Armut I-IV

Diskurs Einladung für November 2006 -  virtuell  & persönlich ab sofort zur Thematik  << PA4-Diskurs-Tafel>> PA4 Thema 06-11 : Armut (Unterschicht /Prekariat ) - Auf der Basis PA4: Platon Staat: Höhlengleichnis u.a. Platon, Der Staat Reclam, UB 8205: Thema: Armut; Bezugshinweise: 330a < A. macht das Alter schwer, 421df<A. verschlechtert die Leistung des Handwerks, 465c < A. müssen den Reichen schmeicheln, 550d < in der Oligarchie haben die A. keine Macht,552b < die einen sind überreich, die anderen völlig A., 553c < die A. bricht den jungen Menschen, 555d < auch treffliche Menschen werden A., 556d < die A. empören sich gegen die Reichen, 567a < der Tyrann sorgt für die Verarmung der Menschen, 613a < die A. des Gerechten schlägt zum Guten aus… Weitere Quellen und Diskursbeiträge
Das Unsagbare (das der Sprache Entzogene) / indicibile; das Unaussprechliche (jedoch für ein Subjekt mystisch Erfahrbare) / ineffabile; Gewahren des Unausdrückbaren (inexprimabile) und Unbeschreiblichen im absoluten Schweigen
Das Eine / unum entzieht sich der Sprache und ist deshalb undefinierbar archê tu pantos (Prinzip von allem, vgl. Sonnengleichnis) Ideen erkennen ihre Ursache
Kennzeichnend für die Gesprächsführung bei Platon und für PA4 ist die Enthaltung jeglicher Festlegung auf irgend einen dogmatischen Standpunkt. Diese Einstellung bildet den Rahmen, in dem all unsere Diskurse sich gestalten
Be- und Erziehung (Paideia) lebensbegleitend

Das kognitiv Eine: Wahre /  verum Apollinisches digital -  noetisch Mit logischer Erkenntnis arbeiten, begründetes Wissen Noetische Erkenntnis des einheitl. Ganzen in der Seele (= was erkennbar (gnôston) und wahr (alêthes) ist); Erkenntnis des Ursprünglichen Grund/Begründung des Logos
Begründbare Erkenntnis

------------------------- Erforschende, aktive Erkenntnis Versuchen, Irren, Korrigieren…


 

Fazit

Das ethisch Eine: Gute / bonum, kalokagathia syndesmos = Band (zw. göttl. Seele mit göttlicher Idee). Original, Modell: An-Sich-Sein Einsicht (noêsis), die dem Ganzen/Einen in den Seelen am nächsten kommt… = Annäherung; ≠ Verschmelzung
TANDEM-PRINZIP von 4. zu 1.Ebene und von 4.zu 1. Erkenntnis 4.Ebene >WELTSICHT
________________ 3. Ebene >WELT-IN-BEWEGUNG
2. Ebene > BUNTE WELT Der Alltag, Routine Supermarkt/Weltmarkt.
1.Ebene > SCHATTENWELT Die Befangenheit, Gefangenschaft,

Behinderung…  

Fazit

Das ästhetisch Eine: Schöne / pulchrum Dionysisches analog - metaphorisch Kenntnisse lassen sich nicht in Worte fassen nicht begründbares Wissen Sich Hineinleben, es entsteht ein Seelenlicht (Lichtmetaphorik)… es folgen Fingerzeige, Bilder des Hinweisens ausserhalb der logischen Sprache  Stimmung(emotional) Assoziationen,
Unmittelbare Erkenntnis

--------------------- Übermittelte, passive Erkenntnis Doxa, Glauben, Meinen…


 

Fazit

PS.: Gerne empfangen wir von Euch wieder Diskursbeiträge zu dieser Thematik und weitere Anregungen:Mit besten GrüssenMarga und Walter Prankl

Armut wird normal Ursachen eines gesellschaftlichen Phänomens

 Caspary-Butterwegge-Armut

SWR2 AULA Ralf Caspary im Gespräch mit Professor Christoph Butterwegge : Armut wird normal Ursachen eines gesellschaftlichen Phänomens
Redaktion: Ralf Caspary, Susanne Paluch
Sendung: Sonntag, 3. Februar, 8.30 Uhr, SWR 2
Bitte beachten Sie:
Das Manuskript ist ausschließlich zum persönlichen, privaten Gebrauch bestimmt.
Jede weitere Vervielfältigung und Verbreitung bedarf der ausdrücklichen
Genehmigung des Urhebers bzw. des SWR.

* Zum Autor:
Christoph Butterwegge ist Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln und Mitglied der Forschungsstelle für interkulturelle Studien. In seinen zahlreichen Veröffentlichungen widmet sich Butterwegge den Themen Friedenspolitik, Rechtsextremismus, demografischer Wandel und Armut. Besonders Kinderarmut ist ein Schwerpunktthema Christoph Butterwegges.

Bücher (Auswahl):
- Armut im Alter. Probleme und Perspektiven der sozialen Sicherung. Campus Verlag 2012.
- Krise und Zukunft des Sozialstaates. 4. erw. und überarbeitete Aufl. VS Verlag. 2012.
- Armut in einem reichen Land. Wie das Problem verharmlost und verdrängt wird. Campus Verlag 2009.

ÜBERBLICK
Kein Geld für Strom . Kaum ein Tag vergeht, an dem in den Medien nicht über Krisenverlierer berichtet wird, über Menschen, die kaum von ihrem Lohn leben können, über Alleinerziehende, die nicht wissen, wie sie ihren Kindern neue Kleidung kaufen sollen, über Arbeitnehmer, die von heute auf morgen entlassen werden. Die Armut ist dabei, zur Normalität zu werden, und sie trifft ganz unterschiedliche Gruppen. Christoph Butterwegge, Professor für Politikwissenschaft an der Universität Köln, zeigt Ursachen auf und skizziert mögliche Wege aus der Krise.


