Daniel Glattauer : Ewig Dein . Roman
Belletristik
D. Glattauer :Ewig Dein . Roman
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Online-Publikation: Februar 2012 im Internet-Journal <<kultur-punkt.ch>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
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208 Seiten ; Fester Einband, ISBN 978-3-552-06181-1; 17.90 € (D) / 25.90 sFR (CH) / 18.40 € (A)
Paul Zsolnay Verlag, Deuticke Verlag; http://www.zsolnay.at / http://www.deuticke.at
Inhalt
Im Supermarkt lernt Judith, Mitte dreißig und Single, Hannes kennen. Kurz darauf taucht er in dem edlen kleinen Lampengeschäft auf, das Judith, unterstützt von ihrem Lehrmädchen Bianca, führt. Hannes, Architekt, ledig und in den besten Jahren, ist nicht nur der Traum aller Schwiegermütter - auch Judiths Freunde sind restlos begeistert. Am Anfang empfindet Judith die Liebe, die er ihr entgegenbringt, als Genuss. Doch schon bald fühlt sie sich durch seine intensive Zuwendung erdrückt und eingesperrt. All ihre Versuche, ihn wieder aus ihrem Leben zu kriegen, scheitern - er verfolgt sie sogar bis in ihre Träume ...
Daniel Glattauer
Ewig Dein
Roman
ISBN: 978-3-552-06181-1
Weitere Informationen oder Bestellungen unter
http://www.hanser-literaturverlage.de/978-3-552-06181-1
© Paul Zsolnay Verlag, Wien
Autor
Daniel Glattauer, Autor und Journalist.
Bücher (u.a.): Die Ameisenzählung (2001), Darum (2003), Die Vögel brüllen (2004), Der Weihnachtshund (Neuausgabe 2004), Theo. Antworten aus dem Kinderzimmer (2010). Mit seinen beiden Romanen, Gut gegen Nordwind (2006) und Alle sieben Wellen (2009), gelangen ihm zwei Bestseller, die in zahlreiche Sprachen übersetzt und auch als Hörspiel, Theaterstück und Hörbuch zum Erfolg wurden.
1960 in Wien geboren, in Wien-Favoriten aufgewachsen
1978 in der Neuland-Schule am Laaerberg maturiert
1985 Abschluss des Pädagogik- und Kunstgeschichtestudiums
Leseprobe
Phase eins
1.
Als er in ihr Leben trat, verspürte Judith einen stechenden
Schmerz, der gleich wieder nachließ. Er: »Verzeihung.« Sie:
»Macht nichts.« Er: »Dieses Gedränge.« Sie: »Ja.« Judith überflog
sein Gesicht, als wären es die täglichen Sportschlagzeilen.
Sie wollte nur eine Ahnung davon haben, wie jemand aussah,
der einem am Gründonnerstag in der überfüllten Käseabteilung
die Ferse abhackte. Sie war wenig überrascht, er sah normal
aus. Er war einer wie alle hier, nicht besser, nicht schlechter,
nicht origineller. Warum musste die gesamte Bevölkerung
zu Ostern Käse kaufen? Warum im gleichen Kaufhaus zur selben
Stunde?
Bei der Kassa legte er, schon wieder er, neben ihr die Waren
auf das Förderband. Sie registrierte ihn dank eines einschlägig
riechenden rostbraunen Rauhlederjackenärmels. Sein Gesicht
hatte sie längst vergessen, nein, sie hatte es sich gar nicht erst
gemerkt, aber die geschickten, gezielten und dabei geschmeidigen
Bewegungen seiner Hände gefielen ihr. Es wirkte ja auch
noch im 21. Jahrhundert wie ein Wunder, wenn ein Mann um
die vierzig im Supermarkt zu-, aus- und einpackte, als hätte er
es vorher schon einmal getan.
Beim Ausgang war es beinahe kein Zufall mehr, dass er wieder
dort stand, um ihr die Tür aufzuhalten und um mit seinem
Langzeitpersonengedächtnis zu brillieren. Er: »Nochmals Verzeihung
für den Tritt.« Sie: »Ach, längst vergessen.« Er: »Nein,
nein, ich weiß, so was kann höllisch wehtun.« Sie: »So schlimm
war es nicht.« Er: »Gut, gut.« Sie: »Ja.« Er: »Na dann.« Sie: »Ja.«
Er: »Schöne Feiertage.« Sie: »Ihnen auch.« Sie liebte Gespräche
dieser Art im Kaufhaus, das sollte jetzt aber für immer genügen.
Ihre vorerst letzten Gedanken an ihn galten seinen fünf bis
sieben oder acht Bananen, der gelben Riesenstaude, die er vor
ihren Augen eingepackt hatte. Wer fünf bis sieben oder acht
Bananen kaufte, hatte bestimmt zwei bis drei oder vier hungrige
Kinder daheim. Unter der Lederjacke trug er wahrscheinlich einen
Pullunder mit großen Karos in Regenbogenfarben. Er war
so ein richtiger Familienvater, dachte sie, einer, der für vier bis
fünf oder sechs Personen Wäsche wusch und zum Trocknen
aufhängte, die Socken vermutlich alle in einer Reihe, paarweise
geschlichtet, und wehe, es brachte jemand seine Ordnung auf
der Wäscheleine durcheinander.
Daheim klebte sie sich ein dickes Pflaster auf die rote Ferse.
Zum Glück war die Achillessehne nicht gerissen. Sonst fühlte
sich Judith ohnehin unverwundbar.
2.
Ostern verlief wie immer. Samstagvormittag: Besuch bei der
Mama. Mama: »Wie geht es Vater?« Judith: »Ich weiß es nicht,
ich bin am Nachmittag bei ihm.« Samstagnachmittag: Besuch
beim Vater. Vater: »Wie geht es Mama?« Judith: »Gut, ich war
am Vormittag bei ihr.« Sonntagmittag: Besuch bei Bruder Ali
auf dem L
so. Haben Sie heute nach Geschäftsschluss schon etwas vor?« –
»Nach Geschäftsschluss?«, fragte Judith, als wäre das der absurdeste
Zeitpunkt gewesen, der ihr je zu Ohren gekommen war.
Und wenn sie sich vorstellte, dass ihr gerade jemand die
Ferse eingetreten hatte, und sie drehte sich zum Spiegel und
funkelte ihn an, als wäre er der Täter, dann sah sie, ja, plötzlich,
selbst mit nassem Haar und einer drei Zentimeter dicken
Schicht Creme im Gesicht: eine umwerfende Frau. Und das war
sein Verdienst.
***