nie fundamentale Gegensätze behauptet.

Autor
Michael von Brück, geboren 1949, ist Professor für Religionswissenschaft an der Universität München. Er lebte und arbeitete für längere Zeit in Indien und in den USA. Über seine wissenschaftliche Tätigkeit hinaus hat sich Michael von Brück zum Zen- und Yogalehrer ausbilden lassen. Er ist Mitglied unterschiedlichster wissenschaftlicher Gremien weltweit und Beirat des Goethe-Institus.

Fazit
Michael von Brück beantwortet mit grossartigem Impetus und Vermögen in seinem Buch "Ewiges Leben oder Wiedergeburt?" systemoffen existenzielle Fragen nach Sterben, Tod und ewigem Leben, gibt Mut und Hoffnung, umrahmt von reichhaltigem religionswissenschaftlichem Material aus den Kontexten des Mittelmeeres bzw. Südasiens und Ostasiens.
Kurzum: benennt von Brück abschliessend den Schlüsselbegriff Hoffnung als Näherung zum Brahman oder nirvana / das Wahre selbst oder die Einheit-in-allem, womit wir uns in diesem Diskurs dem platonischen Begriff UNUM, dem Unfassbaren und Unbegreiflichen nachbarlich begegnen > siehe auch http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/; w.p.09-1

Alexandrina Slavescu: Liebe und Tod. Essay zu Heeres Collagen

http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/liebe-tod-slavescu1-04.htm>  (Bilderzugang)

Alexandrina Slavescu: Liebe und Tod. Essay zu Heeres Collagen

 

Heeres Collagen könnten Traumbilder sein, die aus unseren Tiefen unerwartet und ungeordnet im Raum des Bewusstseins auftauchen und mit denen wir in den ersten Augenblicken des Wachseins nichts anfangen können. Nur eines, dass sie uns mit ihrer kraftvollen inneren Spannung nicht mehr aus dem Kopf gehen. Wir möchten sie unbedingt entschlüsseln, denn wir ahnen es: wir würden dann mehr über uns selbst erfahren. Und so beginnen wir das Bildinnere zu ordnen.

Wenden wir uns der Bildwelt Heeres im Einzelnen zu, so finden wir dort die großen Themen aus der Geschichte des Denkens verarbeitet. Es geht um Themen wie Liebe, Schönheit, Tod, Erotik, Ewigkeit, die insgesamt gleichsam das Material bieten, das Heere auseinanderlegt und wieder neu collagiert.

In der Reihe mit dem Titel „Tod in Venedig" – die Assoziation zu Thomas Manns Erzählung kann nicht ausbleiben – collagiert Heere schöne Models aus der Werbung, junge kraftvolle Männer- und Frauengesichter voller Leben, die als moderne Prototypen der Schönheit gelten, mit den Kulissen Venedigs, die Stadt der Träume und der Liebe.

Wo könnte die Schönheit eher zu Hause sein als in Venedig! Venedig, das ist die Stadt des Theaters; Venedig, die Stadt der Eleganz; Venedig, die Stadt der Paläste und der beflügelten Löwen als Symbole der Macht; Venedig, die Stadt der Kunst; Venedig, der Karneval eines Lebens mit vielen Gesichtern. Doch hinter den Kulissen lauert der Tod, rot wie die imperialen Vorhänge der Theaterbühnen oder tiefblau wie das Wasser, in das Venedig der Vergänglichkeit geweiht ist. Also, auch Venedig, die Stadt der Morbidität und der stinkenden Kanäle, die Stätte des Todes.

In Heeres Gemälden und Collagen verblassen die junge Frau, der schöne Mann, selbst Botticellis Venus, die Göttin der ewigen Schönheit. Dazu die venezianischen Paläste, die prunkvoll vergoldeten Kirchen, die Gemälde, die von der Sinneslust der Götter erzählen, alle irdischen Zeichen von Herrlichkeit und Macht. Die Schönheit versinkt in den Fluten der Zeit. Denn die Schönheit, die uns verführt, ist die Maske des Todes. All das, was in Erscheinung tritt, was aus der Dunkelheit farbenprächtig aufleuchtet, wird verblassen und vergehen. Denn wenn das Leben uns hat, so hat uns auch der Tod. Verführt von der Schönheit beginnen wir zu lieben und in der Hingabe der Liebe beginnen wir zu vergehen.

Einige Worte zu den Christus–Bildern:

Die vielfach vergrößerte Textur einer Buchseite scheint aus lauter Hieroglyphen zu bestehen. Es ist etwas Orakelartiges an ihr; sie erscheint wie eine Prophezeiung. Auf unserem Weg der Entschlüsselung des Bildes beginnen wir dort, wo die Farbe die Schrift nicht zu überwältigen vermag, mit forschendem Blick einige Wörter aus den überschriebenen Bildern zu lesen. Ausdrücke wie: Rundung der Brüste, Scham, Schenkel, Nymphe, Furcht, Daphne,...Hände des Typhon die Wolken berühren...,...ich zu böser Vermählung würd ich mich wandeln...All diese Wörter transportieren uns in die Mythologie, dorthin, wo unser Ursprung ist, dort wo die Prophezeiung unseres Werdens verschlüsselt liegt.

Unter der Schrift erscheint das Bild des dornengekrönten Christus, den wir in der verfremdenden Vielschichtigkeit der Farbenexplosion kaum erkennen können. In seinem Gesicht verbergen sich, genauer, hausen die Formen schöner Frauenkörper. Lust und Leid finden sich ineinander verflochten. Die Lust erscheint durch die Leiden des Todes hindurch. Sie flackert auf, sie schimmert, sie schillert in vielen ephemeren Farben. Wie ein Kaleidoskop von der vergehenden Zeit gedreht, verändern sich die Formen und Farben und gehen ineinander über, bis plötzlich die Umrisse einer anderen Gestalt klar werden und Lust und Leid in ihrer Metamorphose sichtbar werden. Bilder, die zu Leben geworden sind. Lebendige Bilder. Die Lust schimmert durch das Leid und das Leid durch die Lust. In dieser Vermählung von Lust und Leid entsteht das Erhabene.

Heribert Heeres Christus am Kreuz ist nicht mehr der gequälte, von den Wunden der Folter gezeichnete Körper Jesus’, er ist eine umrissartige, von Licht durchflutete Öffnung, durch die wir die Welt erblicken können. Er erscheint noch leuchtender durch die Nacht des Hintergrunds. Er stirbt und sein Körper verwandelt sich in Licht, um das wir durch ihn Sehende werden und... Liebende. Der Tod verwandelt sich in die Helligkeit der Liebe.

Die sonst trauernd, vom Schmerz gezeichnet dargestellte Madonna, sieht auf Heeres Pieta-Bild wie der Tod aus. Der verwundete, menschliche Leichnam Jesu hat hier sein Gesicht verloren. Sein kreideweißer Körper ist im Begriff zu zerbröckeln, und er erscheint wie eine Beute in den Krallen des Todes. Die Liebe zu ihrem toten Sohn lässt sie nicht nur leiden, sondern sterben. Liebe und Tod sind im Gesicht der Mutter Maria eins geworden. Die Liebe hat sich in den Tod verwandelt.

Heere verfremdet dasuns so vertraute Bild von Maria, die ihren toten Sohn in den Armen hält, sosehr, dass er uns schockiert und wir sehnen uns danach, das vertraute Symbol wieder herzustellen. Heeres Bilder zeigen, wie die wesenhafte Liebe den Tod nicht nur bloß zulässt, sondern zum Tod wird. Jesus ist aus Liebe zu den Menschen gestorben und Maria ist aus Liebe zu ihrem Sohn gestorben. Doch der Tod bedeutet nicht das Ende. Er ist der Anfang eines ewigen Lebens.

In der Reihe der Computergrafiken mit dem Titel „Schädel“ collagiert Heere nicht verschiedene Bilder miteinander, sondern farbiges Licht  mit Formen. Der Tod, der das Verfremdende an sich ist – die Quelle alles Fremdartigen – wird hier seinerseits verfremdet und zurückverfremdet ins Vertraute. Es handelt sich um so etwas wie die Aufhebung der Fremdheit durch die Doppelung der Verfremdung (der wohnliche Tod).

Die Liebe hilft uns sterben und ewig sein zugleich. Die Liebe überfordert und überschreitet uns, sagt Heribert Heere. Sie überfordert uns, denn in der schicksalhaften Verbundenheit, die durch die Liebe entsteht, müssen wir­ durch den Tod gehen. Und sie überschreitet uns, weil sie uns überdauert und weil sie als einzige Zeugin über unsere Existenz zu erzählen vermag, wenn wir nicht mehr sind. In der Hingabe der Liebe sterben wir, zugleich gelangen wir durch sie in die Ewigkeit. © Alexandrina Slavescu   2003

Christian Schüle : Wie wir sterben lernen . Ein Essay

Online-Publikation: Oktober 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Christian Schüle : Wie wir sterben lernen . Ein Essay >>
Buch: 224 S. Hardcover, Pattloch ISBN: 978-3-629-13042-6; € 18,00
Knaur eBook : 224 S., ISBN: 978-3-426-42151-2; € 15,99
Droemer Knaur / Pattloch, Berlin; www.droemer-knaur.dehttp://mens-sana.de

Inhalt
„Die Tragödie des Menschen an sich besteht darin, dass sein Kampf gegen den Tod schon bei der Geburt verloren ist. Der Mensch kämpft nicht gegen den Tod, er kämpft um das Leben und weiß von vornherein, dass er es dennoch verlieren wird. Der menschliche Verstand kann sich sein eigenes Ende nicht vorstellig machen. Jahrzehnte hat der Zeitgeist uns gelehrt, Tragödie und Drama des Menschen zu ignorieren. Sterben und Tod waren der Tyrannei ihrer Verdrängung ausgeliefert. Trügen jedoch die Zeichen nicht, hat seit kurzem ein revolutionärer Wandel die Republik erfasst: Der Zeitgenosse lässt sich seinen Tod nicht mehr aus der Hand nehmen. Bis in die Haarspitzen selbstbestimmt, will er die letzten Dinge gestalten: sein Sterben, seinen Tod und die Weise der Erinnerung an ihn. Man hat Sterben, Tod und Trauer neu zu denken, und alles beginnt damit, dass der Tod ins Leben zurückkehrt.“ Christian Schüle

Der Autor
Christian Schüle, Jahrgang 1970, hat in München und Wien Philosophie und Politische Wissenschaft studiert und ist freier Autor und Publizist. Seine Essays, Feuilletons und Reportagen wurden mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Hansel-Mieth-Preis für Reportage und dem Erich-Klabunde-Preis des Deutschen Journalisten Verbandes Hamburg. Darüber hinaus war er dreimal für den Egon-Erwin-Kisch- bzw. den Henri-Nannen-Preis nominiert. Christian Schüle hat bislang fünf Bücher veröffentlicht, u.a. "Vom Ich zum Wir. Was die nächste Gesellschaft zusammenhält" und "Deutschlandvermessung. Abrechnungen eines Mittdreißigers". 2012 ist bei Pattloch sein aktuelles Buch erschienen: "Das Ende der Welt. Von Ängsten und Hoffnungen in unsicheren Zeiten".

Fazit
"Die Beschäftigung mit dem Tode ist die Wurzel der Kultur" steht als Motto zum Essay von Christian Schüle " Wie wir sterben lernen". Kurz gesagt heisst es lapidar am Ende seiner Überlegungen, und dem stimmen wir zu :" ... eines weiss ich gewiss: dass ich Herr/Frau* über mein Sterben sein will".
In den fünf Teilen und 40 Absätzen mit einer abschliessenden "Introspektion (1)" geht es Schüle um die Zeitgenossenschaft im Sog seiner Gegenwärtigkeit, die Regie seines Todes, zwischen Recht und Sitte, auch als Objekt seiner Bestattung. Schliesslich geht es ihm um die allerletzten Dinge wie da sind: Das Hinnehmen und Nichtleistenkönnen, auf palliative Massnahmen vertrauen zu dürfen, die Möglichkeit eines Suizides im legalen Rahmen, und einen irreversibel Sterbenden auch autonom sterben zu lassen.. Ein kraftvolles Essay liegt vor den aktuellen Diskurs zum sterben lernen (2) zu beflügeln

*) von uns, auf ausgleichernder Augenhöhe hinzugefügt...
(1) Selbstbeobachtung / Einsicht
     http://de.wikipedia.org/wiki/Introspektion
(2) www.kultur-punkt.ch/lebenswelt/sterben-einueben11-6.htm

Bernhard H. F. Taureck*: Die Ikonologie des Todes - Aspekte einer neuen Befindlichkeit

<<Prof. Bernhard H. F. Taureck*: Die Ikonologie des Todes - Aspekte einer neuen Befindlichkeit>>

SWR2 Aula Redaktion: Ralf Caspary, Susanne Paluch; Sendung: Karfreitag, 25. März 2005, 8.30 Uhr. Bitte beachten Sie: Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt. Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.
Übersicht
Das Thema des Todes scheint in der modernen Philosophie keine große Bedeutung mehr zu haben, obgleich in der Antike und Neuzeit die Philosophie als ein Lernen des Sterbens begriffen wurde. Diese Vorstellung ist metaphorisch.

Sie lädt uns ein, den Tod nicht zu fürchten und zu ihm ein Verhältnis intersubjektiver Kommunikation zu finden. Es gilt, sich dieser traditionellen Auffassung wieder zu nähern, da sie zugleich den Weg ebnet für einen Todesbezug, der frei ist vom esoterischen Habitus. Der Braunschweiger Philosoph Bernhard H. F. Taureck erläutert Aspekte seiner kritischen Ikonologie.

Philosophieren: Sterben lernen, das ist ein gewaltiges Wort. Ein Wort mit umfassendem Anspruch. Träfe es zu, dann gäbe es nicht nur eine Antwort auf die Frage, wozu Philosophie überhaupt da ist. Diese Antwort legte nämlich auch noch eine Antwort auf eine andere Frage nahe, die Frage, wozu, wofür, zu welchem Zweck wir überhaupt leben. Sterben zu lernen wäre eine Antwort auf die Frage nach dem Lebenssinn.