INHALT
Ansage:
Mit dem Thema: „ Armut wird normal – Ursachen eines gesellschaftlichen Phänomens“.
Die Bundesregierung lässt leider mit ihrem Armutsbericht auf sich warten, was angeblich keinerlei inhaltliche Gründe hat. Na ja, die SPD läuft sich derweil schon mal warm und will mit den Themen Armut und soziale Gerechtigkeit im Wahlkampf punkten. Was gut ist, denn Armut, und vor allem Altersarmut sind ernst zu nehmende Probleme, vor allem Altersarmut scheint mittlerweile zur traurigen Normalität geworden zu sein.
Wir wollen heute im AULA Gespräch darüber reden, mit dem Politikwissenschaftler Professor Christoph Butterwegge von der Universität Köln.
Manuskript:
Frage:
Herr Butterwegge, kaum ein Tag vergeht, an dem wir in den Medien nicht alte arme Menschen sehen, die in Mülleimern nach Dosen suchen oder putzen müssen, um nicht zu verhungern. Wie beurteilen sie diese Berichterstattung, ist sie objektiv oder überspitzt?
Butterwegge:
Manchmal wird sicher am Einzelfall dramatisiert; auf der anderen Seite wird häufig mit nüchternen Zahlen gearbeitet, Statistiken werden präsentiert, Studien. Das stört mich an den Medien, dass sie jeder Studie nachjagen, die auf den Markt kommt. Da braucht nur ein Institut oder die Bertelsmann-Stiftung zwei Seiten zusammenschreiben, schon wird das Ganze auf eine dann in der Tat alarmistische Weise oder aber umgekehrt, wie es ja häufig bei Lobbyisten der Fall ist, eher heruntergespielt. Es ist schon eine Gratwanderung, die die Medien machen müssen, nämlich weder am Einzelfall das Ganze personalisieren, individualisieren, biografisieren, wo dann manchmal herauskommt, der Einzelne ist vielleicht selbst schuld, weil er nicht mit Geld umgehen konnte, nicht vorgesorgt hätte für das Alter. Und auf der anderen Seite gibt es Statistiken, die jeder so benutzt, wie er sie braucht, die häufig natürlich auch wirtschaftliche Interesse bedienen – bei der Auswahl ist man manchmal nicht zimperlich. Die Medienberichterstattung zum Thema Armut ist schwierig, insbesondere auch zum Thema Altersarmut.
Frage:
Angedockt am Thema Altersarmut ist in der medialen Berichterstattung aus meiner Sicht vor allem auch das Thema die „Kluft zwischen Arm und Reich wird immer größer“. Ist ihrer Meinung nach der Zusammenhang gut?
Butterwegge:
Wer über den Reichtum nicht reden will, soll auch über die Armut schweigen. Dass Armut und Reichtum zwei Seiten einer Medaille sind, das sollte in der Tat vermittelt werden, denn es besteht ein struktureller Zusammenhang. Bertold Brecht hat es
schön ausgedrückt: „Armer Mann und reicher Mann standen da und sahen sich an, und der arme sagte bleich, wär‘ ich nicht arm, wärst du nicht reich.“ Und das ist natürlich heute auch noch so. In der Finanzmarktkrise sind einige gerade dadurch reich geworden, dass andere arm geworden sind. Nicht nur Spekulanten sind reich geworden, sondern zum Beispiel auch denjenigen, denen die Banken gehören, ist natürlich zupass gekommen, dass diejenigen, die wenig Geld haben, ihr Konto überziehen, hohe Dispozinsen bezahlen müssen. Insofern ist Armut und Reichtum in der Tat zusammengehörend. Wenn man nur eine Seite beleuchtet, wird nicht klar, wo eigentlich die Ursachen liegen. Deshalb finde ich es sehr richtig, beides gegenüber zu stellen. Bleiben wir mal beim Alter: Die einen machen Kreuzfahrten, die anderen putzen Klos. Deswegen macht es zum Beispiel wenig Sinn, über die durchschnittliche Höhe der Renten zu sprechen. Der Durchschnitt ist sowieso immer irreführend.
Frage:
Das ist schon klar. Aber jetzt machen Sie dem reichen Rentner, der die Kreuzfahrt macht, ein schlechtes Gewissen. Es kann ja sein, dass er reich geworden ist aus eigenem Verdienst.
Butterwegge:
Der Rentner ist sowieso nicht das Problem. Mit Reichtum meine ich etwas anderes, und das ist ein Problem der Medienberichterstattung, aber auch der Armutsforschung. Die sagt, Reichtum fängt- so wie Armut bei 60 % des durchschnittlichen Einkommens beziffert wird- bei 200 % des Durchschnittseinkommens an. Dann sind wir ungefähr bei einem Einkommen von 3.500 Euro bis 3.700 Euro. Da wird so getan, als sei der Studienrat reich. Darüber lacht sich natürlich eine wirklich reiche Familie, nehmen wir mal die Quandts-Klattens, die letztes Jahr 650 Millionen Euro alleine als Dividende aus BMW-Aktien erlöst hat, die lacht sich tot darüber. Also das meine ich keineswegs, dass der Rentner reich ist, sondern der wirkliche Reichtum im Land. Der ist aber natürlich begründet in der Armut anderer.
Frage:
Oft geht es in der öffentlichen Debatte auch um den demographischen Wandel, ein ganz wichtiges Thema. Und es heißt ja immer, wir haben die Altersarmut vor allem wegen der Vergreisung der Gesellschaft. Es gehe in erster Linie gar nicht um sozialpolitische Dinge, sondern um diese neue demografische Situation. Was sagen Sie zu dieser These?
Butterwegge:
Das leuchtet vielen Menschen sofort ein. Es scheint sehr plausibel. Wenn die Menschen älter werden als früher, was zweifellos der Fall ist, wenn die Lebenserwartung steigt, müssen Renten über einen längeren Lebenszeitraum der Menschen gezahlt werden. Das wird teurer. Und dann sagen sich alle, ja gut, wenn das so ist, dann gibt es eigentlich nur zwei Möglichkeiten: entweder die Beiträge zur Rentenversicherung zu erhöhen oder aber die Renten zu kürzen. Trotzdem denke ich, diese Alternative ist eine Milchmädchen-Rechnung. Es gibt viele andere Möglichkeiten, zum Beispiel die Frauenerwerbstätigkeit zu erhöhen, Löhne und Gehälter entsprechend dem Produktivitätsfortschritt steigen zu lassen. Dann wird
automatisch mehr eingezahlt, ohne die Beiträge zu erhöhen, und dann kommen am Ende auch höhere Renten heraus trotz dieses Alterungsvorgangs, der kollektiv in der Gesellschaft erfolgt. Der demografische Wandel ist für mich eine Ausflucht, um so zu tun, als sei die Kürzung der Renten ein Naturgesetz. Ich will es nochmal klar sagen: Die Höhe der Rente ist nicht eine Frage der Biologie oder der Altersstruktur einer Gesellschaft, also wie alt die Menschen werden. Sondern die Höhe der Rente ist erstens eine Frage der Ökonomie: Also wie groß ist der gesellschaftliche Reichtum, der erwirtschaftet wird und aus dem die Renten bezahlt werden müssen, und zwar zu dem Zeitpunkt, an dem die Rente fällig wird, nicht heute, sondern vielleicht sogar in ferner Zukunft. Kapitalgedeckte Renten lösen das Problem der Demografie nicht. Denn stellen Sie sich vor, die Gesellschaft altert und es sind nur noch wenige Junge da, und sie sollen aus einer kapitalgedeckten Rentenversicherung jetzt Ihre Rente beziehen. Dann werfen die älteren Menschen zu einem Zeitpunkt, wo wenig Junge da sind, um zu kaufen, Wertpapiere, Aktien oder andere Staatschuldtitel, Bundesobligationen usw. auf den Markt – und niemand ist da, der sie kauft, dann werden die Kurse fallen. So wird sicherlich keine auskömmliche Rente herauskommen. Deswegen ist wichtig: Wie groß ist das Bruttoinlandsprodukt, der Kuchen, der erwirtschaftet wird, zu dem Zeitpunkt, wo man die Rente zahlen muss. Zweitens ist es eine Frage der Politik, nämlich wie wird der auch in Zukunft weiter wachsende Reichtum der Gesellschaft verteilt auf unterschiedliche Bevölkerungsgruppen, auch Altersgruppen der Gesellschaft. Mir leuchtet überhaupt nicht ein, warum heute und in Zukunft, wo die Gesellschaft so reich war wie noch nie, die Renten nicht mehr auskömmlich finanziert werden sollen, wobei früher, als übrigens die Menschen auch nach und nach älter wurden, das durchaus ging. Es sind doch in der Vergangenheit immer aufgrund der zunehmenden Arbeitsproduktivität, trotz steigender Lebenserwartung der Menschen ohne Schwierigkeit der Sozialstaat ausgebaut und die Renten erhöht worden. Und heute erzählt man uns plötzlich, wo übrigens die Alterung gar nicht so dramatisch ausfällt, wie sie immer dargestellt wird, das sei nicht mehr möglich. Nein. Reichtum ist da, aber er ist eben anders verteilt, er konzentriert sich auf wenige, es fehlt soziale Gerechtigkeit. Dass manche reich sind und andere arm, hat nichts mit dem Generationenwandel zu tun und deswegen, finde ich, ist der Begriff Generationengerechtigkeit ein politischer Kampfbegriff, der genauso in die Irre führt wie der demografische Wandel.
