Diskurs II Spiel mit Anderen
PA4-15-Welt und/oder Spiel I - III
Diskurs II Spiel mit Anderen
II Juli/August 2015: Spiel mit dem/der & die / Anderen & mit mir
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II H. Heere: Verwandlungs- und Trugbilder
-dp-15-4spiele-II
H. Heere: Kunst- & Weltspiele
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II
METAMORPHOSEN-SPIELEV
Cuncta fluunt, omnisque vagans formatur imago.
Alles ist im Fluss, und jedes Bild wird gestaltet, während es vorübergeht.
Ovid, Metamorphosen, 15.178
Das reine Werden, das Grenzenlose bildet den Stoff des Trugbildes, insofern es sich der Aktion der Idee entzieht, insofern es zugleich sowohl das Urbild als auch das Abbild zurückweist.
Gilles Deleuze, Logik des Sinns, S. 16
Trivial, festzustellen, dass sich alles wandelt. Aber dennoch ist es längst nicht ausgemacht, dass wir wirklich ein „ewiges Werden“ uns vorstellen können. Wenn wir nämlich dieses un-aufhaltsame Werden wiederum als festes Prinzip denken, befinden wir uns in einem unauflös-baren Widerspruch. Der Wandel kann eben nicht beständig sein. Bilder sind nicht nur faktisch und symbolisch, sondern beinhalten einen kulturellen Hintergrund, der sie prägte und den sie prägten, Sie vermitteln einen Lebenszusammenhang, der immer in die Vergangenheit als ein entstandener und in die Zukunft als ein möglicher verweist.
Weltauslegung
Metamorphose ist Weltauslegung. Auslegung heißt jedoch nicht Reduzierung auf allgemein begreifbare und plausible Zusammenhänge, sondern vielmehr Aufzeigen des Irreduzierbaren, des Rätselhaften und damit Beunruhigenden. Das bedeutet nicht Verdunkeln, Verunklären oder Hinein-Geheimnissen, sondern im Gegenteil ein Klären, ja sogar Verklären dieser Rät-selhaftigkeit.
Die Auslegungen sind nicht beliebig. Auch der Künstler kann – im Gegensatz zu einem geläu-figen Vorurteil – nicht machen, was er will. Und dennoch, fasst man den Willen als überge-ordnet, nicht bloß im Sinne purer Willkür, so ist dieser in einem schwer fassbaren und Sinne der Persönlichkeit zugeordnet (also keine metaphysische Wesenheit, wie bei Schopenhauer). Die Kunst legt nicht nur die Welt aus, sondern schafft auch – Welten. Aber möglicherweise auch im Blickfeld des Betrachters. So entsteht ein Dialog – nicht über Farben und Formen, über Linien und Flächen (darüber vielleicht auch), sondern über „Lebenswelten“. Und über Natur: einerseits über die Natur außerhalb von uns, aber auch über uns selbst, die wir auch „Natur“ sind.
Lust des Werdens
Nietzsche hat besonders auf „die ewige Lust des Werdens“ hingewiesen, die, über die aristo-telische Katharsis hinaus, ein „Ja-Sagen zum Leben selbst noch in seinen fremdesten uns här-testen Problemen“ beinhalte. Uns heutigen mag die Lust daran vergangen sein. Wir sollten uns eher mit Problem-Lösungen beschäftigen. Doch solche Lösungen, wie sie ja auch der Künstler – und insbesondere der Collagist – anstrebt, bringen neben Arbeit auch eine gewisse „Lust des Werdens“ mit sich und ich möchte diesen libidinösen Anteil nicht gering schätzen.
Gilles Deleuze hat diese „ewige Lust des Werdens“ vor allem im „Wunderland“ von Alice „hinter den Spiegeln“ aufgespürt . Auch mich hat die famose Alice – zusammen mit Goyas Capriccios ––zu collagistischen Arbeiten angeregt.
Bilder sind auch Texte, aber insofern anders, als bei Bildern immer alles simultan erfasst wer-den kann. Daraus resultiert eine Gleichzeitigkeit des Werdens, die „die Trennung von Vorher und Nachher, von Vergangenheit und Zukunft“ ignoriert.