Der junge Hugo von Hofmannsthal, einer der bedeutenden Dichter unseres menschlichen Todesbezuges, gab dieser Sinnsuche 1892 einmal folgenden Ausdruck:

Und hätte jeder nicht ein heimlich Bangen

Vor irgend etwas und ein still Verlangen

Nach irgend etwas und Erregung viel

Mit innrer Lichter buntem Farbenspiel

Und irgend etwas, das zu kommen säumt,

Wovon die Seele ihm phantastisch träumt,

Und irgend etwas, das zu Ende geht,

Wovon der Schmerz verklärend ihn durchweht -:

So lebten wir in Dämmerung dahin,

Und unser Leben hätte keinen Sinn…

Hier taucht erstmalig im Deutschen eine Verbindung von „Leben“ und „Sinn“ auf. Wir wissen heute, dass gut zwanzig Jahre später, während des Ersten Weltkriegs, die uns seither so geläufige Fügung „Sinn des Lebens“ entstand und bald zu einem Modewort avancierte. Wir wissen ebenfalls, dass die Fügung „der Sinn des Lebens“ im Kontext einer bis dahin unbekannten kollektiven Erfahrung des gewaltsamen Todes entstand. So ist es auch verständlich, was Max Horkheimer zu einer Studentin bemerkte, die betonte, Heidegger habe mit seinen todesbezüglichen Existenz-Analysen in „Sein und Zeit“ die Menschen endlich wieder vor den Tod gestellt: Der deutsche Oberbefehlshaber Ludendorff, verantwortlich für den Tod hunderttausender Soldaten im Ersten Weltkrieg, habe dies – den Menschen vor den Tod zu stellen – viel besser besorgt als Heidegger.

Zurück zu unserer Ausgangsbestimmung: Philosophieren - sterben lernen. Diese Kennzeichnung sagt uns, wozu wir philosophieren und sie sagt uns, wofür da sind, sofern, was Philosophie ursprünglich stets besagte, alle Menschen von Natur aus philosophieren. Der Sinn unseres Menschenlebens bestünde darin, sterben zu lernen. So groß der Gewinn auch sein mag mit einer einzigen Formel Philosophie und Lebenssinn zusammenzubringen, etwas sträubt sich in uns gegen diese Formel. Nicht nur mag jener Kontext Bedenken erwecken, jener Krieg von 1914 bis 1918, mit dem die uns heute bedrohende Total-Auslöschung des Menschen durch Menschen begann. Zuvor stellt sich die Frage: Sterben-Lernen, ist das überhaupt möglich? Gibt es unter allem, was wir zu lernen vermögen, auch noch das Sterben? Sophokles, der große griechische Tragödienautor, verneinte diese Frage offenbar, als er seinen Chor in der Antigone-Tragödie die Worte sprechen ließ: „Verlegen geht der Mensch an kein Künftiges, er ist der Niemals-Verlegene. Allein vor dem Tode weiß er sich kein Entrinnen.“ Der Mensch, wird hier konstatiert, weiß stets einen Ausweg aus Situationen der Not. Hinsichtlich des Todes versagt dieses Wissen jedoch. Der Tod zeigt sich nicht als Not, sondern als Notwendigkeit. Er ist die Notwendigkeit, der niemand entrinnt. Die Griechen sagten daher statt „die Menschen“ einfach auch „die Sterblichen“. Die Römer gaben dieser Notwendigkeit beredten Ausdruck. So der Komödiendichter Publilius Syrus: „Es ist ein allgemeines Gesetz, das geboren zu werden und zu sterben befiehlt.“ Oder der Philosoph Seneca: „Alles fordert der Tod ein. Es ist Gesetz, nicht Strafe, dass man stirbt.“ Oder der Dichter Horaz: „Der bleiche Tod tritt mit gleichem Fuß in die Hütten der Armen und in die Paläste der Reichen ein.“ Auch der Kirchenvater Augustinus urteilt: „Unsere Lebenszeit ist nichts anderes als ein Lauf zum Tode.“

Trotzdem bleibt die Frage: Lässt sich das Sterben nicht lernen? Denn das Sterben ist ja nicht bereits der Tod selbst, sondern das Erleiden des Todes. Die Philosophen werden gewusst haben, wovon sie redeten, wenn sie behaupteten, zu philosophieren heiße sterben zu lernen. Wir müssen diese Behauptung genauer betrachten. Sie verbindet nämlich drei Vorgänge miteinander: das Philosophieren, das Sterben und das Lernen.

 Beginnen wir mit einem wieder aktuell werdenden heroischen Sinn des Sterbens. Im Irak sterben täglich nicht nur viele Iraker, sondern auch US-amerikanische Soldaten, die nicht selten infolge hoher Arbeitslosigkeit den Dienst in der Armee zu wählen genötigt sind. Diese Soldaten werden vom US-Präsidenten zu Helden erklärt. Der Globus wird damit Zeuge von Heroismus in einer eigentlich längst post-heroischen Zeit. Militärischer Heroismus, das Wissen und die Praxis von Kampf, Tötung, Getötetwerden, ist das ein lernender Umgang mit dem Tod? Ein römischer Historiker schrieb: „Dem Tod entrinnt, wer ihn verachtet; den jedoch, der ihn am meisten fürchtet, den holt er ein.“ Der Held also bekäme eine Chance zu überleben. Wie aber steht es mit dem Helden, der den eigenen Untergang nicht fürchtet und ihn erleidet? Dafür gibt uns Caesar bei Shakespeare eine klare Antwort. Als man Caesar drohendes Unheil meldet und er nicht zur Senatssitzung gehen soll, wo seine Ermordung heimlich vorbereitet wird, bemerkt er: „Feige sterben viele Male vor ihren Toden. Der Tapfere schmeckt den Tod nur ein einziges Mal. Von allen Wundern, die ich jemals hörte, scheint mir am wundersamsten, dass Menschen fürchten sollen, wo sie doch sehen, dass der Tod, ein notwendiges Ende, kommen wird, wenn er kommen wird.“ Auf engstem Raum findet sich hier eine Bewertung und eine Definition des Todes. Die Bewertung ist ganz und gar heroisch. Der Feige, der den Tod fürchtet, stirbt in seiner Fantasie bereits viele imaginäre Tode, während der Tapfere nur den einen realen Tod erlebt. Die Definition des Todes ist das notwendige, einen bestimmten Zeitpunkt einschließende Lebensende. Für ein „Lernen“ des Sterbens gibt es demgemäß keinen sinnvollen Platz. Alles, was sich diesbezüglich lernen ließe, wäre die Einsicht, dass es nichts zu lernen gibt. Lernende Vorbereitung auf den Tod erscheint gar als Strategie der Feigheit.

Nun ist es sicherlich passend, den Tod nicht so sehr zu fürchten, dass man bei jedem Gedanken an ihn in Schrecken und Panik gerät. In diesem Fall nämlich würde man tatsächlich mehr Leid auf sich laden als nötig und gleichsam sterben ohne zu sterben. Folgt daraus aber, dass es überflüssig ist an das eigene Sterben zu denken, dass es sich in keiner Weise lohnt daran einen Gedanken zu verschwenden? Nein, dies folgt nicht. Das von Shakespeares Caesar propagierte heroische Todesdesinteresse scheint uns Menschen kaum erreichbar zu sein. Denn so sehr wir uns auch bemühen nicht an unseren Tod zu denken, es wird uns nicht gelingen. Dass es sich so verhält, wird aus folgender Überlegung klar: Jeder Mensch hat die Möglichkeit sich selbst zu töten und macht davon auch reichlich Gebrauch. Für Deutschland wird eine jährliche Suizidrate von etwa 20.000 Menschen geschätzt, somit die doppelte Menge der jährlichen Summe aus Verkehrs- und Drogentoten. Jeder hat die Möglichkeit sich selbst zu töten und weiß zugleich, dass er diese Möglichkeit besitzt. Nun wird niemand glauben, dass er im Falle, dass er sich nicht selbst aus dem Leben befördert, er dann ein Leben ohne Tod und Sterben besäße. Niemand glaubt vermutlich: Ich bin unsterblich, außer ich bringe mich selbst um. Vielmehr gilt, dass jeder zu sich sagt: Meine Lebenszeit ist nicht unbegrenzt. Eines Tages muss ich es verlassen, eines Tages werde ich sterben. Wie aber kommt es, dass ich lebe und zu leben fortfahre? Das kann ich nur dadurch erklären, dass ich alles Lebensbedrohliche meide. Ich springe nicht aus dem Fenster, sondern benutze die Treppe oder den Fahrstuhl. Um einen Fluss mit dem Auto zu überqueren, steuere ich nicht in das Wasser, sondern benutze eine Brücke. Ich versuche nicht, aus dem fliegenden Flugzeug zu springen, um schneller an meinem Zielort zu sein, sondern ich warte die Landung ab. Wenn mir kalt ist, bade ich nicht in kochendem, sondern in wohltemperiertem Wasser. Warum aber meide ich alles Lebensbedrohliche? Die Antwort lautet: Weil ich leben will. Der Wunsch leben zu wollen, schließt jedoch noch etwas anderes ein. Er schließt den Wunsch ein, dass ich mich nicht töten will. Daher können wir sagen, dass der scheinbar selbstverständliche Lebenswunsch enthält, dass wir uns selbst nicht umbringen wollen. Diesen Wunsch, dass wir nicht Hand an uns selbst legen, praktizieren wir zu jeder Zeit unseres Lebensvollzuges. Selbstverständlich sagen wir nicht ständig zu uns selbst: Heute, morgen und übermorgen will ich mir nichts antun und erneuern dieses Gelübde zweimal wöchentlich. Doch wenn wir uns ernsthaft fragen, weshalb wir leben, müssten wir antworten: Weil wir uns nicht töten wollen. Und es gibt genügend Situationen, die uns einen Freitod als das geringere Übel erscheinen lassen. Krankheit, schwere Niedergeschlagenheit, Vereinsamung, Misserfolge lassen den eigenen Tod gern wünschenswerter erscheinen als eine Lebensfortsetzung. Aus all diesem folgt vor allem eines: Jeder Lebensbejahung ist ein Todesbezug eingeschrieben, der ihr vorausgeht. Leben wollen heißt nicht nur nicht sterben wollen, sondern heißt nicht durch Selbsttötung sterben wollen. Der alltägliche Lebensvollzug beruht auf einer Verneinung der Selbsttötung. Verneinte Selbsttötung setzt jedoch voraus, dass man sich bereits in ein Verhältnis zur Möglichkeit des eigenen Todes gebracht hat. Es lässt sich nur dasjenige verneinen, was zuvor unverneint als Wirkliches oder Mögliches präsent ist. Also muss die Möglichkeit des eigenen Todes zuvor präsent sein, um verneint zu werden.

Was haben wir mit dieser Überlegung erreicht? Sind wir dem Sterbenlernen näher gekommen? Offenbar nicht, denn wir haben entdeckt, inwiefern wir alle das Leben lernen, eben durch Verneinung der Selbsttötung. Auf der Suche nach dem Sinn der Formel „Philosophieren heißt sterben lernen“ stoßen wir darauf, wie wir das Leben lernen. Offenbar haben wir unbemerkt das Thema gewechselt. Wir suchen nach dem Sterben und finden das Leben. Dieser Verdacht trifft indes nicht ganz zu. Die Formel „Philosophieren heißt sterben lernen“ verbindet, wie zuvor bemerkt, das Philosophieren mit Sterben und Lernen. Unsere Überlegung mit dem Ergebnis, die stetige Verneinung der eigenen Tötung sei Bedingung unseres Lebens, ist bereits Teil des Philosophierens. Wenn wir so argumentieren, wie wir es soeben taten, dann philosophieren wir bereits, und wir philosophieren nicht unter Ausschluss des Todes, sondern wir beziehen den Tod ein. Das Thema des Sterbenlernens wurde nicht verfehlt, sondern wir haben uns philosophierend ihm genähert. Dieses Philosophieren ist kein Tun einer speziellen Wissenschaft. Es stellt nicht mehr und nicht weniger dar als diejenige Art von ausdrücklicher Überlegung, die wir alle halbausdrücklich alltäglich vollziehen und vollziehen müssen, um als Menschen leben zu können, das heißt eine Zukunft der Lebensfortsetzung haben zu können. Philosophieren gehört insofern zu jedem Menschen. Der Mensch ist ein nach Klärung seiner selbst und seiner Lebensbezüge strebendes Lebewesen, somit ein philosophierendes Lebewesen, ein animal philosophicum.

Jeder Mensch vermag daher die begonnene Überlegung über Sterben und Leben fortzusetzen. Er wird dann auf folgendes stoßen: Gut, die stetige Verneinung der eigenen Tötung ist Bedingung unseres stetigen Lebensvollzuges. Mit der Möglichkeit unseres Todes konfrontiert, antworten wir mit: Nein, er soll nicht durch uns erfolgen. Liegt darin unser gesamter Todesbezug? Dass darin ein großer Teil unseres Todesbezuges besteht, steht außer Zweifel. Nicht zutreffend wäre es jedoch, unseren Bezug zu unserem Tod ausschließlich in der Verneinung unserer Selbsttötung zu erblicken. Weshalb nicht? Der Grund ist allgemein bekannt: Wir sind sterblich. Wie zuvor schon bemerkt, können wir uns nicht dadurch von unserer Sterblichkeit freikaufen, dass wir darauf verzichten, gegen uns selbst den Tod zu spielen. Auch wenn wir leben, weil wir uns nicht töten wollen, hat unser Leben einmal ein Ende, das sich um unseren Selbsttötungsverzicht nicht kümmert. Das Sterben wartet auf uns, wie sehr wir auch unser Leben pflegen, hegen und bejahen. Jeder wird seinen Tod erleiden. Tod ist keine Not, er ist Notwendigkeit. Die Notwendigkeit des Todes hat für uns eine in jedem Fall unangenehme Eigenschaft. Er raubt uns entweder die Fortsetzung unseres vorhandenen Glücks oder er raubt uns die Chance, künftig noch Glück zu finden, wenn wir bisher unglücklich waren. Tod ist stets Glücks- oder Chancenraub

Nun sagen wir jedoch auch: Der Glückliche wurde durch den Tod vor dem Erleben von Unglück bewahrt. Oder: Der Unglückliche wurde durch den Tod vor der Hoffnungslosigkeit gerettet. Doch hier lügen wir. Denn wir wissen nicht, dass dem Glücklichen Unglück erspart und dass dem Unglücklichen Glück vorenthalten wird. Weil beide verstorben sind, kennen wir ihre Lebensfortsetzungen nicht. Wir könnten allenfalls bemerken: Wenn der Glückliche künftig ein unglückliches Leben zu erwarten hätte, dann würde ihn der Tod davor bewahren. Oder: Wenn der Unglückliche auch künftig hoffnungslos unglücklich bliebe, dann würde ihn der Tod davor bewahren. So folgt, dass der Tod offenbar als definitiver Sinnentzug zu bewerten ist, im Hinblick auf den wir offenbar leicht, gern und im Einklang mit den verfügbaren Konventionen der Rede Unwahres äußern.

