Die Finanzkrise hat in ihrer jüngsten Zuspitzung zu einer unverkennbaren Krise des Regierens geführt...

Diskurs aktuell
J. Vogl: Der Souveränitätseffekt
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 Von STEFAN SCHLAGENHAUFER und JÜRGEN MAHNKE .Frankfurt – Die EZB-Eröffnung am Mittwoch – unsere Stadt wird zur gigantischen Festung! Was kommt da bloß auf uns zu? Wie BILD erfuhr, werden 9800 Polizisten, fast ALLE Wasserwerfer aus ganz Deutschland nach Frankfurt gebracht. Sogar die GSG9 ist da. Fast 100 km Zäune und Stacheldraht werden aufgebaut
http://www.bild.de/regional/frankfurt/europaeische-zentralbank/festung-frankfurt-40166714.bild.html

Online-Publikation: März 2015 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Joseph Vogl: Der Souveränitätseffekt >>
Gebunden, 320 Seiten, ISBN 9783037342503; 24,95 EUR
Diaphanes Verlag, Zürich 2015     mailto:kontakt@diaphanes.net; http://de.wikipedia.org/wiki/Diaphanes

Inhalt
Die Finanzkrise hat in ihrer jüngsten Zuspitzung zu einer unverkennbaren Krise des Regierens geführt, zu einer Notstandspolitik in der Grauzone zwischen Wirtschaft und Politik: Die Regierungsgeschäfte haben Expertenkomitees, improvisierte Gremien und 'Troikas' übernommen, deren Legitimation der Ausnahmefall ist. Diese Entwicklung ist allerdings keineswegs neu. Wie Joseph Vogl in seinem neuen Buch zeigt, sind die Dynamiken des kapitalistischen Systems und des Finanzkapitalismus durch eine Ko-Evolution von Staaten und Märkten geprägt, in der sich wechselseitige Abhängigkeiten etablieren und verstärken. Vom frühneuzeitlichen Fiskus an zeichnen sich Souveränitätsreservate eigener Ordnung ab, die autonom innerhalb der Regierungspraxis wirken und im Interesse privater Reichtumssicherung die Geschicke unserer Gesellschaften bestimmen: als ungenannte Vierte Gewalt im Staat. Die aktuelle Dominanz von Finanzmärkten wird so als jüngste Spielart einer Ökonomisierung des Regierens begriffen, in der die Verschränkung von Machtausübung und Kapitalakkumulation informelle 'Souveränitätseffekte' erzeugt.

Autor
Joseph Vogl, 2012 in Frankfurt am MainJoseph Vogl (* 5. Oktober 1957 in Eggenfelden, Niederbayern) ist ein deutscher Literatur-, Kultur- und Medienwissenschafter und Philosoph. Er ist Inhaber des Lehrstuhls für Neuere deutsche Literatur: Literatur- und Kulturwissenschaft/Medien an der Humboldt-Universität zu Berlin.
Beim Diaphanes-Verlag Zürich/Berlin gibt er gemeinsam mit Claus Pias die medienwissenschaftliche und wissenschaftshistorische Buchreihe »sequenzia« heraus.
In seinem 2010 erschienenen Werk Das Gespenst des Kapitals prägte Vogl den Begriff der Oikodizee: Er fordert eine Entzauberung des aus der Warenwirtschaft tradierten ökonomistischen Credos (Oikodizee) der Finanzmärkte. Der wirkmächtige Glaube an die unsichtbare Hand des Marktes in der Tradition Adam Smith' verkenne als säkularisierte Theodizee die irrationale, diabolische Dynamik entfesselter Geldwirtschaft.
Mit seinem Buch Der Souveränitätseffekt stand Vogl auf der Shortlist für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 in der Kategorie Sachbuch
http://de.wikipedia.org/wiki/Joseph_Vogl

Zum Verlag
diaphanes ist ein Schweizer Verlag mit Sitz in Zürich. Schwerpunkt der Verlagstätigkeit sind Literatur, Philosophie, Geisteswissenschaften und Kunst; unter den veröffentlichten Büchern finden sich zahlreiche Übersetzungen. Präsident des Verwaltungsrats ist Michael Heitz.diaphanes ist Mitglied im Schweizer Buchhändler- und Verleger-Verband.