Deleuze leitet daraus das Paradox „des Wesens des Werdens, in beide zeitliche Richtungen gleichzeitig zu verlaufen“, ab, das jedem „gesunden Menschenverstand“ widerspreche. Nun wird es im Hinblick auf die Bilder deutlich: Die Metamorphosen lösen Identitäten auf, bilden neue, temporäre und zerstören diese wieder. Man kann deshalb nicht mehr von einem irgend-wie feststehenden, eigentlichen Substrat sprechen, das eben in vielerlei Gestalt erscheint. Da-mit ist aber auch die für das Denken des Westens konstitutive Unterscheidung von Schein und Sein hinfällig, ein Fall, der Nietzsche immer wieder beschäftigte.
II
Trugbild (Simulakrum)
Wir verdanken Deleuze die Erörterung der grundlegenden Differenz zwischen Ur-bild/Ebenbild und Trugbild/Simulakrum. Er zeigt, dass die folgenreiche Abwertung der bild-nerischen Kunst durch Platon sich nur auf das Trugbild (phantasma) und nicht auf das Ab- oder Ebenbild (eidos), die die Idee oder das Urbild repräsentieren, bezieht. Dem Trugbild gelten Platons negative Bestimmungen: Abbild eines Abbildes, unsicheres, vages, phantasti-sches Gaukelspiel, das den Menschen verwirrt und ihn, so Platon, von seinem Ziel, dem abso-lut Guten, abzubringen versucht. Somit handelt es sich bei dieser Unterscheidung um „zwei Lesarten der Welt. Die erste definiert exakt die Welt der Abbilder oder Repräsentationen; sie setzt die Welt als Ikone. Die Zweite definiert dagegen die Welt der Trugbilder. Sie setzt die Welt selbst als Phantasma.“
Während in der platonischen Welt die Unterscheidung Wesen – Erscheinung zentral ist, geht es in der Welt der Trugbilder (Simulakren), die für die Moderne konstitutiv ist, um die Gleichwertigkeit bzw. Nicht-Unterscheidbarkeit von Original und Abbild, von Modell und Repräsentation. Die neue Identität ist eine der Serien und der Ähnlichkeit. In ihr gibt es eine Identität der Differenz und damit der Simulation. Letztere kann weder als Schein noch als Illusion bezeichnet werden. Die Simulation ist das Phantasma (Trugbild, Simulakrum) selbst. Sie funktioniert als „dionysische Maschine“.
Bezogen auf die platonische Welt mit dem Höhlengleichnis als ihrem Erkenntnis-Paradigma könnte man sich mit Nietzsche fragen, ob nicht hinter jeder Höhle eine noch tiefere liege, lie-gen müsse – eine umfänglichere, fremdere, reichere Welt über einer Oberfläche, ein Abgrund hinter jedem Grunde, unter jeder Begründung. Statt Hierarchien also Faltungen, Schichtun-gen, Reihungen, Differenzen, „Rhizome“, Netze, „Schäume“, Collagierungen…Hinter jeder Maske gibt es noch eine weitere.
Im Hinblick auf die Macht des Trugbildes muss die Moderne vielschichtig, komplex und vor allem selbst als Paradox begriffen werden. Muss man um jeden Preis „modern sein“ – wie es apodiktisch von Rimbaud gefordert wurde? Oder geht es geht vielmehr um das, was Nietz-sche „das Unzeitgemäße“ genannt hat, nicht im Sinne der diversen Neo-Konservatismen, son-dern um Trugbilder, die, an die Spitze getrieben, wieder zur „Natur“ werden und umgekehrt?
Auch Natur hat kein unveränderliches Sein. Stattdessen „dieses und jenes: Abwechslungen und Verflechtungen, Ähnlichkeiten und Differenzen, Anziehungen und Zerstreuungen, Nuan-cen und Schroffheiten“. Die Natur ist ein „Harlekinmantel“ mit Lücken und Vollständigkei-ten, mit Dasein und Nichtsein, eine Summe von Unteilbarkeiten.
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