Zwei Äußerungen nachdenklicher und Neues wagender Künstler des 19. Jahrhunderts zeigen extreme intuitive Folgerungen aus dem Bewertungsdilemma des Todes. So schreibt im Dezember 1875 Gustave Flaubert an die Schriftstellerin George Sand, nichts erhalte ihn mehr am Leben als die Hoffnung es bald zu verlassen. „Würde ich nicht bald sterben wollen, so wollte ich nicht leben“, lässt sich die paradoxe Lehre zusammenfassen. Um dem Schlimmen, das das Sterben ist – Raub des Glücks oder Raub der Chancen es zu finden – zu entgehen, wird hier eine Position eingenommen, in der man bereits gestorben ist. Dies drückt Richard Wagner in Venedig am 9. Oktober 1882, drei Monate vor seinem Tod noch deutlicher aus, wenn er bemerkt: „Um es im Leben auszuhalten, müsste man darin tot sein.“

Was Flaubert und Richard Wagner hier auszusprechen wagen, zeigt jenes wenig erfreuliche Gesicht des Sterbenmüssens. Was beide aussprechen, wird von der Mehrheit und wird von der kulturellen Bewusstseinsindustrie jedoch verschwiegen. Wir haben in der Regel keine Probleme damit uns gegen Selbsttötung zu entscheiden. Wir konfrontieren uns mit der Möglichkeit unseres Todes und sagen nein zu dessen von uns bewirkter Herbeiführung. Das war’s. Nun gibt es aber eine zweite Konfrontation mit unserem Tod, das heißt mit der Unausweichlichkeit unseres Sterbens. Hier lässt sich durch ein Nein nichts entscheiden. Unsere Sterblichkeit steht nicht zur Disposition. Das und genau das scheint der Ort zu sein, wo es darauf ankäme, sterben zu lernen. Das ist die Situation, für die jene Formel zu gelten scheint: Philosophieren ist sterben lernen.

Der zweiten Konfrontation mit der Möglichkeit unseres Todes weichen wir alle gern aus. Dieses Ausweichen, dieses Aussparen des Todesbezuges, diese Flucht vor dem Gedanken der Sterblichkeit bildet keine Spezialität unserer Zeit. „Menschen, die vor dem Tode fliehen, laufen ihm nach“, bemerkte bereits vor 2300 Jahren Demokrit. Im 16. Jahrhundert kritisiert Montaigne die allgemeine Todesvergessenheit des Volkes und im 17. Jahrhundert stellen Pascal oder Bossuet mit Erstaunen fest, dass die Menschen sich bei jedem Begräbnis darüber wundern, dass dieser Sterbliche nicht mehr lebe. Daran hat sich seither nicht nur nichts geändert, sondern unsere westliche Zivilisation ist zu einer Zivilisation der Todesamnesie geworden. Heideggers beißende Kritik – zu sagen, „man sterbe“ sei unrichtig, denn das „Man“ selbst sterbe nicht – hat daran ebenso wenig geändert wie die kaum vorstellbare Tatsache, dass es zugelassen wird, dass die globale Todesziffer infolge Unterernährung, Seuchen und Krieg in nur einem Jahr die 60 Millionen Toten des Zweiten Weltkriegs übertrifft. Die öffentliche Todesamnesie scheint stärker zu sein als die global zugelassene Todesrealität, die selbst die Zahlen von Genoziden und Naturkatastrophen bei weitem überschreitet.

Die Todesamnesie ist verständlich. Die zweite Konfrontation mit unserem Tode ist nicht nur schmerzlich, sie scheint hoffnungslos. Sie scheint hoffnungslos insbesondere im Hinblick auf ein „Lernen“ des Sterbens. Wir sehen bereits jetzt ab, dass ein Lernen des Sterbens insofern gar nicht möglich ist, als für jeden Lernvorgang zumindest zwei Bedingungen gehören: Es muss erstens eine (äußere oder innere) Erfahrung eines gegenwärtigen Gegenstandes oder Vorganges stattfinden. Und es muss zweitens in einer nachfolgenden Zeit eine Auswertung dieser Erfahrung mit dem Ziel der Aneignung stattfinden. Wer lernt, muss an etwas Gegenwärtigem etwas erfahren und er muss im Anschluss diese Erfahrung auswerten und sich zueigen machen. Lernen heißt Wahrnehmen und Folgerungen ziehen aus den Wahrnehmungen.

Im Hinblick auf das Sterben, sofern es Erleiden des Todes bedeutet, kann die erste Bedingung nicht erfüllt werden, weil die Gegenwart des Todes den Erfahrenden selbst zerstört. Das eigene Sterben lässt sich nicht wahrnehmen. Und selbst wenn es wahrnehmbar wäre, so besteht keine Zeit mehr Folgerungen zu ziehen, denn auf das Sterben folgt der nicht mehr zögernde Tod. Eine vermeintliche Rückkehr aus dem Tod bildet dagegen keinen Einwand, weil jeder Rückkehrende nicht wirklich gestorben ist, sondern sich dem Tode nur angenähert hat. Montaigne hat infolge eines Reitunfalls einmal eine solche Todesannäherung erlebt, ausgewertet und nicht etwa als Rückkehr aus dem Tode verkauft. Wenn die Bedingung des Wahrnehmens jedoch nicht erfüllbar ist, dann entfällt zugleich die Möglichkeit des Folgerns aus den Wahrnehmungen. Erzählungen über Philosophen wie die folgende bestätigen diesen Zusammenhang auf amüsante Weise: „Es wird erzählt, der Philosoph Ficino und sein Freund Michele Mercati hätten einst vereinbart, dass derjenige, der zuerst stürbe, dem anderen aus dem Jenseits berichten solle. Tatsächlich sei Ficino dem Freund Mercati gleich nach Ficinos Tod erschienen mit den Worten: ‚Michele, Michele, es ist alles wirklich wahr!’“ Ficino hat sich im Übrigen nicht exakt an die Verabredung gehalten. Er hat mit seinem Ausruf nicht berichtet, wie es im Jenseits aussieht und wie es ihm ergeht, er sondern hat es nur bis zu einem tautologischen Ausruf aus dem Jenseits gebracht. Unsere Unwissenheit über das Jenseits hat er nicht verringert.

Lernen bedeutet Folgern aus Wahrnehmungen. Wir können das Sterben nicht wahrnehmen, also können wir auch keine Folgerungen ziehen und somit das Sterben nicht lernen. Es ist auch nicht möglich, das Sterben eines anderen Menschen wahrzunehmen. Was wir wahrzunehmen vermögen, können Schreie, Seufzer, Zustände der Apathie, des Schlafes sein. Was wir feststellen, ist lediglich das Resultat des Sterbens, das Erkalten und das Ende der Hirntätigkeit. Wir vermögen fremdes Sterben ebenso wenig wahrzunehmen wie fremden Schmerz. Und wenn wir uns das Sterbensverhalten anderer zum Vorbild nähmen und auf gleiche Weise sterben wollten wie sie, so wäre dies nicht möglich, weil Sterben kein Handeln, sondern ein Erleiden ist.

Ist es daher überhaupt zulässig von einem Lernen des Sterbens zu sprechen? Es ist zulässig, jedoch in ganz anderer Weise, nämlich als Metapher. Das Sterbenlernen sagt unseren Todesbezug in metaphorischer Weise aus. Liegt darin nicht jedoch eine Abschwächung? Wird der Todesbezug zum bloßen Bild? Das mag zunächst so scheinen. Wir haben seit der Antike gelernt, dass Metaphern im Grunde nur für die Fiktionen der Dichter taugen, nicht aber unseren Welt- und Wirklichkeitsbezug mitbestimmen. Metaphorische Aussagen galten als angenehm wirkende Lügen, die als Lügen kenntlich sind. Diese Einschätzung der Metapher ist zu korrigieren. Es ist ein gewichtiger Zusatz nötig: Metaphorische Aussagen sind inkorrekte Aussagen, die einen oft erheblichen Wahrheitsgehalt besitzen.

Metaphern sind Falschaussagen mit einem oft erheblichen Wahrheitsgehalt.

Was dies im Hinblick auf das Sterbenlernen bedeutet, können wir bei Platon lernen. Platon lässt Sokrates, bevor er zum Tode durch Trinken des Giftbechers verurteilt wird, eine lange Rechtfertigungsrede halten, die Apologie des Sokrates, die mit einer Betrachtung über das Sterben endet. Ausgang bildet das Werturteil, dass die Annahme unrichtig ist, gestorben zu sein sei ein Übel. Im Folgenden versucht Platon zu zeigen, dass das Sterben etwas Gutes ist. Die Antwort ist leicht gegeben: Im Fall, dass das Sterben Nichtsein bedeutet, treten wir in einen traumlosen Schlaf ein, der bekanntermaßen der angenehmste Schlaf ist. In dem Fall, dass wir unseren Tod überleben, reisen wir in die Unterwelt und treffen dort gerechte Richter und können mit verstorbenen Helden Gespräche führen. Da es nur diese beiden Möglichkeiten gibt – Tod als traumloser Schlaf, Tod als Reise in eine andere Welt -, folgt: Das Sterben fügt uns keinen Schaden zu, sondern verschafft uns, was wir uns gern wünschen.

Was Sokrates hier äußert, ist ein aus verschiedenen Elementen zusammengefügtes Argument. Es besteht aus einer Wertung, aus Metaphern und einer Annahme. Die Wertung lautet: Tot zu sein ist kein Übel. Die Metaphern stellen den Tod als Schlaf oder als Reise dar. Die Annahme besagt: Der Tod verschafft uns, was wir gerne wünschen. Sokrates hat damit ein Muster einer Argumentation aufgestellt, von dem wir sagen dürfen, dass es vielleicht eine Art Muster unserer intersubjektiven Kommunikation über Tod und Sterben bildet. Immer wieder taucht bei verschiedenen Autoren eine Verbindung aus Wertung, Bildern und Annahme auf, wenn es darum geht, über unseren Todesbezug zu reden.

Es geht nicht darum die Wertung des Sokrates zu übernehmen, dass der Tod kein Übel ist. Denn er raubt uns ja die Chance unser Glück fortzusetzen oder die Chance es doch noch zu finden. Wir vermögen den Tod nicht abzubilden in gültigen Aussagen. Wir vermögen ihn auch nicht zu konstruieren und ihm vorzuschreiben, wie er zu sein hat. Was wir vermögen, ist eine intersubjektive Kommunikation über den Tod, in der Metaphern sinnvollerweise nicht fehlen können. Der Tod fordert unsere metaphorische Kreativität und er fordert sie heraus. Sie ist es, was wir lernen können. Dann mag uns der Tod nicht nur erscheinen als Schlaf oder als Reise, sondern auch: „wegen des Todes jedoch bewohnen wir Menschen alle eine Stadt ohne Mauern“, schrieb Epikur. Auch kann unser gesamtes Leben bildlich als ein beständiges Sterben erscheinen, wie wir von Seneca erfahren: „Wir sterben täglich; täglich verlieren wir einen Teil des Lebens und solange wir wachsen, verfällt das Leben. Wir haben die Kindheit verloren, dann die Jugend, dann das Erwachsenwerden. Bis gestern verging die laufende Zeit; diesen Tag selbst, den wir leben, teilen wir mit dem Tod.“

Der Tod mag uns ferner erscheinen als Ort, wohin sich der gesättigte Gast nach einem Gastmahl begibt (so Lukrez), er mag uns erscheinen als das, was wir mit unserem eigenen Leben bauen (so Michel de Montaigne).

„Zu leben und zu sterben wissen/In demselben Sturm/Mit derselben unmerklichen Bewegung/Und auf derselben Linie“ schreibt zu Beginn des 20. Jahrhunderts der französische Lyriker Pierre Reverdy.

Zu erinnern ist an dieser Stelle auch an jenen berühmten Monolog To be or not to be Hamlets bei Shakespeare. Hier wird ein durch und durch metaphorischer Todesbezug aufgebaut. Zugleich mischt sich Shakespeare ein in den Todesdiskurs der Philosophen. Der Anfang des Monologs lautet in der Übersetzung von Schlegel und Tieck:

Sein oder Nichtsein, das ist hier die Frage:

Ob’s edler im Gemüt, die Pfeil’ und Schleudern

Des wütenden Geschicks erdulden, oder,

Sich waffnend gegen eine See von Plagen,

Im Widerstand zu enden. Sterben – schlafen –

Nichts weiter! – und zu wissen, dass ein Schlaf

Das Herzweh und die tausend Stöße endet,

Die unsers Fleisches Erbteil – ´s ist ein Ziel,

Aufs innigste zu wünschen. Sterben - schlafen –

Schlafen! Vielleicht auch träumen! – Ja, da liegt’s:

Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen,

Wenn wir den Drang des Ird’schen abgeschüttelt,

Das zwingt uns stillzustehn.

Dieser Monolog ist ein Dokument des Widerspruchs gegen das philosophische Angebot der Befreiung von Todesfurcht und er dokumentiert, dass sich auf den Tod auch außerhalb der Philosophie Bezug nehmen lässt und zwar genau dort, wo die Reichweite des philosophischen Trostes endet. Hamlet beruhigt sich nämlich nicht mit der Möglichkeit, dass wir mit dem Eintritt des Todes verlöschen und gleichsam in einen ewigen Schlaf eingehen. Diesen Trost, den Platons Sokrates uns gab, genießt er für einen Augenblick der Reflexion als „ein Ziel, /Aufs innigste zu wünschen.“ Doch die Metapher des Todesschlafes führt auf die Metapher der Träume: „Was in dem Schlaf für Träume kommen mögen.“ Der Tod ist, so verstanden, nur scheinbar nichts. Ein Nichts braucht nicht gefürchtet zu werden. Was jedoch nur scheinbar nichts ist, das wird rasch ein Gegenstand der Furcht:

Nur dass die Furcht vor etwas nach dem Tod –

Das unentdeckte Land, von des Bezirk

Kein Wandrer wiederkehrt – den Willen irrt,

Dass wir die Übel, die wir haben, lieber

Ertragen, als zu unbekannten fliehn.

