Ernesto Laclau, Chantal Mouffe : Hegemonie und radikale Demokratie . Zur Dekonstruktion des Marxismus

Diskurs PA4
Hegemonie & radikale Demokratie
-dp-passagen15-12hegemonie-demokratie


Online-Publikation: Dezember 2015 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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Herausgegeben von Michael Hintz, Gerd Vorwallner . Übersetzt von Michael Hintz, Gerd Vorwallner
Reihe Philosophie: 256 Seiten, Broschur;235 x 155 mm, 256 Seiten, Broschur; ISBN 9783709201794; 30,70 EUR
Passagen Verlag > 25 Jahre*, Wien; http://www.passagen.at

Charakteristika
Topoi
-Dekonstruktion | Demokratie Marxismus | Sozialismus
-Protagonisten
 Foucault, Michel | Gramsci, Antonio | Lefort, Claude

Inhalt
Spätestens seit dem Zusammenbruch des ‚realen Sozialismus‘ sind demokratietheoretische Fragestellungen zu einem zentralen Feld der Politischen Philosophie geworden. Laclau und Mouffe spüren hier einer – wenn nicht der – entscheidenden Leerstelle linker, marxistischer Theoriebildung nach.
Über eine Dekonstruktion des Marxismus, vornehmlich der II. und III. Internationalen, öffnen die Autoren den Blick für eine anti-essentialistische Konzeption des Sozialen. Dabei führt ihre Radikalisierung von Gramscis Überlegungen zur Hegemonie und ihre Verknüpfung mit Foucaults Diskursanalytik und Leforts libertärer Politikkonzeption zu einer neuen Artikulation von postindividualistischem Liberalismus, radikaler und pluraler Demokratie sowie nicht-totalitärem Sozialismus. Dieses Buch stellt – mittlerweile in der fünften Auflage – einen unverzichtbaren Beitrag zur Herausbildung einer neuen Politik der Linken dar.

AutorInteam
Ernesto Laclau,
geboren 1935 in Buenos Aires, ist Professor für Politik an der University of Essex.
https://de.wikipedia.org/wiki/Ernesto_Laclau
Chantal Mouffe,
geboren 1943 in Baulet/Belgien, lehrt Philosophie an der City University of London.Charakteristia https://de.wikipedia.org/wiki/Chantal_Mouffe


Fazit
Das AutorInteam Ernesto Laclau und Chantal Mouffe haben sich in ihrem Diskursbuch mit den Topoi "Hegemonie und radikale Demokratie" und damit die Dekonstruktion des Marxismus erhellend herausgearbeitet.
Sie entwickeln mit ihrer panoramatischen Blickanalyse zu Ideologiekritik, Dekonstruktion und Wahrheit (1) zwischen  Rosa Luxemburg (2) und Antonio Gramsci (3) eine Genealogie dieses Begriffstopos Dabei bemerken sie messerscharf das schwierige Auftauchen einer neuen politschen Logik, jenseits der Positivität des Sozialen. So resümieren sie Hegemonie (3a-c) und radikale Demokratie als eine mögliche Alternative für eine neue Linke. Dabei  stützen sich Laclau und Mouffe auf ihre erkannte 'Kontingenz und Ambiguität jedes Wesens', wobei Ordnung und Unordnung ein Paradoxon darstellen, das kein Nullsummenspiel ist, weil die Regeln und SpielerInnen niemals völlig bestimmt sind… dieses Spiel hat einen Namen: Hegemonie (3). Dieser stark gekürzten und hervorragend formulierten Schlussfolgerung stimmen wir mit ihrer real gültigen Strukturblickweise voll zu. m+w.p15-12