Fazit
Der Kultur-, Medienwissenschaftler und Philosoph Joseph Vogl vermag es in seinem Diskursbuch "Der Souveränitätseffekt" in sechs Kapiteln die Machenschaften der bewusst herbeigeführten  Dichotomien durch die monoman-paranoid handelnden bis neoliberalen Macher und Akteuren in der aktuellen 'Dämmerkratie',
 die Trennung von Politik und Wirtschaft durch die Zentralbanken international so zu vertiefen, dass die Verflechtung von politischer und ökonomischer - besonders der finanzkapitalistischer - Sphäre zunimmt, und dass Souverän ist,  wer es schaffe, "eigene Risiken in Gefahren für andere" umzuwandeln. Der offizielle Souverän ist also gefesselt, auch wenn er - gleich Sisyphus oder Prometheus - die menschliche Verhaltensweisen umfassend durchschaut als Subjekt zum Scheinsouverän / Individuum leidvoll verkommt. Der Autor ' ignoriert zugleich diese ausdifferenzierten Machtverhältnisse zugunsten der Dichotomie von Herrschern und Beherrschten (Die Zeit) ', be- und verhindert so die Kooperation aller Beteiligten. m+w.p15-4

*) EZB
Die Europäische Zentralbank (EZB; englisch European Central Bank, ECB; französisch Banque centrale européenne, BCE) mit Sitz in Frankfurt am Main ist ein Organ der Europäischen Union. Sie ist die 1998 gegründete gemeinsame Währungsbehörde der Mitgliedstaaten der Europäischen Währungsunion und bildet mit den nationalen Zentralbanken (NZB) der EU-Staaten das Europäische System der Zentralbanken (ESZB).http://de.wikipedia.org/wiki/Europ%C3%A4ische_Zentralbank

**) Oikodizee
(oikos = „Haus“, „Hauswirtschaft“ und díke „Gerechtigkeit“) ist eine Begriffsschöpfung von Joseph Vogl. Der Begriff der Oikodizee*** bezieht sich auf die ökonomische Sphäre. Vogl beleuchtet in seinem Buch „Das Gespenst des Kapitals“ aus geisteswissenschaftlicher Sicht kritisch das wirtschaftliche und insbesondere das finanzwirtschaftliche System und beschreibt das Phantasma der Oikodizee. Oikodizee beschreibt die Vorstellung, dass trotz aller Krisen die Märkte ausgleichend, selbstregulierend und gerecht wirken. In Anlehnung an den Begriff der Unsichtbaren Hand, den Adam Smith prägte, drückt Oikodizee aus, dass die Wirtschaftsordnung als eine Art selbstregulierendes Naturgesetz fungiert und die individuellen und egoistischen Interessen zum Gemeinwohl den Markt ausgleichend beeinflussen.

***)Phantasma
(altgriechisch φἀντασμα = Erscheinung, Bild, Vorstellung, Gesicht bzw. ein von der Gottheit gesandtes Vorzeichen, Wunder, Traumbild mit und ohne Traum, Gespenst, Geist[1]) wird allgemein als eine mentale, innere Vorstellung bezeichnet, oft auch abwertend im Sinne eines Hirngespinstes oder Trugbildes. Im deutschen Sprachraum bezeichnet Phantasma eine wahrnehmungsähnliche szenische Gegebenheit, psychiatrisch so viel wie Illusion, Pseudohalluzination und Halluzination.http://de.wikipedia.org/wiki/Phantasma

Aktuelle Stimme zur Thematik
Von STEFAN SCHLAGENHAUFER und JÜRGEN MAHNKE .Frankfurt – Die EZB-Eröffnung am Mittwoch – unsere Stadt wird zur gigantischen Festung! Was kommt da bloß auf uns zu? Wie BILD erfuhr, werden 9800 Polizisten, fast ALLE Wasserwerfer aus ganz Deutschland nach Frankfurt gebracht. Sogar die GSG9 ist da. Fast 100 km Zäune und Stacheldraht werden aufgebaut...http://www.bild.de/regional/frankfurt/europaeische-zentralbank/festung-frankfurt-40166714.bild.html