Dieser Monolog Hamlets bildet wohl den bekanntesten Monolog aller Dramen überhaupt. Er beendet das Vertrauen in die Versicherung der Philosophen, Todesfurcht sei gegenstandslos. Shakespeare folgert daraus jedoch nicht, dass es sich nicht lohne über den Tod zu reden. Vielmehr praktiziert er etwas, was die antiken Philosophen auch bereits kannten und wohin das philosophische Denken heute erst wieder unterwegs ist: metaphorisch-intersubjektive Bezugnahme auf den Tod. Der Tod erscheint jetzt nicht mehr nur in der Metapher des Schlafes oder auch des Traumes. Er erscheint in der Metapher des unentdeckten Landes, das sich als unentdeckbares Land entpuppt, weil, wer dorthin ging, nicht zurückkehrt und nicht berichtet.

Unser metaphorischer Todesbezug beschränkt sich indes nicht auf stets wiederkehrende Bilder. Charles Baudelaire beendet seine Lyriksammlung Les fleurs du mal mit einer durchaus ungewöhnlichen Anrede an den Tod: „O Tod, alter Kapitän, es ist Zeit! heben wir den Anker!/Dieses Land langweilt uns, o Tod! Stechen wir in See!/ Wenn der Himmel und das Meer schwarz sind wie Tinte, /Unsere Herzen, die du kennst, sind erfüllt mit Strahlen!

Flöße uns dein Gift ein, damit es uns stärke! / Wir wollen, solange dieses Feuer unser Hirn verbrennt, / In die Tiefe des Abgrunds tauchen, Hölle oder Himmel, was macht es? / In die Tiefe des Unbekannten um Neues zu finden!“ Der Tod erscheint hier als Aufbruch aus der Langeweile des Lebens in den Abgrund eines Unbekannten, das Neues verheißt. Der Tod, bei Shakespeare noch als Bedrohung durch den Tod als unentdecktes und unentdeckbares Land empfunden, wird nunmehr metaphorisch zum Gegenstand des Erlebenwollens.

Der eingangs bereits zitierte Dichter Hofmannsthal lässt den Tod selbst einmal über unseren menschlichen Umgang mit dem Tode die Worte sprechen:

Wie wundervoll sind diese Wesen,

Die, was nicht deutbar, dennoch deuten,

Was nie geschrieben wurde, lesen,

Verworrenes beherrschend binden

Und Wege noch im Ewig-Dunklen finden.

Das trifft Wesentliches. Drei Metaphern sagen, wie wir kraft unserer Metaphernfähigkeit zu unserem Tode ein Verhältnis finden: Wir lesen das Ungeschriebene, wir binden das Verworrene und wir finden Wege in der unaufklärbaren Dunkelheit. Metaphern des Todesbezuges bildend lernen wir, dass sterben zu lernen eine metaphorische Angelegenheit ist.

* Zum Autor:

Bernhard H.F. Taureck lehrt Philosophie an der Technischen Universität Braunschweig. Zuletzt erschienen von ihm: "Philosophieren: Sterben lernen?", Suhrkamp 2004.

Weitere Bücher:

- "Metaphern und Gleichnisse in der Philosophie- Versuch einer kritischen Ikonologie der Philosophie" (2004).

- "Machiavelli-ABC" (2002).

- "Lévinas zur Einführung" (2002).

- "Michel Foucault" (2001).

- "Nietzsche und der Faschismus"(2000).

Frage nach dem offenen Horizont - eines möglichen Lebens - nach dem Tod ? Schmid-Degen-Prankl's

sterben-lernen13-5schmid-degen-prankls

Frage nach dem offenen Horizont - eines möglichen Lebens - nach dem Tod ? Schmid-Degen-Prankl's ’13-5

Quelle/n: SWR2 Wissen: Aula Professor Wilhelm Schmid:  „Wie umgehen mit der Endlichkeit? Philosophieren heißt Sterben lernen.“

Theo- bis Anthroposophie*: Svedenborg, Blawatzki, Steiner, Rosenkreuzer, Indische - / Euro -Yogalehrende, Euro-Lichtarbeitende…PA4**

Diskurs zwischen

          Dietmar Degen und Marga + Walter Prankl    
                     Zwei ahnende Sichtweisen                

 

Degen*

Prankl’s**

Das individualisierte Ich,

als Seele/Geist, verbleibt als das selbe Ich nach dem Tod,

kann Unvollendetes im Nach-Leben  bis ins Detail vollenden…dank Atman (http://de.wikipedia.org/wiki/Atman) zur  

 „Erfüllung es Schöpfungsplanes
Nach dem Tod: “Ich kann geistig planen, vollenden, was unfertig war“   Annahme eines morphogenetisch-auratischen Mitteilungs-Stromes, das nach dem Tod vollends weiter, auch kreativ, wirksam bleibt
“Mein Ich dient als wiederkehrendes Selbst dem Weltgeist“  

Das individualisierte Ich

als Ganzes (Seele, Geist, Soziales, Körper) erlischt, wird zum

Molekularen, dem „Erinnerungskörper“ in den Freunden, Andern, der nach und nach ebenso sich auflöst, zugunsten des

Ganzen /Unum/* “im energetischen Gleichgewicht zwischen Chaos und Symmetrie“ Nach dem Tod : Geist-Seele vergeht und wird freie Energie für Anderes
Annahme eines morphogenetisch-auratischen Mitteilungs-Stromes, der nach dem Tod langsam schwächer wirkt, bis er sich neuem zuwendet, “ent-individualisiert“ - den digitalen Speichern und Netzen ähnelnd

„Wir sind / ich bin Dienende/r der Weltenergie* “ m+w.p

 

ÜberWirklichkeit / Transzendenz
Leben vorher                                               Individualisiertes  Leben                                            Leben nachher

Wirklichkeit/DaSein

 

> -------------?--------------- > I > ________________________________________________________ > I > -----------?------------- >
Phylogenese +                                             Phylogenese +Ontogenese  DNS/RNS                                               Phylogenese +
….…… LEBENSSTROM ………
 

Links www.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/sterbenlernen-schmid13-5.htm www.kultur-punkt.ch/lebenswelt/sterben-einueben11-6.htm www.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/sterbenlernen-schmid-degen-prankls13-5.htm

Sterben einüben - mit Margit Ostern . Ein Seminar

sterben-einueben11-6

Online-Publikation: April 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>> Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung << Sterben einüben - mit Margit Ostern . Ein Seminar, stichwortartig dokumentiert 11-6 m+w.p >><MargitOstern@web.de>
Übersicht Teil I Tod bedenken Teil II Sterben begleiten Teil III Sterben einüben: Tod – Trauer / -Arbeit
INHALT* Teil I Tod bedenken
-Befindlichkeit wahrnehmen: sterben - mitten im Leben vorbereiten -Dem Tod näher kommen -Tod-Trauer-Trauerarbeit Sterben als die grösste Lebensleistung erkennen Die Angst davor schmerzt mich weniger als das end-gültige Abschiednehmen von ....die Kostbarkeit des Verlorenen, Gesammelten, der Erinnerungen ... Inventur beinahe täglich, Ausmisten - Archivkonzentrat optimieren Genügend Schlaf: bewusst wahrnehmen, Fasten, Feinfühlen und Achtsamkeit üben Die grosse Meditation (Dr.Dr. Becker, Konstanz), die Unumkehrbare, Letzte, in den aktuellen Alltag einüben Statt Vergeben (was das Modell TäterIn : Opfer vorsieht ? Schuld-Sühne?) einen überblickenden Abstand einüben, um sich dem Energie-Gleichgewicht zu nähern, Narben bilden..
Teilnehmer-Aussagen (in Klammer eigene Anmerkungen): 1 Freude für..? Tod ? Unheimliche Freude, eine unendliche Bereicherung . in eine andere Welt hineingehen können (ein Plazebo? vegetativer Schutzmechanismus !).. 2 Sterbende lächen manchmal, sind schön, Glücksgefühl kein Traurigsein... 3 Nach dem Tod wie tamtam, auf See... 4 Vergeben? Nein, aber nicht hassen, kein Haben wollen (nicht wie die unerbittliche Täterin). Tod hat etwas Sinnliches, Glanz, Licht, Seele scheint aus geöffnetem Fenster fliegen zu können, so Besitz losslassen ... 5 Verlust des Lebens ist schrecklich, aber macht nicht traurig . ... ( Aber die erarbeitete Trauermenge ist zugleich Kapital für das weitere Leben; Verweigerung macht krank, verursacht Seelenweh , Seelenwahn (zu dem ein Fallbeispiel vorgetragen wurde - zur Hilfestellung? wir sind da nicht kompetent und ist thematisch nicht relevant! -). 6 Spirituelles Dasein > 5. Dimension ?. ( 5. Dimension: kosmisch-terrestrische Energie "Engel") 4. Dimension: Raum Zeit 3. Dimension: Raum 2. Dimension: Fläche; 1. Dimension: Punkt - Linie ?) 7 Der Jugend ist der Tod fremd... 8 Sterben ist stets bei/mit uns, Daher gilt "abschiedlich" leben 9 Ein Medium spricht: Ihr Sohn war froh tot zu sein ( Reflektierte kosmisch-terrestrische Energiea ) 10 Ich muss ihn loslassen, Erinnerung bleibt, ein Teil bleibt immer da , auf der Erde (?) 11 Loslassen, Vergeben ? > Lebenden weniger, Toten einfacher (Hier wird eine verurteilender Aspekt wahrnehmbar, Tod sühnt, ? Todesstrafe ?) 12 Ins Reine bringen mittels Hypnose ? (Nein, eher mit einer "Wahrheits-kommission" in Richtung Weisheit ...) * 13 Erdenleben als Film? (Leben von wem gedreht ? Das Leben zeugt eine Peronal-Akte, die es lebenszeitlich zu beackern/konzentrieren gilt.. Wiederkunft? Nein (aber ein terrestrisch-kosmischer Energiestrom zwischen "drüben" und hier macht es wahrscheinlich, aber nicht als Individuelle Person. personare = durchtönen / sphärisch hindurch wirkender Energiestrom auf Alles in diesem Bereich...) ... Lernen, lernen, lernen und immer wachsen...
Teil II Sterben begleiten
*) Weisheit gilt als eine ideale menschliche Grundhaltung. Diese beruhe auf Lebenserfahrung, umfassendem Wissen und Verstehen um Ursprung, Sinn und Ziel des Lebens sowie um die letzten Dinge. Brockhaus Weisheit heißt auf griechisch sophia. Und Philosophie heißt wörtlich übersetzt: Liebe zur Weisheit. Also ist der Philosoph ein Freund der Weisheit. Weisheit gilt seit jeher als eine der wichtigsten menschlichen Tugenden. Der biblische König Salomon, Sokrates, Konfuzius oder auch Buddha gelten als weise. Es ist ein uralter Traum, dass die Weisheit uns Menschen dahin bringen möge, innerlich zu wachsen und zu reifen. Weisheit. Dalai Lama wirkt durch grenzenloses Mitgefühl, durch großen Weitblick, eine bedingungslose Friedfertigkeit, eine tiefe Bescheidenheit, eine kindliche Fröhlichkeit und Offenheit. So über gesellschaftliche, politische und kulturelle Grenzen hinweg. Im Buddhismus ist Weisheit eine wichtige geistige Kraft. Buddhisten sind der Auffassung, dass es nur mit Hilfe der Weisheit möglich ist, sich vom Leiden zu befreien, verbunden mit Liebe und Mitgefühl.
** Sterben einüben II m+w.p11-7 Begleiten
Nachtrag zu I Vorsorgevollmacht - persönlich laut Patientenverfügung - Vernögensangelegenheiten: ausser-/gerichtlich, geschäftsähnliche und alle Verfahrenshandlungen - Alleinsterben, ohne Begleitung/smöglichkeit : Selbstdurchführende - / Alleinige Selbst-Sterbegleitung bis zum äussersten …. Gefühle sind zeitlos: Meditation /Atem, Fantasie, Wärme, Erinnerungen an Beziehungen und aktuelle, Vertrauen ,,, Gelebte Emotionalität vergleichbar mit dem Wunsch eines Glas Champagner „Ruinart“, den Umgebende mit/trinken… - Beachtung von Fetischen aller Art von Erinnerungsobjekten (Ahnender Animist - Annahme von Natur-Seele( Beseeltheit / Chi ) und Existenz von Energiewesen , Transzendentaler Patchworker ..)
II Begleiten Vorgänge werden erkennbar - Blutdruck sinkt, Glieder kälter / Schweiss, Atem schneller / langsam, Husten, Rasseln, oft tagelang…. - Auf den eigenen Atem achten, niemals einstimmen in den Atem der Sterbenden… Erdung halten - Orale Schmerztherapie, Haut eincremen, wechselnde gute Hoch-Lagerung, dünnere Laken, Hämatome im unteren Körperbereich, üble Ausdünstungen, Auswürfe ergeben sich - Koma: Hörsinn ist bis zuletzt intakt, „Schlafhören“; Augen: offen/halboffen, Pupillen starr; Mund: offen - Im Stadium Wandlung/WegGehen: oft ein Staunen / Erlöstheit nach furchtbaren Schmerztagen - AlleinGehen: nutzen die gerade abwesende Begleitung, sterben zuallerletzt gerne ohne diese?! - Utensilien der Begleitung: Kerze, Zündhölzer, Lieblingsmusik, Bilder, Erzählen von Episoden, Schweigen, Hand, Hautberührung .. Wichtig ist da bei sich zu bleiben – Erdung halten. - Segen? Günstige Umstände? Glück zur Reise? Ein Glas *Ruinart* für alle Anwesende und mich?! vielleicht: „Alles Liebe“ ? Du wunderbarer, einmaliger, unwiederbringlicher Mensch… m+w.p - Reki /Chi geben - periodisch Auftanken um geben zu können - Annahme von mehreren Seins/Weltebenen - Feinfühlig bleiben ohne selbst mitzugehen - Sterbende sind die wahren Meister - Sich bereithalten, Stille aushalten, eigenen Atem gestalten - Segen, Zuwendung sichtbar, nicht (chi) oder - berührend geben - zwischen Sagen und Tun besteht oft eine Diskrepanz - Angst vor dem und beim Sterben = Angst vor Neuem, das Schlimmste zu erwarten (Endspiel …, Beckett ) - Demenz als Fluchtort ? - Sterben als eine zielfreie Reise und als Vorbereitung darauf… Sterben ist eine Reise ins Molekulare, m+w.p
*** Sterben einüben III : Tod – Trauer / -Arbeit
Tod = viele haben Lichterfahrung, Naht oder fahrung, Strahlen reine Liebesenergie, Heim at, Geborgenheit, Ruhe, wir treffen intelligente Wesen, telepathisch… Gott !/? verschmelzen, lösen in es auf .. Wiedergeburt !? Trauer = Trauertiefe und Erkennen von einem grossen Geist Äther- Leib – Astral (R. Steiner )oder Tod als Ende …Beginn der molekularen Reise (m+w.p) Wichtig: Respektvoller Umgang unmittelbar nach dem Tod 1. Ruhe, es ist ein kraftvoller Moment 2. Arzt rufen 3. Pflegen, Lieblingspflege, Prothetik, Unterkiefer hochbinden 4. Meditation 5. Bestattung veranlassen, Leichenwäsche ..Lieblingskleid 6. Den Übergang schützen, wachen / Totenwache 7. Danach vorbesprochene Geschenke des Toten verteilen (Testament…)
Trauerarbeit = Selbst nicht hängen bleiben Bestattungsinstitut „Horzionte“ http://www.horizonte-bestattungen.de/ Mögliche Zustände: Hilflosigkeit , Bodenverlust, Depression, Abgrundtiefes Alleinsein, Verletzungen werden wach sowohl aktive als passive, diese vergeben und weg-geben lernen für die eigene Gesundheit, Schmerz zulassen Zum Abschied mit der/m Verstorbenen reden, ihr/ihm schreiben, kleine Zeichen (Fetische) setzen, gestalten, Vorälle beachten (z. B. Schmetterling erinnert an …) Licht, Gutes und Liebe neu aufnehmen. Die telefonische Sterbegleitung mit Ruth und Vera gibt in der Erinnerungsarbeit „im „Hör-Gang“ des Lebens“ ein gutes Gleichgewicht im weiteren Lebensweg …
Schliesslich: Die Verstorbenen hinterlassen Spuren fürs weitere Leben, wichtig ist die eigenbestimmte Lebensaufgabe mehr und mehr wieder erkennen, authentisch, selbstbestimmt und achtsam – jeden Tag – liebevoll mit sich selbst umgehen Ohne Selbstliebe geht gar nichts (Fromm „Ichliebe und Weltliebe gleichermassen pflegen“, Frankl „Sinn des Lebens fördern“) ….
*** Nachtrag swr2wissen11-7nachtigall-planetensuche.txt Zur Beleuchtung der „ Arroganz“ einer Wiederkehr als individuelles Wesen
„Vor rund 14 Mio Jahren ist das Eisen in unserem Körper aus einer Supernova entstanden ….“: Stimmt daher bloss molekular, wenn wir als „verblichendes“ Wesen unsere molekulare Rückreise nach unserem Tod optimiert beginnen….
***