(1)
Ideologiekritik, Dekonstruktion und Wahrheit: Andreas Merkens zu Antonio Gramsci 
Zur (Un-)Vereinbarkeit von marxistischer Ideologiekritik und dekonstruktivistischer Methode.
Einige Überlegungen in Anlehnung an Antonio Gramsci
Marxistische Ideologiekritik und poststrukturalistische Methoden der Dekonstruktion sind analytisches Handwerkszeug der Linken. Soziale Bewegungen gründen wahlweise ihre Praxis auf diesen Ansätzen und profitieren von den hier entworfenen Zugängen der Kritik herrschaftlicher Vergesellschaftung. Dennoch gelten Ideologiekritik und Dekonstruktion als methodische und erkenntnistheoretische Ansätze, die einander ausschließen; insbesondere im Fahrwasser einer ritualisierten Konfrontation von Moderne und Post-Moderne Kritik werden beide als unvereinbare akademische Praxen diskutiert. Als zentraler Widerspruch gilt der erkenntnistheoretische Status eines einzunehmenden Wahrheitsanspruches, der als notwendiger bzw. abzulehnender Ausgangspunkt von Kritik angesehen wird. Von Seiten der Poststrukturalisten wird dabei argumentiert, dass die Setzung von Wahrheit immer eine Entnennung von Differenzen ist. Denn der Standpunkt einer übergeordneten Wahrheit basiere notwendig auf der Konstruktion einer essentialistischen Aussage, die gesellschaftliche Identitäten und Pluralitäten entnenne. Bezugnehmend auf Jacques Derrida wird betont, dass die Pluralität verstreuter Sprachspiele und Diskurse einen totalisierenden Bezugspunkt der Kritik nicht erlaube, und das die behauptete Schließung des Diskurses - in der Form eines absoluten Wahrheitsanspruches der Ideologiekritik - letztendlich eine herrschaftliche Konstruktion ist. Ideologiekritik wird damit durch dekonstruktivistische Diskurskritik ersetzt, da nur letztere die eingeforderte Überwindung der binären Logik von Wahr und Falsch leistet.
Die Kritik der Poststrukturalisten zielt dabei auf einen bestimmten Ansatz marxistischer Ideologiekritik und -theorie, der seinerseits für die Stärkung eines binären Denkens von Wahrheit und Ideologie steht, insbesondere dort wo bewusstseinsphilosophisch der Wahrheitsanspruch in die Dialektik von Erscheinung und Wesen eingebaut ist. Ideologie wird hier vor allem als „Mystifikation“, „Verblendungszusammenhang“ oder „falsches Bewusstsein“ gedeutet.
http://www.glasnost.de/phil/ideologiekritik.html
https://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Gramsci


