Christine Nöstlinger : "Ned, dasi ned gean do warat" , Gedichte . Michael Köhlmeier (Vorwort) Gerald Votava (Nachwort) . Barbara Waldschütz (Illustrationen)

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Dialektgedichte: (C. Nöstlinger)
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Online-Publikation: April 2019 im Internet-Journal <<kultur-punkt>>
Ereignis-, Ausstellungs-, AV- und Buchbesprechung
<< Christine Nöstlinger : "Ned, dasi ned gean do warat" , Gedichte . Michael Köhlmeier (Vorwort) Gerald Votava (Nachwort) . Barbara Waldschütz (Illustrationen) >>
Hardcover; 80 Seiten; 125 x 205 mm; ISBN: 9783701717156; € 18,00
Residenz Verlag, A-3100 St. Pölten, http://www.residenzverlag.at

Charakteristik
>I frog mi imma: Wos is schlimma? Bes oda bled? <

Inhalt
Tiefsinnig, rabenschwarz und voller lakonisch-heiterer Zwischentöne, so lesen sich die neuen Dialektgedichte von Christine Nöstlinger. Sie erzählen von Sorgen und Hoffnungen, von Bösartigkeiten und von dem Umgang mit dem Alter. Die arbeitsscheue „Jasmin vun da Vira-Schdiagn“ liegt ihrem Mann auf der Tasche, der „Westbaunhof-Rudl“ schaut sich jeden Tag die kleinen und großen Dramen des Lebens am Bahnsteig an, der stille Meia entfaltet nur vor seinem Goldfisch seine geheimen Gewaltfantasien – soll man deswegen die Polizei rufen? Die Lyrik aus dem Nachlass von Christine Nöstlinger schaut nuanciert vor allem dorthin, wo der Rand der Gesellschaft ist. Ein Muss für alle Freunde der Wiener Dialektdichtung und Nöstlinger-Fans.

Autorin
Christine Nöstlinger wurde 1936 in Wien geboren. Aufgewachsen im Arbeitermilieu der Wiener Vorstadt, studierte sie nach der Matura Gebrauchsgrafik an der Akademie für Angewandte Kunst. Sie heiratete und bekam zwei Töchter. Nöstlinger schrieb zunächst für Tageszeitungen, Magazine und den ORF. 1970 erschien ihr erstes Kinderbuch ›Die feuerrote Friederike‹, das sie auch selbst illustrierte. Seitdem ist ihre Produktivität ungebrochen: Jedes Jahr erschienen Bilder-, Kinder- und Jugendbücher aus ihrer Feder in diversen Verlagen. Christine Nöstlinger wurde für ihre Bücher mehrfach ausgezeichnet, u.a. mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis, dem Friedrich-Bödecker-Preis, dem Österreichischen Staatspreis, dem Kinder- und Jugendbuchpreis der Stadt Wien und der Hans-Christian-Andersen-Medaille. Mit ihren ersten beiden Büchern, ›Die feuerrote Friederike‹ (dtv junior 7133) und ›Wir pfeifen auf den Gurkenkönig‹, läutete sie gewissermaßen eine neue Zeit in der Kinderliteratur ein. Beide Bücher stehen im Kontext der antiautoritären Bewegung nach 1968. In ihren folgenden Bänden führte Christine Nöstlinger konsequent das Durchbrechen sprachlicher und thematischer Tabus fort. Ihre Erzählungen sind von diesem neuen Stil geprägt und zeichnen sich durch eine Sprache aus, die nah an der jeweiligen Zielgruppe ist. Thematisch verarbeitet sie Alltagsgeschehen. Immer wieder tauchen aber auch das Aufbegehren gegenüber jeglicher Art von Autorität auf, das ungenierte Ansprechen von Sexualität und anderen Tabuthemen.