Frage:
Sie hatten eben die Armutsforschung angesprochen und noch einmal deutlich gemacht, dass die aus Ihrer Sicht manchmal etwas eigentümliche Zahlen zutage fördert. Aber wir müssen trotzdem über eine Definition sprechen: Was ist Altersarmut genau? Wie kann man das einordnen, abgrenzen, objektivieren?
Butterwegge:
Altersarmut als absolute Armut betrachtet, wie sie ganz besonders in der so genannten Dritten Welt vorkommt, ist natürlich, dass alte Menschen, weil sie nicht mehr erwerbstätig sein können, hungern, darben, verkommen, elendig sind, kein Obdach haben, keine dem Klima angemessene Kleidung. Das ist absolute existenzielle, extreme Armut. Altersarmut bei uns, in einem so reichen Land wie der Bundesrepublik Deutschland, bedeutet, dass alte Menschen, nachdem sie das Rentenalter erreicht haben, keine ausreichende Rente bekommen, um am
gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können. Sie haben vielleicht zum Beispiel eine Wohnung, können auch ihre Miete, Heizkosten und Strom bezahlen, aber dann haben sie so wenig Geld, dass sie das Haus kaum verlassen, um mit Freunden mal in eine Kneipe zu gehen, ein Restaurant zu besuchen, einen Film im Kino zu sehen. Das ist Altersarmut bei uns, dass man in der Tat auch zum Beispiel einen Mini-Job hat. Das gilt für 760.000 Menschen über 64 Jahre. Die haben einen Mini-Job nicht weil sie Langeweile im Alter haben, sondern weil die Rente nicht reicht. Und fast 120.000 Menschen, von denen fast alle 75 Jahre oder älter sind, räumen Supermarkt Regale ein, putzen Toiletten, bedienen in Lokalen. Daran sieht man, die Menschen haben das Problem durch ihre zu geringe Rente. Und das nimmt zu. Wir haben 436.000 Menschen in der Grundsicherung im Alter – das ist sozusagen Hartz IV für Senioren – das ist zwei Drittel mehr, als das bei der Einführung der Grundsicherung im Alter im Jahr 2003 der Fall war. Nun kann man sagen, und damit beruhigt sich die Bundesregierung und die Menschen im Land, das sind nur 2,6 Prozent der Älteren, die diese Grundsicherung im Alter bekommen. Ja klar, das sind nur 2,6 Prozent, aber wir wissen auch, dass Ältere sich schämen, zu stolz sind, die bürokratischen Hürden scheuen, deswegen gehen sie nicht zum Amt und beantragen diese Grundsicherung. Und das heißt, die Dunkelziffer ist sehr hoch, es sind sicher über 1 Million Menschen, die eigentlich die Grundsicherung im Alter bekommen könnten, weil ihre Rente so klein ist. Jetzt nehmen wir mal den Maßstab der Europäischen Union: 952 Euro – 60 Prozent des mittleren Einkommens in der Bundesrepublik, das ist ein Maß, was ich für besser geeignet halte als die Grundsicherung. Wenn man 952 Euro zugrunde legt, sind es schon 2 Millionen Menschen über 60, die darunter fallen. Das heißt, der Trend nimmt zu, und es ist keineswegs so, wie Frau von der Leyen suggeriert, dass erst im Jahr 2030 die Altersarmut ein drängendes Problem ist. Sie ist auch heute schon eine bedrückende Zeiterscheinung.
Frage:
Kommen wir zu den Ursachen. Es gibt wahrscheinlich ein ganzes Bündel, ein eklatantes Verteilungsproblem haben Sie schon genannt. Wie sehen die anderen Ursachen aus?
Butterwegge:
Ich sehe im Wesentlichen zwei Ursachen. Beide haben mit dem Um- und Abbau des Sozialstaates in den letzten Jahren und Jahrzehnten zu tun. Die erste betrifft die Deregulierung des Arbeitsmarktes, anders gesagt: die Ausweitung eines natürlich immer schon vorhandenen Niedriglohnsektors, die Prekarisierung von Beschäftigungsverhältnissen. Mini-Jobs, Midi-Jobs sind eingeführt, die Leiharbeit ist erleichtert worden für die Arbeitgeber, so dass wir jetzt fast 1 Million Menschen in diesem Bereich haben. Wir haben darüber hinaus sehr viele Honorarverträge, Werkverträge, die auch meistenteils so entlohnt werden, dass die Menschen in diesen Armutsbereich fallen. Aus dieser Erwerbsarmut wird am Ende des Arbeitslebens fast automatisch – das ist im System so angelegt – auch Altersarmut. Die zweite Ursache betrifft die Veränderung des Rentensystems. Man hat ungefähr seit der Jahrtausendwende mit der Riester-Reform, auch mit der Reform, die mit dem Namen von Bert Rürup verbunden ist, das Rentenniveau systematisch abgesenkt. Man kann das auch in Zahlen fassen: Im Jahr 2000 betrug die Rente 53 Prozent des Durchschnittsverdienstes. Diese Marge wird bis zum Jahr 2030 auf 43 Prozent abgesenkt. Das ist ein Fünftel. Dadurch fallen automatisch mehr Menschen in die
Altersarmut. Das ist bewirkt worden durch die Einführung der so genannten Riester-Treppe, des Nachhaltigkeitsfaktors und des Nachholfaktors. Die sind in die Rentenanpassungsformel eingefügt worden. Dadurch hat eigentlich jeder, der eine Rente bekommt, das Problem, dass sie niedriger ausfällt, als wenn er Rentner geworden wäre im Jahr 2000.
Frage:
Weil man auf das Prinzip der Eigenverantwortung gesetzt hat und gesagt hat, er solle sich doch selbst versichern. Dieser Ansatz ist ja nicht so schlecht?
Butterwegge:
Ich halte ihn für schlecht, weil in der Tat die Überlegung war, die Arbeitgeber werden aus dem Bereich der Privatvorsorge herausgelassen, das soll jeder selber machen im Sinne von Privatinitiative, Eigenverantwortung, Selbstvorsorge- das sind würdige Unworte des Jahres. Denn GeringverdienerInnen können das natürlich nicht und tun es auch nicht. Das heißt, die Riester-Rente ist überhaupt nur etwas für Menschen – und die haben das vorher übrigens auch schon getan –, die in der Lage sind, aufgrund ihres Einkommens auch noch für das Alter etwas zurückzulegen. Dass wir bei 82 Millionen Einwohnern 90 Millionen Lebensversicherungen haben, zeigt doch, dass bevor Riester überhaupt diese Idee in Gesetzesform fasste, Menschen, die sich das leisten konnten, natürlich auch schon vorher vorgesorgt hatten. Diejenigen, die es sich nicht leisten können, die tun es nicht. Fragen Sie mal die Taxifahrer, mit denen Sie vielleicht unterwegs sind, ob die einen Riester-Vertrag haben. Wahrscheinlich nicht. Wenn sie aber einen haben, dann ist das Problem, dass die Menschen an den Kapitalmarkt verwiesen werden und der natürlich bestimmte Risiken in sich birgt. Die Renditen bei Riester-Verträgen sind, das weiß man inzwischen, viel niedriger, als man das im Jahr 2001 bei der Einführung der Riester-Reform geglaubt hatte. Damals gab es den Börsen-Boom, damals herrschte regelrecht eine Gründerstimmung. Heute nach dem Börsen-Crash und der Finanzmarktkrise weiß man, die Provisionen sind hoch und die Verwaltungskosten bei der privaten Rentenversicherung sind auch hoch, aber die Renditen für die Rentner sind klein. Das heißt, profitiert haben hauptsächlich die private Versicherungswirtschaft, Banken und Finanzdienstleister, aber nicht die Rentnerinnen und Rentner.
Frage:
Sie haben skizziert, wie sich die Arbeitswelt unter dem Stichwort Abbau des Sozialstaats verändert hat. Aus meiner Sicht gibt es da ein Paradoxon: Immer wenn ich in Talkshows Arbeitgeberverbände höre, sagen sie, gerade durch diese Deregulierung in der Arbeitswelt wurden Arbeitsplätze geschaffen und Arbeitslose von der Straße geholt. Auf der anderen Seite schafft diese Deregulierung auch, wie wir festgestellt haben, Altersarmut. Wie kriegt man dieses Paradoxon aufgelöst, oder stimmt es gar nicht?
Butterwegge:
Das ist eigentlich kein Paradoxon deswegen, weil die Arbeitsplätze, die geschaffen wurden, häufig im Niedriglohnbereich angesiedelt sind. Man hat zum Teil sozialversicherungspflichtige Beschäftigungsverhältnisse aufgeteilt in ganz viele Mini- oder Midi-Jobs. Meine Studentinnen erzählen mir solche Geschichten, dass sie in