(2)
Rosa Luxemburg
geboren am 5. März 1871 in Zamosc, Polen; polnisch-deutsche Revolutionärin; ermordet am 15. Januar 1919 in Berlin
https://de.wikipedia.org/wiki/Rosa_Luxemburg
http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/rosa-luxemburg/
(3a)
Unter Hegemonie versteht man die Vorherrschaft oder Überlegenheit einer Institution, eines Staates, einer Organisation oder eines ähnlichen Akteurs in politischer, militärischer, wirtschaftlicher, religiöser und/oder kultureller Hinsicht. ...
http://de.wikipedia.org/wiki/Hegemonie
(3b)
Hegemonie kommt vom altgriechischen Wort “hegemonia” (Herrschaft, Hegemonie, Oberbefehl) und von “hegemon” (Führer, Anführer). Es bedeutet eine Vorherrschaft eines Staates, einer Institution oder einer Organisation in politischer, militärischer, religiöser, wirtschaftlicher und / oder kultureller Hinsicht.
Topoi - Beispiele:
20.Jhdt: Faschismus in Italien; Stalinismus
Aktuell: Heutzutage werden die USA teilweise als Hegemonialmacht beschrieben.. . Allerdings wird vor allem in den letzten Jahren China zu einer großen Konkurrenz... .Auch die Vereinigten Arabischen Emirate stellen mit ihrer eindrucksvollen Architektur und dem technischen Fortschritt ihren ganz eigenen Hegemonialanspruch.
Aktuelle Muster: Der Neorealismus erläutert paradigmatisch den Ausbruch der Hegemonie aus der Existenz verschiedener Staaten und ihre Vormachtstellung. Durch Hegemonie kann es zu einer Machthierarchie des weltweiten Systems kommen, welche eine eigene Instabilität besitzen würde....
Die Entwicklung zur Entstehung eines Machtgleichgewichts führt hierzu, dass sich auf langer Sicht ein Gegengewicht zur tatsächlichen Hegemonie entwickelt.
Aber: Die meisten Menschen leben jeden Tag die Hegemonie aus und diese wird von Unternehmen, Gewerkschaften, Medien, Kollektive und vom Staat vorangetrieben. Dabei entsteht kein harmonischer Interessenausgleich. Vielmehr entstehen heftige soziale Kämpfe..
Die meisten Menschen leben jeden Tag die Hegemonie aus und diese wird von Unternehmen, Gewerkschaften, Medien, Kollektive und vom Staat vorangetrieben. Dabei entsteht kein harmonischer Interessenausgleich. Vielmehr entstehen heftige soziale Kämpfe.
http://hegemonie.net/
(3c)
Antonio Gramsci
Hegemonie ist laut Gramsci eine Herrschaft, die stark daran interessiert ist, eigene Interessen als offizielle Allgemeininteressen durchzusetzen. hegemonie.net
https://de.wikipedia.org/wiki/Antonio_Gramsci
Hegemonie heißt für Gramsci, dass die herrschende Gruppe sich auf konkrete Weise mit den allgemeinen Interessen der untergeordneten Gruppen abstimmen
https://de.wikipedia.org/wiki/Kulturelle_Hegemonie
Der Begriff Zivilgesellschaft
wurde auch von dem marxistischen Theoretiker Antonio Gramsci (1891–1937) mit definiert.
Zivilgesellschaft sieht Gramsci als qualitative Weiterentwicklung einer kritischen Demokratietheorie
Für Gramsci ist neben dem (direkten und/oder strukturellen) Zwang das Moment der Hegemonie das, was eine Zivil-/Gesellschaft zusammenhält. Hegemonie nach Gramsci beruht auf einem „aktiven Konsens der Regierten“, d.h. auf der Zustimmung aller Individuen/Gruppen/Klassen innerhalb einer Gesellschaft, selbst wenn diese ihr eigentlich widersprechen, weil ihre Interessen sich von denen der Herrschenden unterscheiden. Konsens bedeutet also eine freiwillige Unterwerfung bzw. die teilweise Annahme oder Höherbewertung der Interessen der dominanten Kultur (vgl. Abercrombie et al. 1978, S.153).
https://de.wikipedia.org/wiki/Zivilgesellschaft
Zum Hegemoniebegriff bei Gramsci
Mit keinen Namen ist der Begriff der Hegemonie in der Politikwissenschaft bis heute so eng verbunden wie mit dem des Philosophen Antonio Gramsci (1891-1937). Ausschlaggebend für Gramscis neomarxistische Überlegungen zu politischer Herrschaft war das Ausbleiben der von Marx antizipierten Revolution in den mittel- und westeuropäischen Gesellschaften zu Beginn des 20. Jahrhunderts. Gramscis Kritik am Marxismus galt deshalb besonders dem Ökonomismus, der Reduktion des Staates auf eine ökonomische Erscheinung. Die Annahme in der marxistischen Theoriebildung, einzig eine Basis ökonomischer Produktionsverhältnisse bestimme die Form des Staates (vgl. Abercrombie et al. 1978, S. 154), hinterfragte Gramsci in seiner Arbeit kritisch. Er betonte die Wechselwirkung zwischen ökonomischer Basis und ideologischem Überbau des Staates und integriert neben der Sphäre der Ökonomie die der Politik, die der Ideologie und die der Kultur in seine Überlegungen zu Herrschaft und Hegemonie. Als Mitbegründer der Kommunistischen Partei Italiens (PCI) wurde Gramsci 1962 unter der faschistischen Führung Mussolinis inhaftiert. In den sogenannten „Gefängnisheften“, dem Herzstück seines polit-philosophischen Werkes, widmete er sich vorrangig den Fragen, wie in kapitalistischen Gesellschaften Herrschaft entsteht und wie diese gefestigt werden kann.
http://userwikis.fu-berlin.de/pages/viewpage.action?pageId=409534474
(4)
Kontingenz
Erfüllbarkeit ist in der Logik und Mathematik ein metasprachliches Prädikat für die Eigenschaft von logischen Aussagen und Aussageformen. Eine Aussage ist erfüllbar, wenn es eine Belegung der Variablen gibt, für die der Wahrheitswert des gesamten Ausdrucks wahr ist.
http://de.wikipedia.org/wiki/Kontingenz_(Logik)
(5)
Ambiguität
Von Mehrdeutigkeit oder Ambiguität, die spricht man, wenn ein Zeichen mehrere Bedeutungen hat. Bei nur zwei Bedeutungen spricht man auch von Doppeldeutigkeit oder von Zweideutigkeit. Ein Vexierbild zum Beispiel ist mehrdeutig, wenn es als mindestens zwei verschiedene Bilder gedeutet werden kann. ...http://de.wikipedia.org/wiki/Ambiguität