Weitere Stimmen
- Rezensionsnotiz zu Frankfurter Rundschau, 12.03.2015:
Christian Schlüter findet die Thesen des Kulturwissenschaftlers Joseph Vogl in "Der Souveränitätseffekt" durchaus nachvollziehbar. Vogl zufolge ist die "Macher- und Akteursherrlichkeit" der Politik ein gefährlicher Schein, der verbirgt, dass über wesentliche politische Bereiche längst ein "transgouvernementales Netzwerk" aus Expertengremien, beispielsweise die Europäische Zentralbank, die Fäden in der Hand hält, was aber keinesfalls als Wirtschaftsmacht verstanden werden sollte, die sich der politischen Sphäre bemächtigt, warnt der Rezensent, denn die Trennung zwischen Wirtschaft und Politik sei äußerst fadenscheinig, was Vogl anhand zahlreicher beispielhafter institutioneller Verbandlungen demonstriert, fasst Schlüter zusammen.
- Rezensionsnotiz zu Frankfurter Allgemeine Zeitung, 11.03.2015:
Lesenswert findet Werner Plumpe das Buch des Literaturwissenschaftlers Joseph Vogl über die Ursachen der Finanzkrise in dialektischer Hinsicht. Die vom Autor beschriebene und verantwortlich gemachte Aufhebung der Trennung von Politik und Wirtschaft durch die Zentralbanken findet Plumpe im Buch zwar teilweise schlüssig, aber auch sprunghaft und selektiv dargelegt. Vor allem aber steht die von Vogl als Argument ins Feld geführte Abhängigkeit der Politik von den Finanzmärkten für den Rezensenten nicht am Anfang allen Übels, wie der Autor nüchtern mitteilt. Für Plumpe eine historisch falsche Perspektive, die mit der bloß punktuellen Heranziehung von Ergebnissen der wirtschaftshistorischen Forschung durch den Autor zusammenhängt. Den Pesimismus des Autors möchte der Rezensent dementsprechend auch nicht teilen. Die Politik, meint er, könne immer noch vernünftig handelnd und mit positivem Effekt eingreifen.
- Rezensionsnotiz zu Süddeutsche Zeitung, 10.03.2015:
Wer diesen Band gelesen hat, wird nach dem Urteil des begeisterten, aber auch etwas wortreichen Rezensenten Jens Bisky, gängige Ideen von Demokratie in der Pfeife rauchen. In intellektuell vergnüglicher Weise und dennoch alle Gewissheiten umstürzend wende sich Joseph Vogl der Verflechtung von politischer und ökonomischer - besonders finanzkapitalistischer - Sphäre zu und kommt zu dem Schluss, dass Souverän sei, wer es schaffe, "eigene Risiken in Gefahren für andere" umzuwandeln. Der offizielle Souverän ist also gefesselt durch jene, die ihm Kredit geben, Politik und Bürger sind bloße Marionetten des Finanzkapitals, das ihnen allenfalls in neoliberalen Diskursen noch Entscheidungsmacht vorgaukelt, resümiert Bisky und wünscht sich gerade mit Blick auf die Griechenland-Debatte, dass dieses Buch weithin gelesen und diskutiert wird.
- Rezensionsnotiz zu Die Welt, 07.03.2015:
Wenig hilfreich findet Alan Posener den Essay des kapitalismuskritischen Germanisten Joseph Vogel über politische Entscheidungsmächte im Finanzwesen. Zum einen biete der Autor keine Alternativen, sondern nur originelle Formulierungen, zum anderen verwechsle er bei seiner Kritik Indifferenz mit Interferenz. Posener scheint die Realität komplizierter und theoretisch unsauberer, als es dem Autor gefallen dürfte.
- Rezensionsnotiz zu Die Zeit, 05.03.2015
Alexander Cammann findet Joseph Vogls neuestes Buch nicht nur einseitig, sondern in letzter Konsequenz sogar gefährlich. Vogl beschreibt in "Der Souveränitätseffekt" die Verbrüderung von Staat und Wirtschaft im siebzehnten Jahrhundert, deren innige Beziehung, die seither in und außerhalb der sich wandelnden Institutionen fortbestanden habe und die nur scheinbare Ohnmacht einer Politik, die sich im Geheimen die Steuerung längst mit der Wirtschaft teile, während sie in der Öffentlichkeit ein Drama zwischen Abhängigkeit und Opposition aufführe, fasst der Rezensent zusammen. Letzten Endes führe das nicht nur zu einer "Delegitimierung der Neuzeit" im Ganzen, warnt Cammann, es ignoriere auch die ausdifferenzierten Machtverhältnisse zugunsten der Dichotomie von Herrschern und Beherrschten, kritisiert der Rezensent.

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