einem Schuhgeschäft arbeiten, da gibt es einen männlichen Filialleiter und 16 Verkäuferinnen auf 400-Euro-Basis. Sie sehen, das ist für die Betreffenden, die da arbeiten, manchmal durchaus schön, sich noch nebenher etwas zu verdienen, wenn man sozial schon gesichert ist. Für andere ist der Mini-Job eine Armutsfalle. Scheinbar sind viele Stellen geschaffen worden, in Wirklichkeit sind gute Stellen abgebaut oder aufgesplittet worden in viele andere. Das heißt, die Deregulierung, die Ermöglichung solcher Aufspaltung hat für die ArbeitnehmerInnen nichts Gutes mit sich gebracht.
Frage:
Wäre für Sie ein Baustein, um das Ganze ein bisschen in den Griff zu bekommen, zum Beispiel die Festlegung eines Mindestlohns? Angela Merkel hat das ja angeblich schon in vielen Bereichen vorangetrieben.
Butterwegge:
Ja, in einzelnen Branchen hat die Koalition das getan, manchmal auch getrieben von der Opposition, der SPD, Bündnis `90 die Grünen und den Linken. Aber für mich wäre das eigentlich nur eine Lösung, wenn man das als allgemeinen gesetzlichen Mindestlohn festschreibt und über der Höhe von 8,50 Euro, wie das der DGB fordert. Es reicht nicht aus, wenn Sie 40 Jahre lang zum Mindestlohn arbeiten, haben Sie am Ende immer noch eine Rente, die sehr sehr knapp ausfällt. Deswegen müsste man schon in die Richtung von 10 Euro gehen. Ein solcher Mindestlohn wäre dann in der Tat ein Mittel, um diesen ausufernden Niedriglohnbereich einzudämmen, denn dieser Niedriglohnbereich ist in der Tat das Einfallstor für Erwerbsarmut und später Altersarmut.
Frage:
Das würde den Tod von vielen Unternehmen bedeuten, denn niedrige Löhne sind ja auch ein Wettbewerbsvorteil oder nicht?
Butterwegge:
Schauen Sie mal nach Skandinavien, da weiß man eben, dass die Haare nicht so billig zu schneiden sind wie bei uns. In Thüringen verdient eine Verkäuferin einen Tarif von über 3 Euro pro Stunde, davon kann sie nicht leben und ihr Kind, wenn sie eins hat, auch nicht. Also wir müssen uns daran gewöhnen, dass das mit höheren Preisen einher geht, etwa auch im Dienstleistungsbereich. Auf der anderen Seite kurbelt das natürlich, würde ich dem Unternehmer entgegnen, auch die Wirtschaft an. Denn wenn die Menschen mehr in der Lohntüte haben, dann kaufen sie auch mehr, können sich mehr leisten, dann brummt die Wirtschaft. Insofern wäre es doch sinnvoll, die Binnenkonjunktur anzukurbeln. Im Übrigen ist Konkurrenz, zum Beispiel ausländische Konkurrenz, gar nicht zu erwarten bei Friseuren, im Einzelhandel, auch nicht im Gaststättengewerbe. Gerade da werden die niedrigsten Löhne gezahlt. Das hat nicht mit irgendwelcher Standortkonkurrenz zu tun, vor der wir uns fürchten müssen, sondern es hat damit zu tun, dass hier, auch politikbedingt, eine regelrechte Strategie gefahren worden ist, niedrige Löhne zu schaffen, um damit allerdings auch in der Exportwirtschaft möglichst konkurrenzfähig auf den Weltmärkten zu sein.
Frage:
Was halten Sie von dem Modell „Lebensleistungsrente“?
Der Name ist daran eigentlich noch das Beste, weil ja so getan wird, als würde die Lebensleistung der Menschen damit honoriert. Und ein Problem der Älteren, die in Armut fallen, ist ja gerade, dass sie sich gedemütigt fühlen. Wenn sie Altersarmut zu beklagen haben, dann wird ja ihre Lebensleistung nicht entlohnt. Frau von der Leyen argumentiert, die Lebensleistungsrente müsste so um 850 Euro liegen, weil in Städten wie München und Wiesbaden das Mietniveau so hoch ist, dass am Ende bei der Grundsicherung im Alter soviel herauskommt. Im Durchschnitt kommen nur etwa 700 Euro heraus. Und man fragt sich, ob denn tatsächlich bei 40 Jahren Beitragszahlung und der zweiten Voraussetzung, die erfüllt sein muss, dass die Menschen, die eine Lebensleistungsrente beanspruchen können, jahrelang geriestert haben, später sogar mal jahrzehntelang, diese 850 Euro herauskommen sollten, dann werden sie doch, nachdem sie diese hohe Hürde überwunden haben, immer noch in Armut leben, denn ich sagte es eben schon: 952 Euro ist laut Europäischer Union der Punkt, an dem in Deutschland im Grunde dieser Armutsrisikobereich anfängt. Das heißt, von 850 Euro kann man in einem so reichen Land, das auch so auf Konsum und Geld fixiert ist, eben immer noch nicht mithalten und mal Freunde einladen. Deshalb finde ich, dass die Lebensleistungsrente der Koalition nur ein Pflästerchen ist. Man könnte auch sagen, so etwas wie eine Beruhigungspille.
Frage:
Was würden Sie tun, wenn Sie Politiker wären und zuständig für Arbeit und Soziales? Was wären Ihre ersten drei Maßnahmen?
Butterwegge:
Wenn ich der Kanzler von Deutschland und mit einer ungeheuren Macht ausgestattet wäre, dann würde ich zuallererst einen gesetzlichen Mindestlohn von 10 Euro einführen, um Erwerbsarmut zu verringern und damit auch Altersarmut auszuschließen. Zweitens würde ich die so genannten Dämpfungsfaktoren oder genauer gesagt Kürzungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel entfernen und die Menschen damit wieder so stellen, wie sie zur Jahrtausendwende standen, wenn sie eine Rente bekommen. Und ich würde drittens – das ist eher längerfristig gedacht – eine solidarische Bürger- oder Erwerbstätigenversicherung einführen, bei der alle Menschen, auch diejenigen, die nicht erwerbstätig sind, einbezogen sind in die Alterssicherung in der Form, dass sie Beiträge zahlen auf Einkommen, das sie zum Beispiel durch Kapitalvermögen haben, von deren Zinsen sie leben. Sie sollten dafür Beiträge zahlen in diese solidarische Bürgerversicherung, alle Einkommensarten sollten erfasst werden: Freiberufler, Selbständige, Beamte, Abgeordnete und Minister sollten einbezogen sein. Auch die Beitragsbemessungsgrenze wäre durchaus diskussionswürdig. Dann hätten wir einen Sozialstaat, der auf einem soliden Fundament ruhen würde. Daraus könnte eine Grundsicherung erfolgen, die den Namen auch wirklich verdient, also nicht nur auf Hartz IV-Niveau, und wir könnten alle Menschen mitnehmen. Dazu müssten wir allerdings eine Gesellschaft haben, die Solidarität und soziales Verantwortungsbewusstsein großschreibt. Und das tut eine Gesellschaft nicht mehr, die in den letzten Jahren stärker von neoliberalen Ideen, Eigenvorsorge, Leistung, Konkurrenz und Markt geprägt ist. Solidarität steht nicht mehr im Vordergrund. Man muss nach dem Sozialstaatsprinzip gucken, wer bedürftig ist, wer einen Bedarf hat, und der muss unterstützt werden. Die Idee, alle über einen
Kamm zu scheren, halte ich für verkehrt. Ich möchte den Bismarckschen Sozialstaat erhalten, verbreitern, auf eine festere Grundlage stellen, aber nicht ersetzen durch ein bedingungsloses Grundeinkommen.
Frage:
Der Wohlfahrtsstaat ist doch eine Staatsform, die eigentlich obsolet geworden ist, er gilt ja als Idealbild des „Vater Staats“, der immer helfend zur Seite steht.
Butterwegge:
Ja, das ist ja auch nötig. Die Menschen werden immer stärker durch den Markt, durch die Globalisierung in soziale Risiken gestürzt, und da muss ein starker Sozialstaat da sein, der sie auffängt und stützt, weil – wir sehen das ja – die Armut breitet sich bis in die Mitte der Gesellschaft aus. Deshalb ist der Sozialstaat wichtiger denn je.
Frage:
Welche Art von sozialem Sprengstoff birgt für Sie das Thema Altersarmut?
Butterwegge:
Das ist die zentrale Frage des kommenden Bundestagswahlkampfes. Auch Fragen der sozialen Gerechtigkeit werden eine große Rolle spielen. Und die Partei, die auf das in Zukunft noch drängendere Problem der Altersarmut hinweist, hat sicher größere Chancen, gewählt zu werden, und deshalb werden sich die Parteien auf die Hinterbeine stellen müssen. Sie müssen mehr liefern als die Konzepte, die bisher existieren: Zuschussrente, Lebensleistungsrente oder auch die Solidarrente der SPD reichen sicherlich nicht aus. Da muss mehr passieren, damit tatsächlich Altersarmut ausgeschlossen werden kann.