Eigene Stimme
Christine Nöstlinger hat einmal zum Selbstverständnis ihres Schreibens gesagt: »Ich habe gewisse Vermutungen darüber, was Kinder lesen wollen, und gewisse Vermutungen, was Kinder lesen sollten. Und dann habe ich noch das dringende Bedürfnis, mir gewisse Dinge von der Seele zu schreiben. Und die feste Überzeugung, dass Kinder beim Lesen gern lachen, die habe ich auch. Aus diesen vier Komponenten mische ich üblicherweise meine Bücher zusammen ...«
Aktuell:
13. Oktober 1936 - 28. Juni 2018. Lebte als freie Schriftstellerin in Wien. Ihr Werk wurde international vielfach ausgezeichnet, Sie war die erste Trägerin des Astrid-Lindgren-Preises (2003) und erhielt den Andersen Award sowie u.a. den Ehrenpreis CORINE für ihr Lebenswerk (2011), das Große Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich (2011), den Bruno-Kreisky-Preis für ihr publizistisches Gesamtwerk (2012), Bundesministeriums für Gesundheit und Frauen den Lebenswerk-Preis (2016). Zuletzt erschienen: „Glück ist was für Augenblicke. Erinnerungen“ (2013).

Fazit 2019
Bes oda bled? Böse oder blöd, so heisst auf Hochdeutsch und so hat sie diese Frage im ihrem Nachlass-Gedichtband uns Hinterbliebenen ihre Wiener Dialektsprache hinterlassen.
Bitterherb und melancholisch klingen ihre Worte durchgehend durch das Gemüt der Lesenden, erzählen vom Alltag der Vorstadt und in den Gemeindebauten Wiens, die vorbildlich in Europa ab der 20er Jahre von der Kommunalverwaltung
nicht wie in Europa üblich - vom Neokapitalismus der letzten 20 Jahre betrieben - privatisiert wurden, um das Elend der Meisten zu vermehren. Nöstlinger hat diesen Menschen auf Augenhöhe und anders als Freud - nämlich dionysisch -  geradezu liebenswert und verständnisinnig tief die Augen geblickt, bis in tiefste, dunkelste Stelle der Höhle Platons zu den Geknebelten und Hoffnungsfernen. Das ehrt Christine Nöstlinger -'a sensibls madl ned gsund oba' -überzeitlich.
Ihre leise, leicht verdeckte Sprache ist nun für die hier Verbliebenen zum unverrückbaren Fernweh zum Hierssein im Leben geworden.
m+w.p19-4

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Fazit 2016
Die Wienerin, Autorin und Zeichnerin Christine Nöstlinger ist 2016 achtzig geworden.  Ihr  Werk durchzieht eine Frauensprache auf Augenhöhe zu Kindern, Frauen und Männern in Richtung eines offenen dynamischen Systems von Witz und Humor begleitet das Partner-Diskursbuch eine klare und heitere Homöostase* - die Aufrechterhaltung des Gleichgewichtszustandes in einem, hoffen wir es, offenen dynamischen System, wie auch hier in 'Der Denker greift ein'. Klar, dass im gesamten deutschsprachigen Raum der wienerisch-österreichische Dialekt unvertraut wirkt. Zur Klärung hat Nöstlinger schmunzelnd-liebenswertes Glossar hinzugefügt. m+w.p16-3

Die Kultur-Punkt zeichnet Christine Nöstlinger für ihre homöostatisch*sozial-ästhetische Kompetenz* 2016 aus.

*) Homöostase, ist vielleicht sogar Liebe, Glück...jedenfalls noch nicht so abgedroschen - Anmerk. d. Rez.(griechisch , μοιοστάσις „Gleichstand“) bezeichnet die Aufrechterhaltung eines Gleichgewichtszustandes eines offenen dynamischen Systems durch einen internen regelnden Prozess. Sie ist damit ein Spezialfall der Selbstregulation von Systemen. Der Begriff wird in zahlreichen Disziplinen wie zum Beispiel in der Physik, Biologie, Ökologie, in den Wirtschaftswissenschaften, der Soziologie, der Psychologie oder in der Rechtswissenschaft angewendet.
http://de.wikipedia.org/wiki/Hom%C3%B6ostase
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