Platon: Der Staat, reclam > gutleben-sterben

Pa4-13-8gutleben-sterben-platon
Quelle: Platon: Der Staat, reclam > gutleben-sterben

330d: Gedanken an den Tod im Alter Kephalos:“ Merke wohl Sokrates, wenn man sich seinem Tod nahe glaugt, dann überkommen einen Furcht und Bedenken über Dinge, um die man sich früher nicht sorgte, die Mythen vom Hades – wer hier Unrecht getan, der müsse dort büssen .. und Pindar*) sagt „ wer gerecht und ehrfürchtig sein Leben lebt Dem wärmt das Herz

Und folgt durchs Leben

Des Alters Freundin

Die liebe Hoffnung

Die aller Menschen

Vielwandelbare Gedanken lenkt“.
Hommage an Pindar – ein Haiku: wer hier vor jenseits

Gerecht und mit ehrfurcht lebt

Liebt freundin wandlung

w.p 13-8

 

608b: Die Seele ist unsterblich, ewig, das Leben währt nur kurz … 609c: Der Körper stirbt an seiner eigenen Schlechtigkeit .. 610d: Tod gilt als Befreiung von Übeln, Seele währt ewig, trotz Schlechtigkeit .. 614e:  Erlebnisse nach Tod (Nahtoderfahrung); die Seele entfernt sich, 2 Richter entscheiden über das Vorgehen 386ff: Die Mythen (1) werden abgelehnt, soweit sie Tod erregen (SozRealismus. Stalin-Gorki): nur Schönes gilt 366a: Mysterien (2) helfen im Jenseits – um der Gerechtigkeit willen ..

(1) Mythos (maskulin, von altgriechisch μῦθος, „Laut, Wort, Rede, Erzählung, sagenhafte Geschichte, Mär“, lateinisch mythus; Plural: Mythen) ist in seiner ursprünglichen Bedeutung eine Erzählung, mit der Menschen und Kulturen ihr Welt- und Selbstverständnis zum Ausdruck bringen. Im traditionellen religiösen Mythos wird durch den Mythos das Dasein der Menschen mit der Welt der Götter verknüpft. Die Vorstellung von Autorität, höherer Wahrheit und allgemeiner Relevanz (mitsamt dem Verdacht der Verblendung) ist nicht ursprünglich mit dem Begriff Mythos verbunden. Für Platon kann mythos Wahres und Falsches enthalten; Dichter werden dazu aufgefordert, möglichst wahre mythoi zu dichten. Die literarische Gattung des so genannten platonischen Mythos hingegen kann ganz Unterschiedliches umfassen: Ein Gleichnis, eine Metapher oder auch ein Gedankenexperiment. Platon schuf in seinem Dialog Timaios auch einen Mythos von der Entstehung der Welt (Kosmogonie), von dem wesentliche Aspekte im Mittelalter stark rezipiert wurden.

In einem weiteren Sinn bezeichnet Mythos auch Personen, Dinge, Ereignisse von hoher symbolischer Bedeutung oder auch falsche Vorstellung oder Lüge – wie es Oligarchien, Despotien und totalitäre Staaten nutzen um Kulturschaffende für ihre repräsentativen und herrschaftserhaltende Macht zu nutzen, sie Soz-Realismus/Stalin-Gorki, DeutscheReichskunst / Hitler-Speer…

(2) Mysterium (von griechisch μυστήριον mysterion, ursprünglich für kultische Feiern mit einem geheim bleibenden Kern, volkstümlich auch abgeleitet von myo, den Mund schließen[1]) wird gewöhnlich mit Geheimnis übersetzt. Gemeint ist ein Sachverhalt, welcher sich der eindeutigen Aussagbarkeit und Erklärbarkeit prinzipiell entzieht - nicht einfach eine nur schwer mittelbare oder zufällig verschwiegene Information.

 

*) Pindar (griechisch Πίνδαρος Píndaros, latinisiert Pindarus; * 522 oder 518 v. Chr. in Kynoskephalai bei Theben; † kurz nach 445 v. Chr.) war ein griechischer Dichter und zählt zum Kanon der neun Lyriker

Gian Domenico Borasio : Über das Sterben . Der Tod gehört zum Leben

Online-Publikation: Oktober 2013 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Gian Domenico Borasio : Über das Sterben . Der Tod gehört zum Leben >>
dtv : 208 Seiten . Mit 11 Abbildungen und 5 Tabellen; ISBN 978-3-423-34807-2; 9,90 [D] 10,20 [A] sFr 14,90 [CH]
Deutscher Taschenbuch Verlag, München; www.dtv.de;

Inhalt
Gian Domenico gilt als einer der führenden Palliativmediziner Europas. Ihm ist es maßgeblich zu verdanken, dass sich heute jeder Medizinstudent in Deutschland in seiner Ausbildung mit der Begleitung Sterbender und ihrer Familien auseinandersetzen muss. Seit vielen Jahren steht Gian Domenico Borasio für eine Medizin am Lebensende, die das Leiden lebensbedrohlich Erkrankter lindert, ihre Lebensqualität und die ihrer Angehörigen verbessern will - statt künstlich den Sterbeprozess zu verlängern. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde er durch sein engagiertes Eintreten für ein Gesetz über Patientenverfügungen.
Gian Domenico Borasio schreibt mit einer Mischung aus Feingefühl und Nüchternheit über das Thema »Tod«
»Und die Menschen, die wie am Lebensende betreuen dürfen, lehren uns, dass die Vorbereitung auf das Sterben die beste Vorbereitung für das Leben ist «, so Gian Domenico Borasio.
In ›Über das Sterben‹ beschreibt Gian Domenico Borasio, was wir heute über das Sterben wissen und welche Mittel und Möglichkeiten wir haben, unsere Angst vor dem Tod zu verringern sowie uns auf das Lebensende vorzubereiten. Warum haben wir Angst vor dem Tod? Wovor fürchten wir uns? Was ist der »Tod« überhaupt? Was passiert, wenn wir sterben? Was steckt hinter dem Begriff »Sterbehilfe«? All diese Fragen beantwortet Gian Domenico Borasio in ›Über das Sterben‹.
Gian Domenico Borasios Buch ›Über das Sterben‹ informiert und lindert gleichzeitig Angst und Schmerz
Geburt und Tod haben viel gemeinsam, beides sind Ereignisse, für die die Natur bestimmte Programme vorgesehen hat. Sie laufen dann am besten ab, wenn sie möglichst wenig gestört werden. Palliativbetreuung und Sterbebegleitung, wie Gian Domenico Borasio sie versteht, sind deshalb viel mehr als medizinische Symptomkontrolle. Vor allem leben sie von der Kommunikation, dem Gespräch zwischen allen Beteiligten, das die medizinische, psychosoziale und spirituelle Betreuung erst möglich macht. Gian Domenico Borasio setzt sich in ›Über das Sterben‹ auch mit dem Thema »Sterbehilfe« und mit Mythos und Realität der Palliativ- und Hospizarbeit auseinander. Ungeschminkt benennt er zudem die schlimmsten Fehler am Lebensende und sagt, wie man sich am besten davor schützt, einschließlich konkreter Hinweise zu Vorsorgevollmacht und Patientenverfügung. Aus der Sicht des Arztes, der sich auch für die Seelennöte der Menschen zuständig weiß, leistet ›Über das Sterben‹ dringend notwendige Aufklärung über ein Lebensthema, das wir mit zahlreichen Tabus belegen.

Autor
Gian Domenico Borasio, geb. 1962, ist Inhaber des Lehrstuhls für Palliativmedizin an der Universität Lausanne (Schweiz) und Lehrbeauftragter für Palliativmedizin an der Technischen Universität München. Er gilt als einer der führenden Palliativmediziner Europas. Ihm ist es maßgeblich zu verdanken, dass sich heute jeder Medizinstudent in Deutschland in seiner Ausbildung mit der Begleitung Sterbender und ihrer Familien auseinandersetzen muss. Von 2006 bis 2011 hat er als Lehrstuhlinhaber für Palliativmedizin an der Universität München ein bisher einzigartiges Netzwerk an Professuren geschaffen, das alle Bereiche der physischen, psychosozialen und spirituellen Sterbebegleitung in die Lehre und Forschung integriert. Einer breiteren Öffentlichkeit bekannt wurde Borasio durch sein engagiertes Eintreten für ein Gesetz über Patientenverfügungen.
http://de.wikipedia.org/wiki/Gian_Domenico_Borasio 
http://archiv.kultur-punkt.ch/lebenswelt/beck12-12borasio-sterben.htm

Stimmen
SWR2 Zeitgenossen-Palliativmedizin-Borasio
ARD-Themenwoche: Leben mit dem Tod
Sendung am Samstag, 24.11. | 17.05 Uhr | SWR2
Gian Domenico Borasio, Palliativmediziner,
im Gespräch mit Doris Maull:
Er wolle die weitverbreitete Angst vor dem Lebensende ein paar Millimeter herunterbringen. Deshalb schrieb der Palliativmediziner Prof. Gian Domenico Borasio ein Sachbuch mit dem Titel "Über das Sterben". Er will die Angst vor Schmerzen und die Angst, an Apparate ausgeliefert zu sein, mindern. Für ihn haben Geburt und Tod viel gemeinsam. Sie sind Ereignisse, die nach Programmen ablaufen, die die Natur vorgibt. Aber: "Liebevolles Unterlassen fällt Ärzten schwer!" – so beschreibt er die Sterbebegleitung vieler seiner Kolleginnen und Kollegen. Doch statt alles zu tun, was technisch möglich ist, sollten die Ärzte ein friedliches Sterben ermöglichen. Man hat Borasio attestiert, dass er in seinem Buch große Fachkenntnis mit einem mitfühlenden Ton verbindet.

Fazit
In der überzeugenden, klar und schlackenfrei formulierten Monographie von Gian Domenico Borasio " Über das Sterben" stellt er in Untertiteln die Thesen voran : Was wir wissen. Was wir tun können. Wie wir uns darauf einstellen. Er erkundet darin Zell-, Organ-, Hirn- und Nahtod sowie den Gesamttod. Betrachtet die Strukturen der Sterbegleitung : ärztlich, palliativ, ambulant und stationär im Hospiz; sowie therapeutisch psychosozial, spirituell und mediativ. Wann man verhungern und verdursten soll als Dementer oder im Wachkoma bis hin zur selbstbestimmten Sterbehilfe. Auch die Fehler bei der psychosozialen Verständigung oder Therapie kommen zur Sprache. Klar, dass Borasio sich mit der Vorsorge gründlich auseinandersetzt mit de Vollmacht und der Patientenverfügung. Er kommt zum aktuellen Schluss: Die Anerkennung der Palliativmedizin ist noch nicht erreicht aber sie ist " angesicht des Todes DAS Geschenk." Ein tiefbewegendes, jedoch umfassend klärendes Buch zum Abschied vom Leben. m+w.p12-12/13-10
Weitere vertiefende Hinweise:
http://archiv.kultur-punkt.ch/lebenswelt/sterben-einueben11-6.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/kooperation-swr2/swr2-ridder-sterbekultur10-10.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/kooperation-swr2/swr2-eckart-palliativmedizin05-9.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/naturmedizin/haupt04-11-4.htm
http://archiv.kultur-punkt.ch/lebenswelt/droemer-knaur-pattloch13-10schuele-sterbenlernen.htm

Jean Ziegler: Die Lebenden und der Tod

 Online-Publikation: Dezember 2011 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Jean Ziegler: Die Lebenden und der Tod >>
16 Seiten; 11,5 x 19, broschiert mit Schutzumschlag; ISBN 978-3-7110-0016-3; EUR 2,50 (A/D), CHF 3,90
Ecowin Verlag, A-5020 Salzburg; www.ecowin.at;  

Inhalt
Jean Ziegler, Bürger der Republik Genf, Soziologe, ist emeritierter Professor der Universitäten von Genf und Paris. Er war bis 1999 Nationalrat (Abgeordneter) im Eidgenössischen Parlament, dann Sonder-Berichterstatter der Vereinten Nationen für das Recht auf Nahrung. Seit 2008 ist er Vizepräsident des beratenden Ausschusses des UNO-Menschenrechtsrats. Er ist Träger verschiedener Ehrendoktorate und internationaler Auszeichnungen wie z.B. des CARE-Milleniumspreises (2009) und des Internationalen Literaturpreises für Menschenrechte (2006). Jean Ziegler ist Autor zahlreicher Bestseller, darunter „Der Hass auf den Westen“, „Das Imperium der Schande“, „Die neuen Herrscher der Welt“ sowie „Die Schweiz, das Gold und die Toten“ und „Die Schweiz wäscht weißer“.