*****

PA4 Thema 06-11: Armut

PA4 Thema 06-11: Armut  

Vorbemerkungen und Statements zu PA4-06-11-diskurs - armut Armut Bittere Armut ist nach wie vor die grösste Herausforderung für den überwiegenden Teil der Menschheit, und wir sind weit davon entfernt, eine Grundlage dafür zu haben, jedermann ein Leben unter menschenwürdigen Umständen zu ermöglichen >Fernando Henrique Cardoso Es gibt noch viele Nationen und Völker auf der ganzen Welt, die nicht in der Lage sind, von sich aus die Armut und der Stagnation herauszukommen. Wir sollten das Äusserste tun und die ökonomische Entwicklung dieser Länder zu unterstützen.. Spezialwissen..Umwelt & Bevölkerungsfragen>Tomiichi Murayama
PA4-06-11quellen-armt-gesundheit PA4 - 06-11 Diskurs - Armut - Quellen mit besonderen Augenmerk auf die Folgen für Gesundheit und Lebenswelt

kultur-punkt - Quellen: Suchwort >Armut<

http://archiv.kultur-punkt.ch/buchtipps%2Dgesundheit/allgemein/eichborn7%2D01.htm

http://archiv.kultur-punkt.ch/buchtipps%2Dgesundheit/allgemein/hep2%2D2%2D04.htm

http://archiv.kultur-punkt.ch/buchtipps%2Dgesundheit/hoerbuch/hb%2Dschweitzer11%2D04.htm

http://archiv.kultur-punkt.ch/akademie4/diskurs/pa4%2Daktionsmodell.htm

1

12. Kongress "Armut und Gesundheit"

Präventionen für gesunde Lebenswelten - 'Soziales Kapital' als Investition in Gesundheit

BESSERE GESUNDHEITSCHANCEN FÜR SOZIAL BENACHTEILIGTE

http://www.armut-und-gesundheit.de http://www.gesundheitliche-chancengleichheit.de; http://www.medpoint.ch (Jugendliche)

 

Berlin - Am 1. und 2. Dezember 2006 findet zum zwölften Mal der bundesweite Kongress "Armut und Gesundheit" in Berlin statt. Mehr als 1.500 Teilnehmende aus Wissenschaft, Politik und Praxis werden zur größten Public Health-Veranstaltung in Deutschland erwartet. Der Kongress steht in diesem Jahr unter dem Motto "Präventionen für gesunde Lebenswelten - \'Soziales Kapital\' als Investition in Gesundheit". Der Kongress zeigt Wege auf, wie die Gesundheitschancen von sozial benachteiligten Menschen verbessert werden können. Die Schirmherrschaft haben die Bundesministerin für Gesundheit, Ulla Schmidt, und der Regierende Bürgermeister von Berlin, Klaus Wowereit, übernommen.

 

Wer in Deutschland arm ist, hat ein doppelt so hohes Risiko zu erkranken und eine um bis zu zehn Jahre geringere Lebenserwartung als Menschen mit höherem Einkommen. Was hilft Menschen in schwieriger sozialer Lage, ihre gesundheitliche Situation zu verbessern? Welchen Beitrag leisten dazu Netze von sozialen Beziehungen? Diese Leitfragen werden den Kongress und seine über 60 Foren, Diskussionen und Workshops prägen. Weitere Themen sind Qualitätsentwicklung in der Gesundheitsförderung, Synergien verschiedener Präventionskonzepte und Gesundheit und Globalisierung. Integriert in den Kongress ist das V. Symposium "Migration und Gesundheit" der Charité-Frauenklinik mit dem Schwerpunkt "Psychische Potenziale und Belastungen der Migration".

 

Folgende Themen werden angeboten:

AIDS und Armut

Arbeitslosigkeit und Gesundheit

Behinderung

Betroffenenansatz und Selbsthilfe

Chancen und Barrieren der Teilhabe im Alter

Daten-Ziele-Taten - neue Erkenntnisse aus der Gesundheits- und Sozialberichterstattung

European perspectives in tackling health inqualities

Gender Mainstreaming

Gesundheitsförderung in benachteiligten Stadtteilen

Das Gesunde Städte-Netzwerk: Kommunale Strukturen und deren Einfluss auf die Gesundheitspolitik

Gesundheitsziele

Globalisierung und Gesundheit

Migration und Gesundheit - V. Symposium der Charité-Frauenklinik - Psychische Potenziale und Belastungen der Migration

Organisationsentwicklung in der Gesundheitsförderung                                  

 Patientenorientiertes Gesundheitswesen

Präventionen für Gesunde Lebenswelten

Präventionen und Soziales Kapital in Kinderwelten

Handlungsansätze in der Kinder- und Jugendgesundheit

Qualitäten der Gesundheitsförderung

Sexualität und Teenagerschwangerschaften

Suchtpräventionen - Möglichkeiten und Grenzen

Wohnungslosigkeit und Gesundheit

Forum >>Salutogenese und 20 Jahre Ottawa Charta<<

Posterpräsentationen

Migration und Gesundheit

­­

2

Armut und Gesundheit

 

Der 12. Kongress Armut und Gesundheit stellt eine Fortführung der vorangegangenen Kongresse dar und greift aktuelle sozialpolitische und gesundheitswissenschaftliche Themen auf. Zentraler Gegenstand ist die Frage, wie die Gesundheitschancen von sozial benachteiligten Menschen nachhaltig gestärkt werden können.

Hinter der Entwicklung von Strukturen für Gesundheitsförderung und Prävention steht weiterhin als wesentliches Ziel der Abbau der Ungleichheit von Gesundheitschancen. Nach wie vor gilt: Eine grundlegende Voraussetzung für das Gelingen gesundheitsfördernden Handelns ist die Befähigung der Menschen zur Selbstbestimmung und Einflussnahme auf ihre eigene Gesundheit und deren Determinanten. Das gilt auch und vor allem für sozial benachteiligte Menschen. Besondere Bedeutung wird dabei den sozialen Aspekten beigemessen: Soziale Netzwerke in der Nachbarschaft, Partizipation im Betrieb oder Bildungsangebote im Kiez tragen dazu bei, soziale Beziehungen so zu gestalten, dass sie eine gesundheitsfördernde Wirkung entfalten. Bekannt sind auch die negativen Folgen fehlender sozialer Ressourcen: Angst, Misstrauen, Gewalt und soziale Isolation wirken als Stressoren und Belastungen. Seit Längerem werden diese komplexen Zusammenhänge unter dem Begriff des Sozialen Kapitals diskutiert. Dabei geht es um die soziale Vernetzung der Menschen mit dem Ziel, gemeinsame Wertvorstellungen, Überzeugungen und Regeln zu entwickeln, zu teilen und zu leben. Denn Integration und Teilhabe an gesellschaftlichen Strukturen sind zentrale Ressourcen für Gesundheit und Wohlbefinden. Der Aufbau und die Unterstützung dieser sozialen Netzwerke ist daher auch eine Investition in die Gesundheit.

­­­

3

Soziales Kapital

Es geht unter anderem um die Frage, wie das Konzept des Sozialen Kapitals für die Praxis der Gesundheitsförderung nutzbar gemacht werden kann. Wie kann dieses „Soziale Kapital“ in den Lebenswelten der Menschen aufgebaut werden? Welche Möglichkeiten, Ansätze und Strategien gibt es? Welchen Beitrag können Gesundheitsförderung und Prävention leisten? Ist die Reduzierung gesundheitlicher Ungleichheiten möglich und wie? Wie messen wir, dass wir bevölkerungsweit einen Zuwachs gesundheitlicher Chancengleichheit erreicht haben? Wonach beurteilen wir, ob wir auf dem richtigen Weg sind?

Präventionskonzepte aus der Bildungs- und Sozialarbeit, der Gewalt- und Suchtprävention werden auf ihre Strategien, Ziele und Anwendbarkeit auf die Gesundheitsförderung geprüft. Mit welchen anderen Präventionsbereichen wie etwa der Gewaltprävention oder Anti-Diskriminierungsarbeit sind gemeinsame Strategien sinnvoll? Was kann Gesundheitsförderung aus den Konzepten lernen und welche Synergieeffekte gibt es? Und es geht auch um die Anschlussfähigkeit: Wie kann eine sinnvolle Verbindung verschiedener Präventionsansätze mit dem Ziel der Schaffung gesunder Lebenswelten gelingen und welche Akteure sollten dafür verstärkt kooperieren? In welchen Programmen findet das Konzept des sozialen Kapitals Berücksichtigung? Und ist es politikfähig?

Neben der Diskussion dieser Fragen werden auf dem 12. Kongress Armut und Gesundheit in großer thematischer Breite aktuelle Debatten, Lösungsansätze und Strategien zum Abbau gesundheitlicher Ungleichheit bzw. ungleicher Gesundheitschancen in verschiedenen Lebenslagen und Lebenswelten aufgezeigt.

­­­­

4

Lebensbegleitendes Handeln

heißt auch, Benachteiligte zu unterstützen. Zehn vorbildliche Projekte wurden in dieser Woche vom "Rat für Nachhaltige Entwicklung" im Rahmen der Bundesaktion "Bürger initiieren Lebensbegleitendes Handeln (Nachhaltigkeit / BIN)" ausgezeichnet. Darunter sind zwei Projekte, die sich ausdrücklich an sozial benachteiligte Bevölkerungsgruppen richten.

Das Projekt "Familienpatenschaften" des Caritasverbands für die Region Krefeld e.V. plant den Aufbau eines neuen Netzwerks. Dort, wo es an generationsübergreifenden Beziehungen fehlt, erhalten insbesondere (sozialschwache) Einelternfamilien eine Unterstützung durch Paten, um Überforderungssituationen im Spagat zwischen Kinderbetreuung und beruflichen Notwendigkeiten zu mindern.

Das Projekt "Integrationswohnstatt" der HABITAT Wohngenossenschaft e.G., Berlin, plant den Aufbau und die Stabilisierung eines Netzwerks von Ansprechpartnern in so genannten benachteiligten Quartieren im Berliner Wedding. Migrant/innen sollen aktiviert werden, eine "Interkulturelle Interessensgemeinschaft für nachbarschaftliches Wohnen" zu bilden.

Die zehn Preisträger kommen aus Berlin, Chemnitz, Dresden, Erfurt, Krefeld, Leipzig, Magdeburg, München, Nürnberg, Ratzeburg, Stadt Wehlen/Landkreis Sächsische Schweiz.

An dem inhaltlich vom Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) betreuten Wettbewerb können sich Bürgerinnen und Bürger beteiligen, die in ihrer Stadt, Gemeinde oder Region vorbildliche Beiträge zur lokalen Nachhaltigkeit leisten. Der von der Bundesregierung erstmals im Mai 2005 ausgelobte Wettbewerb geht auf eine Initiative des Nachhaltigkeitsrates zurück. Die Projektförderung erfolgt über das Rahmenprogramm "Forschung für Nachhaltigkeit" aus Mitteln des Bundesministeriums für Bildung und Forschung. 184 Projekte aus dem gesamten Bundesgebiet hatten sich für die zweite Ausschreibungsrunde beworben

­­­­­

5

Frauen von "Armutsfalle Pflege" besonders bedroht -

Lebenserwartung und Pflegerisiko steigen stetig an - Finanzierung droht Seniorinnen zu überfordern

mailto:Presse@DeutscherRing.de 08.2006 , Deutscher Ring  Hamburg (ots) -

 

Wegen ihrer hohen Lebenserwartung nehmen Frauen

Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung doppelt so häufig in

Anspruch wie Männer. Gleichzeitig ist die Rente von Frauen im

Durchschnitt um 20 Prozent geringer als bei Männern. Deshalb sind

gerade Frauen von der Armutsfalle Pflege besonders betroffen. Das ist

das Ergebnis der Studie "Armutsfalle Pflege" des Versicherers

Deutscher Ring.

 

Ein längeres Leben und ein niedrigeres Einkommen erhöhen das Risiko

 

   Die hohe Lebenserwartung von Frauen sowie das im Vergleich zu

Männern niedrigere Einkommen verursachen die ungleiche Risikolage.

50-Jährige werden im Durchschnitt vier Jahre älter als Männer. Da mit

dem höheren Lebensalter auch die Pflegewahrscheinlichkeit steigt,

sind gerade Frauen überproportional oft vom Pflegerisiko betroffen.

Zudem haben allein stehende Seniorinnen im Vergleich zu den Männern

der gleichen Altersgruppe 20 Prozent weniger Einkommen. Die Folge:

Die Familie oder das Sozialamt müssen öfter einspringen, weil das

Einkommen oder Vermögen nicht ausreicht, um den Eigenanteil an den

Pflegekosten zu bezahlen.

 

Frauen nehmen Pflegeleistungen länger in Anspruch

 

   Die Tatsache, dass Frauen im Durchschnitt eine höhere

Lebenserwartung haben als Männer, sorgt zudem dafür, dass sich die

kostenintensive Pflegedauer verlängert. Müssen Frauen stationär

gepflegt werden, bleiben sie in der Regel für einen längeren Zeitraum

in einer entsprechenden Einrichtung. Seniorinnen entstehen somit bei

längerer stationärer Verweildauer höhere Kosten.

 

   Für Frauen gilt also noch mehr als für Männer die Faustregel: Je

früher sie sich gegen das Pflegerisiko absichern, desto weniger

müssen sie später selbst für die Pflege aufbringen. Die marode

Finanzsituation der staatlichen Pflegekassen sowie die

fortschreitende Alterung der Bevölkerung werden dafür sorgen, dass

das Thema "Private Absicherung" stärker in den Vordergrund rückt.

Der Deutsche Ring hat beispielsweise seine neue

Pflegerentenversicherung speziell auf ältere Menschen zugeschnitten.

Die Police kann jeder im Alter zwischen 40 und 75 Jahren abschließen.

Die Vorteile des Modells sind vielfältig. Die Beiträge sind stabil

und entfallen bei Pflegebedürftigkeit. Die Zahlungen können entweder

einmalig oder fortlaufend geleistet werden. Preisbeispiel: Für 1.000

Euro monatlicher Pflegerente im Modell Komfort zahlt ein 50jähriger

Mann einen Monatsbeitrag von 40,42 Euro, eine gleichaltrige Frau für

das Modell Elementar 36,65 Euro.

 

­­­­­­

6

Zukunftschancen für Kinder

Wirkung von Armut bis zum Ende der Grundschulzeit, Zusammenfassung des Endberichts der 3. Phase der AWO-ISS-Studie (2005), Gerda Holz, Antje Richter, Werner Wüstendörfer, Dietrich Giering, AWO Bundesverband e.V. Verlag.

Inhalt:

Abhängig von der Armutsdefinition leben in Deutschland 13 bis 19 Prozent der Kinder und Jugendlichen in relativer Armut. In einem 1997 begonnenen Forschungszusammenhang "Kinderarmut und deren Folgen" befragte das Institut für Sozialarbeit und Sozialpädagogik (ISS-Frankfurt) 1999 knapp 900 Kinder am Ende der Kindergartenzeit zu ihrer sozialen Lage, zu Armutsfolgen und Bewältigungsstrategien. Im Rahmen einer Wiederholungsbefragung bis Mitte 2004 konnten 500 Kinder nochmals befragt werden. Die Situation armer Kinder wurde erstmalig im Längs- wie auch im Querschnitt betrachtet. Einer der Schwerpunkte der Studie liegt auf dem Thema Resilienz (Widerstandskraft gegenüber gesundheitsbelastenden Einflüssen), was sowohl qualitativ, wie auch quantitativ untersucht wurde.

Zu den zentralen Ergebnissen der Untersuchung gehört, dass arme Kinder nicht nur materiell benachteiligt sind, sondern auch soziale Ausgrenzung erfahren, oftmals überforderte Eltern erleben und über weniger entwickelte Bewältigungsstrategien verfügen. Auch zeigt sich der vielfach diskutierte Zusammenhang zwischen Armut und schlechten Bildungschancen.