Autor
Jean Ziegler, Soziologe, Globalisierungskritiker und Politiker, sollte im Juli 2011 die Salzburger Festspiele eröffnen. Nach seiner Einladung wurde er überraschend wieder ausgeladen. Seine Rede darf er in Salzburg nicht halten, doch was Jean Ziegler dem Festspielpublikum und der interessierten Öffentlichkeit an diesem Tag hätte sagen wollen, soll trotzdem kein Geheimnis bleiben. In diesem Buch können Sie es nachlesen.

Fazit
Jean Ziegler, Weltbürger imd Bürger der Republik Genf und Soziologe, stellt in seinem Diskursbuch "Die Lebenden und der Tod" drei Thesen zum Tod vor. Diese beinhalten die Maske, den Kannibalismus der Ware (er "tötet den Tod" in Familien mit zeitlich geteilter Geld- und Verbrauchswirtschaft und in afro-amerikanischen Fluchtgemeinschaften). Und der Tod findet janusköpfig nicht statt: "Der Mensch besteht nur in der vorsozialen Beziehung und Gleichheit zu anderen Menschen und auf Gegenseitigkeit.Diese Vision, so Ziegler, höchstwahrscheinlich zu Recht - weg von der Ramschsymbolik "Warengesellschaft", die den Menschen seiner Individualität und seinem Schicksal beraubt, führt über die Wiederentdeckung des Todes hinaus zu einer gleichheitlichen Gesellschaft. Ziegler ist aber auch genialer Praktiker: So spricht er aktuell zu den Herrschaften in Krankenhäusern, den Opferpriestern / "Transplantateuren", die Euthanasie, der Agonie im Haus un/ oder in Selbstzerstörung zu sterben - da wird Ziegler hellsichtig konkret, zitiert dazu den Statistiker Kastenbaum, der Fremd- und Selbstverstümmelungen die 1/4 aller untersuchten Fälle ausmachen. Ziegler schlussfolgert: Jedes wirksame Wissen ist ein initiatorisches Wissen, ein Wissen der Praxis "des verkörperten Wortes" kann das Bewusstsein der existenziellen Notwendigkeit des Todes in Freiheit und Gleichheit wiedergeben. Ein grossartiges und essentielles Diskursbuch zur aktuellen Existenz. m+w.p11-12

Georg Schwikart: Niemand geht ohne Spuren

116<<Lebensgestaltung durch Abschieds-Arbeit>>
W+B Agentur-Presseaussendung vom Juni 2001
<<Georg Schwikart: Niemand geht ohne Spuren>>
Mit dem Tod leben
Herder Verlag, Freiburg, Basel, Wien, 2000; 155 S.; DEM 16,80 / ATS 123.- / SFR 16,80
www.herder.de
"Der Tod gehört zum Leben" erzählt uns hier in überzeugender Weise Georg Schwikart, 47, Religions-wissenschaftler und Trauerredner, aus seiner Lebenspraxis.
Oft genug - in unserer auf "Fun and Event" ausgepufften und bestrahlten Oberflächen-Gesellschaft - blenden wir den Tod aus und schalten das Verdrängen ein.
Schwikart erzählt uns auf ganz persönlich-erfahrene Weise, dass wir trauern dürfen und das Leben bitterer als der Tod sein kann. Aus seinem Erfahrungsschatz als Trauerredner rät er uns einen plötzlichen und endgültigen Abschied von geliebten Menschen nicht als Zeit des Verstehens zu begreifen sondern die Abschiedsarbeit lediglich als "Rettungsring" aufzufassen.
Danach erst entfaltet sich in uns wieder die Sehnsucht nach dem Leben "anders als vorher", sagt er, das Fehlen eines geliebten Menschen zu akzeptieren, den Verlust annehmen. Dennoch - was bleibt ist das Thema - Abschied -, mit dem wir nie ganz fertig werden.
"Das Geheimnis bleibt" schreibt uns Schwikart, allem voran, gleichsam in unser, dieses Gäste-Buch unseres Lebens

Frank Schätzing: Tod und Teufel . 7 CDs

Online-Publikation: Oktober 2008 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Frank Schätzing: Tod und Teufel . Sprecher: Hans-Jürgen Wolf, Peter Matic, Anke Engelke, Mario Adorf, Volker Niederfahrenhorst, Timmo Niesner >>
Regie: Loy Wesselburg, Frank Schätzing
Produktion: Der Hörverlag Frank Schätzing: Tod und Teufel
Format: Hörspiel; Genre: Krimi
7 CDs, 525 Min., 978-3-86717-321-6; 19,95 €, 35,20 SFR
Der Hörverlag - München, 2008; http://www.hoerverlag.de

Inhalt
Köln, Anno Domini 1260: Wäre Jacop der Fuchs, der charmante Dieb mit dem fuchsroten Schopf, bloß nicht in die erzbischöflichen Äpfelbäume gestiegen! So wird er beim verbotenen Pflücken der Früchte Zeuge eines Mordes. Als Jacop begreift, welch finstere Verschwörung in Köln gesponnen wird, muss er selbst um sein Leben laufen . Bestsellerautor und Allround-Genie Frank Schätzing führt in seinem packenden historischen Thriller auch die Regie und schickt u. a. Mario Adorf und Anke Engelke ins finsterste Mittelalter.

Autor
Frank Schätzing, geboren 1957 in Köln, Studium der Kommunikation, Creative-Director in internationalen Agentur-Networks, Mitbegründer der Kölner Werbeagentur Intevi, Musiker und Musikproduzent, debütierte 1995 mit dem historischen Roman „Tod und Teufel“, der schnell vom Geheimtipp zum Bestseller wurde. Nach einer Reihe von Krimis und Kurzgeschichten folgte 2000 – von der Presse hochgelobt – der Politthriller „Lautlos“. „Der Schwarm“, Schätzings fünfter Roman, erreichte wenige Tage nach Erscheinen Spitzenplatzierungen in den Bestsellerlisten, wurde u.a. nach England, USA, Spanien, Italien, Brasilien und Russland verkauft. Die Filmrechte gingen an Uma Thurman und die deutschen Produzenten Ica und Michael Souvignier. Frank Schätzing, 2002 mit dem „KölnLiteraturpreis“ ausgezeichnet, lebt und arbeitet in Köln.

Fazit
In sieben CDs lässt der Autor Frank Schätzing in seinem Verschwörungsgeschichte " Tod und Teufel" von den SprecherInnen Hans-Jürgen Wolf, Peter Matic, Anke Engelke, Mario Adorf, Volker Niederfahrenhorst und Timmo Niesner fabelhaft aktualisiert, einen Krimi in Köln des 13. Jahrhundert vor unseren Ohren lebendig werden: Anschaulich und hör-impulsiv

Heribert Heere: Zu (Nicht)-Liebe und Tod

Heribert Heere: Zu (Nicht)-Liebe und Tod.
Vorbemerkungen. E-Brief an Walter 25.11.03
Platons mystische Liebe
Erzeugung und Geburt im Schönen

"Es ist eine Erfahrung von göttlicher Gegenwart in der menschlichen Gegenwart, einer Gegenwart, die im Kosmos der Natur und im Leben des Geistes wiederleuchtet. Das charakteristische religiöse Problem ist hier die Fähigkeit spekulativer Mystik, der göttlichen schöpferischen Macht zu begegnen." Peter Manchester

Bei meinen Kunstbetrachtungen hat mich immer der Begriff der "Gegenwart", ja der "Ewigen Gegenwart" fasziniert. Ich glaube, dass "Gegenwart" der Zentralbegriff des religiösen und mystischen Erlebens ist. Ebenso vollzieht sich die Kunst in einer permanenten Gegenwart. Wie der Kunstbetrachter für das Erkennen von Kunstwerken lange "schauen" gelernt haben muss, so kontempliert der Mystiker, um vielleicht nur für einen kurzen Augenblick der Ewigen Gegenwart des Göttlichen, wie dies auch immer zu fassen ist, nahe zu sein.

Origines schildert die Entwicklung des idealen Mystikers als den, der sich zuerst der Reinigung (katharsis), dann der Kontemplation (theoria d.h. der Gottesschau) Gottes unterzieht und schließlich die Einigung (kenosis) erlangt. Letzteres vollkommen erreicht zu haben, hat allerdings kein "seriöser" abendländischer Mystiker von sich behauptet.

An einer der berühmtesten Stellen im "Symposion" Platons heißt es, dass die Liebe auf "die Erzeugung und Geburt im Schönen" zielt. Obwohl Platon die körperliche Zeugung nicht verworfen hat, kann diese Stelle im geistigen, d.h. mystischen Sinne verstanden werden. Bekanntlich ist die Schau des Schön-Guten und die Vereinigung mit ihm das Höchste und Letzte, was die menschliche Seele erreichen kann. Dies bedeutet Unsterblichkeit. Die Liebe ist die Sehnsucht danach. Die Zeugung und Geburt im Schönen kann nur bedeuten, dass die Seele dieses Absolute in sich selbst hervorbringen und aus sich gebären kann.

Trotz oder gerade wegen des weiten und langen Weges dahin ist diese "platonische Kontemplation" eine unmittelbare und plötzliche Schau des wahren Seins. Wenn man die Stufenleiter der Werte so weit als möglich hinaufsteigt, kommt darin die Einigung mit dem höchsten Guten zum Ausdruck. Diese geheimnisvolle Einung ist gerade nicht die Schau eines Objekts durch ein Subjekt. Vielmehr wird das Subjekt von einer höheren Wirklichkeit derart ergriffen, dass die Liebe, die der Anziehungskraft des Schönen und des Guten entspringt, ebenso notwendig ist wie die schauende Erkenntnis.

Platons mystischer Tod
Am Beginn des Gesprächs von Sokrates mit Freunden kurz vor seinem Tod, behauptet Sokrates:
Alle, die sich in rechter Weise mit Philosophie befassen, haben es im Grunde auf nichts anderes abgesehen als darauf, zu sterben und tot zu sein

Dies ist weder im Sinne einer "Sehnsucht zum Tode" noch als Leibfeindlichkeit zu interpretieren; es drückt vielmehr in letzter Konsequenz Platons streng dualistisches Konzept
von Körper und Seele aus. Danach ist der Körper mit all seinen Hinfälligkeiten und Gebrechen letztlich ein Hindernis für die Seele auf "der Jagd nach dem Seienden"

Weiterhin gibt es für Sokrates in der Tat ein Wiederaufleben und ein Werden der Lebenden aus den Toten und ein Dasein der Seelen der Abgeschiedenen (und zwar für die Guten ein besseres, für die Schlechten ein schlechteres).

Da die Seele Teil des ewig Unveränderlichen, des Gleichen an sich, des wahren Einen ist, kommt ihr im Gegensatz zum sterblichen Körper eine unsterbliche Existenz zu. Sie wird vom Tod nicht erreicht; er hat keine Macht über sie. Vielmehr führt sie eine jenseitige Existenz je nach Art und und Weise ihres Erdenlebens. Die "Schlechten" erleiden bis zur Läuterung ein "jammervolles Schicksal im Tartaros".

Diejenigen aber, deren Leben als durchaus Gott wohlgefällig erfunden wird, die sind es, die mit diesen unterirdischen Stätten nicht in Berührung kommen und von ihnen befreit bleiben wie von Gefängnissen, indem sie nach jener reinen Wohnstätte gelangen und auf den Höhen der Erde sich ansiedeln. Von diesen selbst aber leben die, welche sich durch Philosophie geläutert haben, körperlos durch alle künftige Zeit fort und gelangen in Wohnstätten, die noch herrlicher sind als die genannten..