 

­­­­­ ­­

7

Minderung der Ungleichheit von Kindern

Andreas Mielck/Hilary Graham/Sven Bremberg 2002: in: Johann P. Mackenbach/Martijntje Bakker (Hrsg.): Reducing Inequalities in Health: A European Perspective, London/New York 2002, 144 - 168


Inhalt:

Wie kann sozioökonomisch bedingte gesundheitliche Ungleichheit bei Kindern vermindert werden? Andreas Mielck et al. vergleichen in ihrer Studie in Westeuropa durchgeführte Interventionsmaßnahmen, die auf die Verringerung gesundheitlicher Ungleichheit abzielen. Obgleich sich die Gesundheitslage von Kindern in Europa während der letzten 100 Jahre deutlich verbessert hat, herrscht noch immer eine ausgeprägte soziökonomische Ungleichheit und damit auch eine gesundheitliche Ungleichheit bei Kindern. Mielck et al. definieren Kinderarmut als den Anteil an Kindern, die in Haushalten mit einem Einkommen von weniger als der Hälfte des Durchschnittseinkommens aufwachsen. Während in Norwegen und Schweden weniger als 4 Prozent der Kinder von Kinderarmut betroffen sind, liegt der Anteil im Vereinigten Königreich bei cirka 20 Prozent. Deutschland verzeichnet in den letzten Jahren einen drastischen Anstieg der Kinderarmut. Ein in Deutschland 1994 durchgeführter Survey belegt, dass die Prävalenz physischer und psychischer Erkrankungen in den unteren sozialen Schichten bis zu 16-mal höher ist als in den oberen Schichten. Mielck et al. zeigen dabei auf, dass schlechte sozioökonomische Lebensumstände mit ungünstigen Verhaltensmustern bei Jugendlichen einhergehen und untersuchen grundlegende Strategien zum Abbau gesundheitlicher Chancenungleichheit.

 

­­­­­ ­­­

8

Ungleichheit bei Jugendlichen

Ein weiteres Ergebnis ist, dass es Lehrlingen psychisch und physisch schlechter geht als Schülerinnen und Schülern und erstere auch mehr Drogen konsumieren.

Nähere Informationen finden Sie auf: www.medpoint.ch

------------

Gesundheitsrisiken sozial benachteiligter Kinder und Jugendlicher. Stadtteilorientierte Strategien auf dem Gebiet der Unfallprävention im Kindes- und Jugendalter stellt Ellsäßer in ihrem Beitrag vor. Kolip beschäftigt sich schließlich aus der Geschlechterperspektive mit gesundheitsrelevantem Verhalten im Jugendalter. In den weiteren Beiträgen werden die Ergebnisse der Arbeitsgruppen zu stadtteilorientierten Strategien der Gesundheitsförderung dargestellt. Die Arbeitsgruppen greifen u.a. Themen wie die besondere Lage von Kindern aus Migrantenfamilien, die sexualpädagogische Arbeit sowie das Wechselspiel von Ernährung, Bewegung und Stressregulation im Jugendalter auf.

 

­­­­­ ­­­­

9

Gesundheitsförderung für sozial Benachteiligte

Aufbau einer Internetplattform zur Stärkung der Vernetzung der Akteure (2003), Hrsg. Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA): Forschung und Praxis der Gesundheitsförderung, Band 22.

mit Beiträgen von Andreas Mielck, Thomas Altgeld, Barbara Leykamm, Raimund Geene, Elisabeth Pott, Frank Lehmann u.a.

Inhalt:

Auch für Deutschland ist nachgewiesen, dass sozial benachteiligte Menschen eine niedrigere Lebenserwartung und eine höhere Krankheitshäufigkeit haben. Mielck erläutert in seinem Artikel, welche Bevölkerungsgruppen besonders betroffen sind und wodurch dies belegt werden kann. Altgeld und Leykamm beschreiben die Akteure und Strukturen mit Schwerpunkt auf der Länderebene. Geene zeichnet die Geschichte der bundesweiten Plattform für den Austausch zwischen den Akteuren nach: den jährlichen Kongress „Armut und Gesundheit“ in Berlin. Im Artikel von Pott und Lehmann wird der Aufbau eines wirksamen Interventionskonzepts zur Gesundheitsförderung bei sozial benachteiligten Gruppen am Beispiel von Kindern und Jugendlichen erläutert. Mit dem Aufbau und weiteren Ausbau einer „lebendigen Datenbank“, die mit Stand Oktober 2003 einen Zugriff auf ca. 2600 Projekte und Maßnahmen der Gesundheitsförderung für sozial Benachteiligte ermöglicht (beschrieben im Artikel von Kilian et al.), soll der Transfer von Praxiserfahrungen und die Vernetzung für die Akteure erleichtert werden.

­­­­­ ­­­­­

10

SWR2 Forum

Donnerstag, 19. Oktober 2006, 17.05 Uhr

Das Netzwerk der Armut -

Politiker entdecken die Unterschicht

Es diskutierten:

Prof. Claus Leggewie, Politikwissenschaftler, Universität Gießen;

Dr. Gabor Steingart,"Der Spiegel", Autor des Buches "Weltkrieg um Wohlstand - Wie Macht und Reichtum neu verteilt werden";

Prof. Christoph Butterwegge, Politikwissenschaftler, Universität Köln;

Moderation: Burkhard Müller-Ullrich

Manche sperren sich noch gegen den Gebrauch des Wortes "Unterschicht", andere schlagen mit dem Begriff Alarm für die Demokratie schlechthin. An dem Phänomen kommt aber niemand mehr vorbei: Deutschland verarmt und verelendet in bedenklichem Ausmaß. Eine Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung malte jetzt die Flammenschrift von "acht Prozent" an die Wand, und plötzlich kommt ein überfälliger politischer Diskurs in Gang: Was passiert mit den "strukturell Überflüssigen"? Was passiert mit einer gesellschaftlichen Schicht, der es nicht nur an Geld, sondern auch an Lebenssinn dramatisch mangelt? Und was passiert, wenn nichts passiert?

Buchtipp:

Gabor Steingart:

Weltkrieg um Wohlstand - Wie Macht und Reichtum neu verteilt werden

Piper Verlag 2006, EUR 19,90

------------- W+B Agentur-Presseaussendung: A, D, CH, Juli 2001 und im Internet-Journal<www.kultur-punkt.ch

<<Armut zwingt zur Selbstvernichtung - in einer Gesellschaft von Pseudo-Normalen>>

Buchbesprechung

<<Gabriele Goettle: Die Ärmsten>>

Wahre Geschichten aus dem arbeitslosen Leben

Mit Fotografien von Elisabeth Kmölniger

 

Eichborn Verlag, DIE ANDERE BIBLIOTHEK Frankfurt am Main ; 398 S.; (limitierte Erstausgabe in Leder, 999 Exemplare); nummerierte Auflage, Hardcover mit Prägedruck; Fadenbindung mit Lese-faden.

 

Gabriele Goettle, 55, lebt in Berlin und arbeitet als freie Journalistin für die tageszeitung und wurde mit  Literaturpreisen gewürdigt.

Elisabeth Kmölniger versteht es in ihren s/w-Fotografien mit der arte-povera-Technik in ihrer spezifischen Detailtechnik und geometrisch-trainierten Sichtweise die Struktur der Grauamkeit und aussichtlose Einsamkeit ins Bild zu binden. Sie erinnert uns assoziativ an den italienischen Neoverismo und das einstmaligeMagazin Skema, auch an die frühen Reportagen von Zoltan Nagy für Umweltdesign, der in Rom arbeitet.

Goettle schaut den Berlinern aufs Maul und hat selbst eine klare Schreibe, das dem Literarischen sehr gut tut. Manchmal sogar leuchtet bei Goettle, in ihrem Alltagsblick auf die Armut, die Brisanz und Präsenz eines Josef Roth auf, der ja auch zwei Generationen zuvor, gleicher-massen journalistisch tätig war.

Drei Jahre hat sie sich mit dem Fänomen Armut in Berlin beschäftigt. Sie recherchiert in verschiedene Wohnvierteln und Treffpunkten von Bedürftigen. "Auf den Fluren der Sozial- und Arbeitsämter, in den Wärmestuben und Nachtasylen kommen die wiedersprüchlisten Geschichten der Sprache. Tragikomische Situationen, atemberaubende Persön-lichkeiten, unerwartete Handlungen werden dafür sorgen, dass diese Geschichten nicht langweilig werden",äussert sie sich selbst zu ihrer Arbeit und nicht von ungefähr wird dies von der Verlagskollegin Sabine Ewald gleichfalls in ihrem Pressetext aufgegriffen und zitiert.