Für Platon ist also die (Im)-materialität des Todes, selbst mit allen Schrecknissen und der Trauer und Verzweiflung der anderen, letztlich ein zweitrangiges Phänomen, ja, sogar unter der Vorraussetzung eines entsprechenden diesseitigen Lebens etwas Positives, ein Übergang in die Welt, die wahr, schön, also wirklich "seiend" ist

Nicht-Liebe und Tod .Diskurs

PA4-Diskurs-Grundlage für den 30.11.2003
<< Nicht-Liebe und Tod>>
Alain, Carolle, Marga, Walter: Hinweise zu Phaidon, Phaidros, Symposion; Heribert: Zu (Nicht)-Liebe+Tod

Das Unsagbare (das der Sprache Entzogene) / indicibile ;
das Unaussprechliche (jedoch für ein Subjekt mystisch Erfahrbare) / ineffabile ;
Gewahren des Unausdrückbaren (inexprimabile) und Unbeschreiblichen im absoluten Schweigen

Das Eine / unum
entzieht sich der Sprache und ist deshalb undefinierbar
archê tu pantos (Prinzip von allem, vgl. Sonnengleichnis)
Ideen erkennen; ihre Ursache

Kennzeichnend für die Gesprächsführung bei Platon und für PA4 ist die Enthaltung
jeglicher Festlegung auf irgend einen dogmatischen Standpunkt.
Diese Einstellung bildet den Rahmen, in dem all unsere Diskurse sich gestalten

Apollinisches

Auf zum Schönen, Guten, Wahren

En-stase

Liebe ("Hohe Minne")



Logos (ratio): Vernunft





Sterben/Tod





Nicht-Liebe
z.B. Heldentod/ Märtyrer
Selbstmordattentäter
"selbstloses" Nacheifern bzw.
Opfern des eigenen Lebens
für (falsche) Ideale und Ideen,
die freiwillig zu einer
intoleranten, den Mitmenschen
verachtenden und vernichtenden Haltung (ver-)führen:
es gibt stets ein zu bekämpfendes
Feindbild






SEIN
sophia ("Weisheit")
Geistiges
ist nur nach Trennung ("Tod")
des Körpers von der Seele möglich
(Phaidon) bzw.
Loslösung vom rein Physisch-Materiellen hin zum Geistigen


Oberster Seelenteil: Nous
("unmittelbare Intuition", "Witterung",
innere Gewissheit, Evidenz)

Mittlerer Seelenteil:
Ich: psychische Ebene
"Stirb bevor Du stirbst"
(Patientenverfügung)
Seneca: philosophia est meditatio mortis
"Philosophie ist Einübung zum Tode"


DOXA (SCHEIN)
Unwissenheit, Verblendung,
Bildungsferne, -hass, Illusion,
Verhaftet- & Geknechtetsein
im Physisch-Materiellen







EROS
als vermittelnder Prozess zwischen
dem SEIN und dem SCHEIN
(zwischen göttlicher Weisheit
und menschlicher Unwissenheit)

Dionysisches

Auf zur Entrückung...

Ek-stase

exzessive Liebe







Tod
Wahl des Suizid aufgrund
fehlender Identifikation mit
irdischer Existenzweise
(Trennung vom Körper aus Sinnverlust)



Nicht-Liebe
z.B. durch Drogen seiner Sinne
berauschter und beraubter
Übeltäter, der Amok läuft
oder seine Mitmenschen
"unbewusst" massakriert
(Rücksichtslosigkeit)










Fazit:
Die Metaphysik als "kalte Mystik" übersteigt die von der Mystik angepeilte Einung mit dem Göttlichen
hin zur gestaltlosen Leere (kenôsis), die gleichzeitig Fülle ("pleroma") ist
Mit Un-grund vor und jenseits über allem ist keine Einung mehr möglich:
Der Mystiker vereint sich als Tropfen mit dem (göttlichen) Ozean
Der Metaphysiker wird zum Ozean (des Wissens)

***Alles Liebe, Gute und Schöne für 2004***

Reimer Gronemeyer: Ein Platz für den Tod - Sterben in Deutschland

SWR2 Wissen: Aula - Professor Dr. Dr. Reimer Gronemeyer: Ein Platz für den Tod - Sterben in Deutschland
Autor und Sprecher: Prof. Reimer Gronemeyer *
Redaktion: Ralf Caspary, Susanne Paluch
Sendung: Sonntag, 30. Dezember 2007, 8.30 Uhr, SWR2
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen
Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

ÜBERBLICK
Lange Zeit war der Tod ein fast selbstverständlicher Teil des Alltagslebens, er hatte seinen festen Ort inmitten der Familie, der Gesellschaft. Umfragen bestätigen: 80 Prozent der Deutschen wünschen sich noch heute, im Kreis der Familie zu sterben, doch die Realität sieht anders aus: Die meisten sterben in Krankenhäusern oder Pflegeheimen, und ihr Sterben wird zunehmend medikalisiert, institutionalisiert und ökonomisiert. Professor Dr. Dr. Reimer Gronemeyer, Soziologe an der Universität Gießen, zeigt, welche Veränderungen heute das Sterben prägen und welche ethischen Probleme damit verbunden sind.

AUTOR
Prof. Dr. Dr. Reimer Gronemeyer, geb. 1939, Studium der Theologie, Promotion zu den Paulusbriefen, lutherischer Pfarrer in Hamburg. Studium der Soziologie, Promotion zu Fragen der Demokratisierung in Institutionen; seit 1975 Professor für Soziologie an der Universität Gießen; dort analysiert Gronemeyer im Rahmen eines internationalen Forschungsprojekts die Hospizbewegung im europäischen Kontext.
Bücher:
- Sterben in Deutschland. Wie wir dem Tod wieder einen Platz in unserem Leben einräumen können. S. Fischer
- So stirbt man in Afrika an Aids. Brandes u. Apsel
- Kampf der Generationen. DVA
- Helfen am Ende des Lebens (zusammen m. anderen).Hospiz
- Das Blut deines Bruders. Die Zukunft der Gewalt. Econ
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INHALT
Ansage:

Heute mit dem Thema: „Ein Platz für den Tod - Sterben in Deutschland“.

Der umstrittene Sterbehilfeverein Dignitate hatte im November mit der Ankündigung, einen Schwerkranken zum Freitod zu verhelfen, eine erneute Diskussion über Sterbehilfe ausgelöst. Und vor Weihnachten hatte der Trierer Bischof Marx im SWR-Hörfunk sein „Nein“ zur Sterbehilfe noch einmal deutlich gemacht. Er sagte, es sei schrecklich, wenn Organisationen mit materiellen Interessen Menschen zur Selbsttötung verhelfen wollten.

Und genau das ist auch ein Aspekt der folgenden AULA von Reimer Gronemeyer, emeritierter Professor für Soziologie der Universität Giessen.
Gronemeyer fragt, wie sich das Sterben in Deutschland in den letzten Jahrzehnten verändert hat und er sagt: Das Sterben wird zunehmend institutionalisiert, medikalisiert, ökonomisiert und - siehe Dignitate - auch kommerzialisiert. Und diese Punkte bilden für ihn den wichtigen Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart:


Reimer Gronemeyer:

In den 50er Jahren - ich war gerade 12 Jahre alt - erlebte ich, wie meine Großmutter hoch in den 70ern gestorben ist. Sie lag in einem weißen Metallbett und bekam einen Schlaganfall. Sie konnte sich nicht mehr bewegen, nicht mehr sprechen, nicht mehr essen, und ich erinnere mich, dass ich von meiner Mutter aufgefordert wurde, über dieses Bett hinwegzusteigen, das an der Wand stand, und dabei zu helfen, meiner Großmutter Flüssigkeit, vermutlich Tee, einzuflößen. Nach vielem Verschlucken und Husten war es uns schließlich gelungen, ihr etwas von dem Getränk zu geben. Nach wenigen Tagen, vielleicht waren es auch nur Stunden, ist meine Großmutter gestorben. Damals war es für einen kleinen Jungen ganz selbstverständlich, einem Verwandten, der im Sterben lag, zu helfen und sein Sterben mitzuerleben.

Heute, ein halbes Jahrhundert später kommt uns das ganz fern und fremd vor. Wie kommt das? Was unterscheidet unsere Situation heute von der damaligen? Natürlich vor allen Dingen erst mal die Tatsache, dass die Menschen heute überwiegend in „Institutionen“ sterben, im Krankenhaus, im Pflegeheim, im Hospiz. 80 Prozent aller Deutschen sagen, sie möchten zu Hause sterben; in Wirklichkeit sterben aber 80 Prozent der Deutschen in einer Einrichtung. Das ist ein ganz großer Widerspruch, dem wir noch nachzugehen versuchen werden. Aber um noch mal den Unterschied damals und heute zu verdeutlichen: In den 50er Jahren war das Sterben zuhause ganz normal, heute ist es genau umgekehrt. Woran liegt das? Das hat natürlich auch daran gelegen, dass es in den 50er Jahren kaum Telefon in den Wohnungen gab. Die Notfallambulanz war ein Fremdwort, aber vor allem existierte noch nicht die Idee in unseren Köpfen, Menschen, die am Lebensende angelangt waren, in eine Institution bringen zu müssen. In unserer heutigen Zeit wäre es fast schon eine strafbare Handlung, nicht zum Telefonhörer zu greifen, nicht den Krankenwagen zu rufen und jemanden nicht ins Krankenhaus oder ins Pflegeheim zu überführen. Natürlich ergibt sich daraus der Vorteil, dass wir ein Stück Leben dazu gewinnen können. Dennoch frage ich mich manchmal, ob meine Großmutter in ihrem weißen Bett dieses zusätzliche, geschenkte Leben überhaupt gewollt hätte. Das können wir nicht wissen, und wahrscheinlich ist das auch gut so. Jedenfalls stellen wir fest, dass wir heute einen völlig anderen Umgang mit dem Sterben und dem Tod gewöhnt sind, und obwohl die meisten Menschen auch heute noch Zuhause sterben wollen, so tun sie es in der Regel nicht.

Die zweite Widersprüchlichkeit ist, dass unsere Begegnung mit Sterben und Tod merkwürdig verändert ist. Neulich habe ich gelesen, dass ein Jugendlicher, wenn er sein 15. Lebensjahr erreicht, im allgemeinen schon 500.000 Tote gesehen hat, nämlich im Fernsehen, in virtuellen Schlachten, in Kriminalfilmen, in Horrorfilmen etc. Also einerseits ist der Tod so gegenwärtig wie vielleicht noch nie, aber eben in dieser digitalen, bildlichen, unsinnlichen Form. Wenn ich jedoch meine Studentinnen und Studenten frage, ob sie schon mal einen sterbenden Menschen gesehen oder vielleicht sogar mal einen Toten angefasst haben, dann bejahen das nur sehr sehr wenige. Das ist also der zweite Widerspruch: Medial ist der Tod allgegenwärtig, aber in Wirklichkeit verfügen wir über keine Erfahrung mit dem Sterben und dem Tod. Er ist verbannt aus unserem Alltag.

Das führt uns zu der Frage, ob Tod und Sterben heute tabuisiert sind. Darauf kann man, wie ich denke, sehr zwiespältig antworten. Einerseits ist der Tod ein Tabu, da wir im Regelfall keinen Umgang mit Sterbenden haben. Andererseits wird aber auch öffentlich immer öfter über den Tod und über das Sterben gesprochen. Wir werden uns noch Gedanken darüber machen müssen, warum das so ist.

Aber noch einmal zu dem ersten großen Spannungsverhältnis zurück, dass die Menschen sagen, sie möchten zuhause sterben, aber tatsächlich in Einrichtungen sterben. Ein bisschen ist das auch ein Klischee. Denn die Menschen werden ja am Ende ihres Lebens nicht zwangsweise ins Krankenhaus oder ins Pflegeheim gebracht werden. Sondern oft entwickelt sich die Situation so, dass die Menschen, die zuhause von ihren Angehörigen betreut und gepflegt werden, in eine Krise geraten, Erstickungsanfälle, Schmerzen, die nicht beherrschbar sind usw. Dann gelangen die Kranken und die Angehörigen manchmal sehr schnell zu dem Schluss, diese Krise doch lieber im Krankenhaus behandeln zu lassen. So kennen wir im übrigen so etwas wie einen „Tourismus am Lebensende“ in einer unerfreulichen Weise, dass die Menschen vielleicht vom Krankenhaus ins Pflegeheim kommen, von dort in ein Hospiz und vom Hospiz wieder ins Krankenhaus. Jeder dieser Schritte hat seine spezifischen Gründe. Beispielsweise könnte ein Bewohner eines Pflegeheims in eine Krise geraten, die Pflegeleitung ist nicht da, und der herbeigerufene Notarzt kann gar nichts anderes tun, als den Menschen ins Krankenhaus zu schicken, vielleicht kann ihm ja dort geholfen werden. Ein anderer Grund kann die Fallpauschale sein, der jedes Krankenhaus unterliegt. Nach einer gewissen Zeit hat ein Patient sein Budget sozusagen aufgebraucht, woraufhin das Krankenhaus zusehen muss, wie es den Patienten wieder loswird, und es schickt ihn im Zweifelsfall in ein Pflegeheim oder vielleicht ins Hospiz. Ein Hospiz wird jedoch auch nur für einige Wochen bezahlt, so dass der Patient möglicherweise doch wieder ins Krankenhaus zurück muss.

Wir sehen, dass der Umgang mit dem Tod für uns heute viel weniger selbstverständlich ist, als es noch vor Jahrzehnten und in der Geschichte der Menschheit der Fall war. Woran liegt das?

Zwei Prozesse haben unser Verhältnis zum Sterben nachhaltig verändert. Der Tod wurde erstens institutionalisiert und zweitens ökonomisiert, das heißt, es wird am Sterben von Menschen verdient. Der amerikanische Arzt und Nobelpreisträger Bernard Lown hat einmal gesagt, dass 80 Prozent der Krankenhauskosten im Leben eines Menschen in dessen letzten Wochen und Monaten anfallen. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen auch die deutschen Krankenkassen. Lown vertritt sogar die Meinung, es gäbe ein Komplott zur Verlängerung des Sterbens, weil eben daran verdient wird.

Heute mag man zu der Annahme gelangen, dass das schon ins Gegenteil umkippt, weil eine wachsende Zahl der Hochbetagten und Pflegebedürftigen die Einrichtungen oft vor die Frage stellt, können und wollen wir das noch bezahlen? Aber auf jeden Fall spielt Geld am Ende des Lebens eine Rolle, und zwar so stark wie niemals zuvor.

Ich möchte einen dritten Aspekt ansprechen, nämlich den der Medikalisierung des Sterbens. Was ist damit gemeint? Dazu werfe ich einen kurzen Blick zurück auf das Ende des Mittelalters und den Beginn der Neuzeit. Damals hat man angefangen, Menschen nach ihrem Tod aufzuschneiden, um herauszufinden, was in ihrem Leib zu sehen ist. Diese Zeit veränderte den Umgang mit Sterben und Tod sehr deutlich. Über lange Jahrhunderte haben die Menschen das Sterben als etwas begriffen, was auf sie zukommt, was ihnen geschieht, den Tod als Zufall, der ihnen zufällt. Die Menschen haben gewartet, bis Gott oder in anderen Kulturkreisen vielleicht ihre Ahnen sie aus dem Leben holen. In dem Augenblick, wo man begonnen hat, den toten Körper aufzuschneiden, geschieht etwas ganz Dramatisches: Auf einmal stellt man fest, dass man den Tod, das Sterben ja im Körper lokalisieren kann. Man kann feststellen, dieser Mensch ist an seinem kaputten Herzen gestorben oder die Leber war zerstört oder die Lunge. Plötzlich ist der Tod nicht etwas, was von außen kommt und mich aus dem Leben holt - Gottes Ratschluss oder der Wille der Ahnen -, sondern nun kann man sagen, der Tod hat den Grund im Körper des Menschen, weil dieses oder jenes Organ versagt hat. Das ist spätestens der Augenblick, an dem das Sterben medikalisiert wird. Der Arzt wird eine wichtige Figur am Sterbebett eines Menschen. Hippokrates hatte noch gesagt: Wenn Zeichen des Todes auf dem Antlitz eines Sterbenden zu erkennen sind, dann muss der Arzt den Raum verlassen, um anderen Platz zu machen für Angehörige oder den Priester etc. Heute, im Zeitalter der Medikalisierung des Sterbens, wird der Arzt gewissermaßen der selbstverständliche Begleiter dieser letzten Lebensstrecke. Das führt natürlich auch dazu, dass die Menschen immer weniger imstande sind, zuhause zu sterben, weil sie sich in die Arme eines Mediziners flüchten, vielleicht mit der Hoffnung, das Leben noch ein Stück zu verlängern, vor allen Dingen mit der Hoffnung, Schmerzen zu vermeiden.

Wir müssen uns darüber klar sein, dass die Medikalisierung des Lebensendes eine dramatische Veränderung des Umgangs mit Sterben und Tod bedeutet.

Noch etwas anderes fügt sich an: Wir leben in einer alternden Gesellschaft, das bedeutet, die Zahl der alten und sehr alten Menschen wächst. Im Jahr 2050 werden 70 Millionen Menschen über 80 Jahre alt sein, das heißt, eine sehr große Zahl von Menschen wird auf Unterstützung, Hilfe und Pflege angewiesen sein. Weiterhin zerbröckeln die Familien, der Ort, an dem früher das Sterben stattgefunden hat. Immer weniger sind Familien willens und imstande, Angehörige am Lebensende bei sich aufzunehmen. Das hat verschiedene Ursachen, örtliche Entfernungen spielen eine Rolle, vielleicht auch Scheidung oder die Berufstätigkeit beider Eheleute. All das sind Aspekte, die dazu führen, dass das alte Modell, das keineswegs immer sehr glücklich gewesen ist, aber einfach eine selbstverständliche Tatsache war, ausstirbt. Das führt gleichzeitig dazu, dass die Zahl der Menschen, die im hohen Alter alleine leben, kontinuierlich wächst. Jeder zweite 85-jährige Mensch in Deutschland lebt allein. Und da kann man noch mal die Frage stellen, was heißt da eigentlich, ich will zuhause sterben? Im Appartement, in dem man alleine ist, in das von Zeit zu Zeit mal der Pflegedienst kommt? Das kann es eigentlich auch nicht sein. Das ist ja eine Form der Verlassenheit, die mit dem Sterben zuhause, so wie wir uns das eigentlich vorstellen, eigentlich gar nichts gemein hat.

Ich möchte einen weiteren Punkt anführen: Die Dialekte des Sterbens sterben aus. Was ist damit gemeint? Über lange Zeit wurden in den unterschiedlichen Regionen Deutschlands verschiedene Dialekte gesprochen, von Ort zu Ort mit anderen Färbungen. Genauso pflegten die Menschen von Ort zu Ort, von Dorf zu Dorf verschiedene Weisen des Umgangs mit dem Tod. In einem Ort wurde das Gefäß des Verstorbenen, aus dem er zuletzt getrunken hatte, zerschlagen; in anderen gab es Totenkronen entsprechend der Brautkrone, die den Toten mit ins Grab gegeben wurden; in Teilen Hessens war es zum Beispiel üblich, dass man zur Hochzeit sein Sterbehemd bekam; oder man verschenkte einen Sarg zum 50. Geburtstag. Dadurch war der Tod in der Gesellschaft immer im öffentlichen Bewusstsein. Menschen starben ja meist auch viel früher, und der Tod war ein selbstverständlicher Begleiter des Alltags. Dialekte des Sterbens gab es nicht nur in Deutschland, sondern eigentlich europaweit.

Heute verschwinden diese Dialekte, und an ihre Stelle treten Institutionalisierung, Ökonomisierung und Medikalisierung. Aber es wachsen auch Ansätze zu einer neuen Antwort. Blicken wir auf die Hospize. Vor allen Dingen Frauen haben sich damals zu einer Bürgerbewegung zusammengeschlossen und haben Missstände angeprangert wie zum Beispiel, dass sterbende Menschen in Krankenhäusern in Abstellkammern geschoben werden oder dass Menschen alleine zuhause ihrem Lebensende entgegendämmern. Das wollten sie nicht hinnehmen. Daraus ist eine große, bedeutende und schöne Bürgerinnenbewegung entstanden, die heute die erstaunliche Zahl von 80.000 ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern in ganz Deutschland umfasst, so dass, wer eine Begleitung am Lebensende möchte, von solch einem ehrenamtlichen Hospizdienst - jedenfalls im Regelfall - auch eine solche bekommen kann.

Gleichzeitig erlebt die Palliativmedizin, die sich dem Umgang mit dem Sterben widmet, einen großen Aufschwung. Manchmal lässt sich leider sogar ein bisschen Konkurrenz zur Hospizbewegung feststellen. Dennoch haben sich diese beiden Säulen entwickelt, die sich entweder durch ehrenamtliche Arbeit oder durch professionelle Medizin dem Thema Sterben zuwenden. Aber das hat auch einen, wie ich finde, problematischen Aspekt, der dazu führt, dass Sterben gewissermaßen nach den Standards der Weltgesundheitsorganisation in Riga, Frankfurt, London, Rom und in kleinen Dörfern auf dieselbe Weise geschieht: Wohlgemeint mit Schmerztherapie und professioneller Pflege usw., aber gleichzeitig etwas unheimlich, weil es die Menschen in ganz Europa am Lebensende auf das gleiche Muster festlegt, und weil es das, was einmal an Unterschiedlichkeit und kultureller Fantasie gelebt wurde, diesem einen Muster ausliefert. Die Folge ist ein Stück kultureller Verarmung bei gleichzeitigem Wachstum an professioneller Zuwendung. Aber gleichzeitig muss man sich wohl auch am Anfang des 21. Jahrhunderts die Frage stellen, wie soll das in dieser europäischen Gemeinschaft eigentlich weitergehen, wenn wir es mit einer wachsenden Zahl von Hochbetagten, Pflegebedürftigen zu tun bekommen, während gleichzeitig die Zahl der Jüngeren, die pflegen und helfen könnten, eher abnimmt. Und gleichzeitig hören wir immer wieder den Satz, das kostet viel Geld und ist zu teuer. Kürzlich wurde die Idee laut, eine Initiative mit dem Namen McPflege, also eine Billigpflege nach Fastfood-Manier, ins Leben zu rufen. Das ist zunächst noch gescheitert. Aber im Prinzip laufen wir, glaube ich, Gefahr, dass bei dieser großen Zahl von Hochaltrigen und Pflegebedürftigen Modelle auf den Markt zu bekommen, die im Grunde haarscharf neben einer Entsorgung siedeln.

Vor kurzem besuchte ich einen Kongress, auf dem jemand zum Thema Pflege sagte: Also wir müssen die Pflege organisieren wie OBI und Aldi, gute Produkte zu billigen Preisen. Mir laufen bei diesem Gedanken kalte Schauer über den Rücken, ich denke, das kann nicht der richtige Weg sein.

Einen weiteren Aspekt möchte ich hinzufügen, das ist die Demenz. Demente Menschen erleben das Ende ihres Lebens nicht so, wie wir uns das eigentlich wünschen. Sie sind unansprechbar geworden und können mit den sie umgebenden Menschen nicht mehr in Kontakt treten. In den Pflegeheimen Deutschlands sind 60 Prozent der Bewohner an Demenz erkrankt. Diese Krankheit gehört sicherlich zu den größten Rätseln, die wir zu lösen haben. Warum häuft sie sich? Natürlich wissen wir, dass mit zunehmenden Alter die Wahrscheinlichkeit, an Demenz zu erkranken, steigt. Aber ich denke manchmal, dass die Demenz auf eine merkwürdige Weise die Rückseite der Gesellschaft, der Innovation, der Beschleunigung symbolisiert. Vielleicht sind die Demenzkranken diejenigen, die sozusagen die Last der Gesellschaft tragen, vielleicht sind sie so etwas wie Heilige, weil sie genau das Gegenteil von dem sind, was wir alle gerne sein wollen: autonom, entscheidungsfähig etc.

Ich habe mich engagiert in einer Bürgerinitiative mit dem Namen „Aktion Demenz“, in der wir versuchen, das Thema aus der reinen professionellen Pflegesituation herauszuholen und zu sagen, wir brauchen sehr viel mehr zivilgesellschaftliches, bürgerschaftliches Mitwirken, wie es im Hospizbereich vorhanden ist, damit Familien, in denen ein Menschen mit Demenz lebt, nicht alleine gelassen wird. Demenz heißt ja nicht, dass der Kranke von Beginn an regungsunfähig im Bett liegt, sondern er ist lange Zeit imstande, ein schönes Leben zu führen, wenn die gesellschaftliche Unterstützung vorhanden ist. Ich glaube, wir alle müssen darüber nachdenken, ob wir uns aufraffen können, uns bei der Hilfe für solche Familien und Menschen mit einzubringen.

Zum Schluss möchte ich mit dem Thema Sterbehilfe zuwenden, ein Thema, über das in der Gesellschaft häufig diskutiert wird. Vor kurzem wurde öffentlich, dass die Sterbehilfeorganisation Dignitas Sterbewillige sucht. Viele von uns sind der Ansicht, dass es unerträgliche Situationen gibt, die es rechtfertigen, seinem Leben ein Ende zu setzen. Wenn man zum Beispiel vom Halswirbel an gelähmt ist oder wenn man den Verstand völlig verloren hat oder wenn man unter unsäglichen Schmerzen leidet. Das kann man sicher verstehen. Beunruhigend finde ich nur, dass der Druck in Richtung „Tod als Dienstleistung“, also die Möglichkeit, sich irgendwo den Tod zu besorgen, zu kaufen, deutlich wächst. In den Niederlanden und in Belgien existiert ein Euthanasiegesetz, das es erlaubt, sich unter bestimmten Bedingungen töten zu lassen. In der Schweiz gibt es den assistierten Suizid, der dazu geführt hat, dass die Zahl der Touristen, die dort Selbstmord begehen wollen, steigt. Ich würde diese Entscheidung keinem Menschen verbieten wollen. Aber ich fürchte eben, dass da eine Schleuse geöffnet wird. Wenn Sie heute in ein Pflegeheim kommen, ist der erste Satz, der Ihnen entgegenschallt: „Ach, ich möchte niemandem zur Last fallen.“ Das ist neu. Früher haben sich alte, schwache, kranke Menschen das Lebensrecht auf der Erde nicht abstreiten lassen, einfach weil sie darauf gewartet haben, dass Gott sie aus dem Leben ruft. Und solange hatte die Umwelt sie zu tragen.

Und heute geraten wir da hinein, dass wir aufgrund der vielen alten Menschen ein europäisches Euthanasiegesetz bekommen, das zwar nicht direkt sagt, mit so und soviel Jahren oder diesen und jenen Krankheiten wirst du abgeschaltet - so nicht, aber dass gewissermaßen der stille Druck, sich aus dem Leben zu entfernen, weil man ja ohnehin eigentlich nur noch Kostgänger ist, steigt. Irgendwann verteilen sich vielleicht auf ganz Europa Niederlassungen von Euthanasie-Service-Stellen, in denen man sich den Tod kaufen kann. Ich glaube, das wäre eine gefährliche Entwicklung, weil sie auch den Sog für die Menschen, die nicht die Stärke besitzen zu sagen, ich gehöre noch zu den Lebenden, verstärken würde, solch eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

Im Ganzen muss man sagen, der moderne flexible Mensch, der den Tod nicht mehr als etwas begreift, was auf ihn zukommt, gerät immer mehr unter den Druck, sein Lebensende zu planen, es als ein Projekt zu betrachten. Wir haben gelernt, dass wir lebenslang lernen müssen, wir haben gelernt, unsere Zukunft zu planen, den Beruf, die Alterssicherung usw. als ein Zukunfts-, Präventions- und Kontrollprojekt zu begreifen. Und ich fürchte, dass gerade dieser letzte Lebensabschnitt immer deutlicher unter den Imperativ gerät, auch noch sein Lebensende ordentlich organisieren zu müssen, man soll Patientenverfügungen ausstellen, man soll sich überlegen, wo man seine letzten Jahre verbringt. Ich denke, dass damit die Möglichkeit, die am Horizont jedenfalls noch zu erahnen ist, den letzten Lebensabschnitt als weitere große Erfahrung zu erleben, den Menschen genommen wird. Natürlich bleibt der tiefe Bruch zu den mittelalterlichen Menschen, die den Tod auf andere Weise als wir fürchteten. Denn der mittelalterliche Mensch fürchtete das Gericht Gottes. Der heutige Menschen versteht das Sterben gewissermaßen als die Verabschiedung von allem, von der Möglichkeit des Konsums, des Sinnens, der Familie und der Arbeitswelt. Dadurch konzentriert sich alles auf diese letzte Lebensphase.

Die Frage, die mich immer bewegt, ist, ob der Satz eigentlich stimmt, dass wir so sterben, wie wir gelebt haben. Dieser Satz kann wie eine Drohung klingen und er scheint, was die äußeren Bedingungen angeht, auch zuzutreffen. Gerade wenn Menschen in Ambulanzen sterben, sind sie noch einmal unterwegs, sie sind in Hektik, noch einmal von Apparaturen umgeben. Aber ich glaube, dass die Sehnsucht steigt nach einem einfachen Sterben, nach einem, das nicht sinnlos medizinisch verlängert ist, in dem die Möglichkeit der Verabschiedung und der guten Freundschaft mit Menschen gegeben ist. Das ist etwas, was Hospize ja versuchen zu realisieren. Das gelingt ihnen manchmal, glaube ich, ganz gut. Im Ganzen, denke ich, ist die Zukunft dieser europäischen Kultur sehr deutlich an der Frage zu messen, ob dieses Europa mit seinen Hochaltrigen gut umgeht, ob es zu dem Thema Sterben andere als sozialtechnische Lösungen finden wird.

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