Goettle kommt in ihrer Bilanz zum Begriff Parallelgesellschaft: In den Suppenküchen, Wärme-stuben, den Kirchengemeinden und Wohlfahrts-verbänden, die karitative Leistungen erbringen trifft sie auf die Armen, die offen, schonungslos und zugleich eine berührende Hilflosigkeit aufzeigen.

So kommt sie zum Schluss: Abnorm sind die Sozialbürokraten und normal die Armen in ihrer aussichtsarmen Existenz. Doppelt arm, weil unsichtbar treten die Armen auf - durch ihre zweite Haut aus zweiter Hand, gut betucht, sind sie kaum zu unterscheiden vom anormalen Bürger und Spazier-gänger.

Fazit: Armut zwingt zur Selbstvernichtung in einer Gesellschaft von Pseudo-Normalen. _____-_____________________________________ PA4 06-11 armut- erste statements (virtuelle Beiträge)

PA4-Diskurs: Armut 06-11 Fragen, Statements..

1

----- Original Message ----- From: Peter Dieckmann To: Kultur-Punkt

Sent: Monday, November 06, 2006 6:04 PM Subject: Re: PA4-Einladung zum Thema : Armut

Hi Walter,

vielen Dank für deine Einladung. Für mich besteht die grundsätzliche Frage, wie ich denn in ein/das Thema einsteigen soll? Für mich gibt es keine Anhaltspunkte. Bin sozusagen Haltlos. Vielleicht kannst du mir einen Einstieg raten?

Lieber Peter,

1

die grundsätzliche Frage, wie Du denn in ein/das Thema einsteigen sollst:

a

Du bist durch diese Frage zum Thema bereits in der Höhle von Platon,,,

b

es gibt 3 Treppen (Spalten) in der Denktafel im Diskursbild.

links: der vernunftgelenkte Einstiege : wo bin ich gerade auf welcher Etappe...

mitte: auf welcher Stufe der Höhle befinde ich mich...

rechts: der empfindungsbestimmte Einstieg : in welcher Gefühlshöhe befinde ich mich...

-------------------------------------------------------------------------------

2

Liebe Prankls,

danke wieder einmal für die Nachrichten – ich bin beeindruckt über die Wahl der Themen und Vorbereitung.

Mir geht es halbwegs gut, kleine Ärgerlichkeiten und hie und da doch auch große Freuden.

Ein schöner Herbst, Angst vor dem Winter.

Hier gab und gibt es eine Unzahl von Designveranstaltungen, immer wieder das Gleiche, Schlagworte- mich interessiert es immer weniger. Ich halte mich lieber an die Kunst.

Alles Gute L.Blauensteiner..

--------------------------------------------------------------------------------------

 ----- Original Message ----- From: Dietlinde Rakowitz To: Kultur-Punkt  Sent: Thursday, November 09, 2006 8:00 AM

Subject: Re: PA4 - Zum Prozedere _ Vorgehensweise unseres Denkens und das ZusammenSein als Diskursoffene

Sehr interessant ! In Eile -! Eure Dietlind und Friedrich und Familie

Armut ist keine Sackgasse . Mitten in Deutschland - Mitten in Berlin

armut10-6berlin

<< blu:boks Berlin '10-6: Armut ist keine Sackgasse . Mitten in Deutschland - Mitten in Berlin >>

Torsten Hebel, Möllendorffstraße 66-67,10367 Berlin; info@bluboksberlin.de; www.bluboksberlin.de;    
Laurent Schüller c/o medienwesen Kommunikation, Hermannstraße 43, 40233 Düsseldorf;
dialog@medienwesen.de;  www.medienwesen.de; schueller@medienwesen.de;

Das sozial-kulturelle Projekt „blu:boks“ ist genau da aktiv, wo Kinder weit unter der Armutsgrenze leben.
Nachdem vor kurzem das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung seine neue Studie zur Vermögens- und Einkommensverteilung in Deutschland veröffentlichte, herrscht Besorgnis. Die Schere zwischen Arm und Reich geht immer weiter auseinander. Wirtschaftskrise und strukturelle Probleme verschlimmern die Situation.
Auch die Bertelsmann-Stiftung beschreibt in ihrem Ländervergleich die Situation in den einzelnen Regionen Deutschlands. Dabei schnitt gerade die Bundeshauptstadt besonders schlecht ab. Mit insgesamt 20 Prozent der Bevölkerung, die auf staatliche Hilfe angewiesen sind, bildet Berlin hier das Schlusslicht.
Vor allem in sozial schwierigen Stadtteilen spiegelt sich das Bild von finanzieller Armut wieder. Soziale Spannung bleiben über kurz oder lang nicht aus. Bezirke wie Berlin Marzahn oder Lichtenberg gelten schon seit jeher als Brennpunkte. Doch die Hoffnung ist nicht verloren, wenn es nach der Ansicht von Torsten Hebel und seinem sozialen Projekt blu:boks Berlin geht.
Die Einrichtung in der Lichtenberger Region Fennpfuhl richtet sich an Kinder und Jugendliche aus der „Berliner Platte“. Eben jener, die in dem Umfeld hoher Arbeits- und Perspektivlosigkeit aufwachsen. Die Plattenbau-Siedlungen bieten jungen Menschen kaum eine Möglichkeit aus dem Teufelskreis von sozialem Abstieg auszubrechen.
In enger Zusammenarbeit mit Jugendbeauftragten von Berlin Lichtenberg gründete Hebel 2009 mitten in dem Problemviertel die blu:boks. Ein Angebot für die Kinder, dass bis dahin so dringend benötigt wurde und niemand erkannte. Mit über 20 Mitarbeitern wird den jungen Berlinern die Chance geboten, sich selbst mit ihren Talenten und Begabungen in diverse Projekte einzubringen. In den Bereichen Musik, Tanz und Schauspiel soll den Kindern Selbstwertgefühl und eine Perspektive vermittelt werden.
Mit dem neuen Spenden-Aufruf „Hoffnung schenken“, sucht die blu:boks Berlin nun nach Paten, die daran mitwirken, die Projekte für die Kinder Wirklichkeit werden zu lassen. „Wir brauchen die Hilfe eines jeden einzelnen! Jede Patenschaft, die übernommen wird, bedeutet für die Kids ein weiterer Schritt aus den sozialen Brennpunkten heraus!“ erklärt Hebel. Insgesamt werden mindestens 350 Patenschaften benötigt.
Für die kommenden Monate ist viel geplant. Neben dem Umzug in größere Räume für das Tagesangebot, konzentrieren sich alle auf die gemeinsame Produktion an einer großen Theaterbühne in Berlin. „Das ist nicht nur für uns eine tolle Erfahrung! Die Kinder – viele sind ganz neu dabei – spüren zum ersten Mal, was es heißt eine Rolle zu spielen!“ Das alles fordert Kraft und Ressourcen. „Doch wenn man sieht, wozu diese Kinder aus den sozial benachteiligsten Vierteln Berlins in der Lage sind, macht das jede Mühe wieder wett!“
Wer sich für die Arbeit und die Projekte der blu:boks Berlin interessiert, oder eine Patenschaft übernehmen möchte findet unter www.bluboksberlin.de alles Wissenswerte.

*
Über die blu:boks Berlin:
Die [´blu:boks] BERLIN ist ein sozial-kulturelles Projekt mit Sitz in Berlin-Lichtenberg. Die Idee ist es die künstlerischen Begabungen von Kindern und Jugendlichen im Stadtteil Fennpfuhl zu suchen, finden und zu fördern. Zentrum der Arbeit ist die Projektarbeit, die eine große Aufführung an einem Berliner Theater zum Ziel hat. Profis aus den Bereichen Theater, Musik, Tanz und Film arbeiten für neun Monate mit den Kids und Jugendlichen und bringen zusammen mit ihnen eine professionelle Produktion auf die Bühne. Darüber hinaus werden die Teilnehmenden von Mitarbeitern im täglichen Leben betreut und begleitet. Alle Angebote zielen darauf ab, das Selbstwertgefühl dieser jungen Generation zu fördern und zu entwickeln. Die [´blu:boks] BERLIN wurde von Initiator Torsten Hebel am 1. Januar 2009 gegründet und ist an das Blaue Kreuz in Deutschland angeschlossen.