Gerhard Wallner, Urbanist: Nur eine ausführliche Berichterstattung ermöglicht die aktive Mitarbeit der Bevölkerung

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schuler-wallner@utanet.at

Brief an die Redaktion der SALZBURGER NACHRICHTEN Karolingerstraße 40 A-5021 Salzburg Salzburg, den 3. Dezember 2000

Sehr geehrte Damen und Herren,

nahezu 20 Jahre studieren und arbeiten in Wien, nahezu 30 Jahre leben und arbeiten in Deutschland vergingen, ehe ich mich vor vier Jahren hier in Salzburg niederließ. Als engagierter Planer, der ich auch „im Ruhestand“ noch bin, habe ich das Stadtgebiet und die Umgebung aus Fußgänger-, Radfahrer-, Busbenutzer- und manchmal auch aus Autofahrersicht gründlich kennen gelernt. Ich nehme auch an den meisten Veranstaltungen zum Thema Stadtentwicklung teil und verfasse gelegentlich kritische, aber möglichst auch konstruktive Stellungnahmen. Ich frage mich allerdings, warum sich so wenig Salzburger zum Thema Stadtentwicklung äußern.

Ein Grund scheint mir in der diesbezüglich äußerst dürftigen und meist nur auf Einzelprojekte in der Architektur bezogenen Berichterstattung in den Medien zu liegen. Der lokale Rundfunk bringt überwiegend sensationelle oder spaßige Berichte, die lokale Presse vor allem farbige Doppelseiten mit immer wieder denselben prominenten Gesichtern. Die Kulturseiten der „Salzburger Nachrichten“ bringen – wenn sie nicht zur Hälfte aus Werbung bestehen – ganzseitig Theater- und Filmkritik, über Architektur wenig und über Stadtentwicklung fast nichts. Von den in letzter Zeit für die Stadtentwicklung wichtigen Veranstaltungen wurde dürftig oder gar nicht berichtet (zum Beispiel am 16. November im Stadtkinosaal zum Gestaltungsbeirat und zur Salzburger Altstadtsanierungskommission (SVK), am 17. November im Heffterhof zu den Einkaufszentren und Handelsgroßbetrieben und am 23. November zum Symposium in der Salzburg AG zu verdichteten Baugebieten).

Ich glaube, dass in Salzburg ein breiter Konsens darüber besteht, dass Stadtteilzentren gestärkt werden müssen, um den Trend zur Peripherie und dem wachsenden Autoverkehr entgegenzuwirken. Vor kurzem wurden in Gneis und in Moos (Maria Hilf-Platz) kleine Stadtteilplätze fertig gestellt. Weder der Rundfunk noch die Presse hat diese wichtigen lokalen Ansätze besonders hervorgehoben.

Im Jahre 2001 wurde im Rahmen der Internationalen Sommerakademie gemeinsam mit den „Salzburger Nachrichten“ auf die hohe Bedeutung von Regional- und Gesamtplanungen und dabei auf die Problematik der kleinen, aber übermächtigen Umlandgemeinden, die sinnvolle Gesamtentwicklungen verhindern, hingewiesen (siehe „AFTER SHOPPING“, Pustet Verlag, 2003). Seither wurde dieses Thema kaum mehr behandelt. Es bringt wenig, punktuelle Veranstaltungen mit großem Aufwand durchzuführen, ohne weiterführende Diskussion und ohne politisch verbindliche Schlussfolgerungen daraus.

Eine gute Berichterstattung muss außerdem bildhaft sein, d. h. sie muss Pläne präsentieren, die auch ein „Normalbürger“ lesen kann. Wie sollen denn die Bewohner und Bewohnerinnen über die sie direkt und indirekt betreffende Stadt- und Regionalentwicklungen informiert werden, wenn die einzige renommierte Tageszeitung in Salzburg ihre Verantwortung nicht wahrnimmt, auch auf diesem Gebiet bewusstseinsbildend zu wirken? Kultur besteht doch nicht nur aus Kunst, Theater und Events! Kultur ist auch Baukultur. Aus ihrer Geschichte lebt ganz Salzburg.

Als Beispiel für das positive Zusammenwirken von Stadtplanung, Berichterstattung und öffentlicher Diskussion einschließlich Bürgerbeteiligung stand in den 70er Jahren die Universitätsstadt Tübingen in Baden-Württemberg. Als ich 1972 als Stadtplaner in die 70.000-Einwohnerstadt kam, waren bereits alle sieben Umlandgemeinden eingemeindet, eine entscheidende Voraussetzung für eine umfassende und effektive Stadtentwicklungsplanung. Es wurden dabei nicht nur die städtischen Ämter, sondern neben allen übergeordneten Planungen auch die einzelnen Ortsteile miteinbezogen. Eine ausführliche Berichterstattung ermöglichte eine aktive Mitarbeit der Bevölkerung, deren Ergebnisse in die abschließende Beschlussfassung im Gemeinderat mit eingeflossen sind. Diese bildete wiederum die Grundlage für die Ausarbeitung eines Flächenwidmungsplanes. Die Auswirkungen dieses demokratischen Planungsprozesses sind heute, 25 Jahre danach,  klar erkennbar: vor allem in der erfolgreichen Standortplanung für den Wohnungsbau, beim Ausbau der Infrastruktur (Schulen, Mehrzweckhallen, Kindergärten etc.) sowie im Bau von Rad- und Fußwegen. Leider war es schwierig, der in den 70er Jahren vorherrschenden Straßenbaueuphorie nachhaltiger entgegenzuwirken, und gerade dieses Faktum zeigt heute deutliche Nachteile.

In Salzburg konnte erfreulicherweise auf dem Gebiet des Straßenausbaues bislang größerer Schaden und die „Zerschneidung“ des Stadtgebietes verhindert werden, wie es in so vielen deutschen Städten leider zu beobachten ist. Hinsichtlich der Zersiedelung ist man hier aber sicher schon zu weit gegangen: Himmelreich und Urstein-Au sind verloren. Die „Verplanung“ von Guggenthal und der Kaserne in Wals-Siezenheim droht noch. Ich wünschte ich hätte in diesen Punkten Unrecht.

 Mit freundlichen Grüßen

 Gerhard Wallner

Gerhard Wallner: Mehr Mut in der Verkehrspolitik! - Am Beispiel Salzburg


 ----- Original Message -----
From: Gerhard & Gisela Schuler-Wallner ; schuler-wallner@aon.at
To: redakt@salzburg.comredaktion@salzburger-fenster.at  ; www.salzburg.com
Sent: Friday, July 13, 2007

Sehr geehrte Damen und Herren,
ich bitte um Veröffentlichung des beigefügten Leserbriefes: WURDE ABGELEHNT - ALLES KLAR !

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard-Wallner

BRIEFINHALT

Mehr Mut in der Verkehrspolitik!

Als Stadtplaner mit Erfahrungen in der Verkehrsplanung in deutschen Mittelstädten möchte ich
den Salzburgern zu mehr Mut in der Verkehrspolitik raten.
Es müsste doch möglich sein, diese wunderschöne und vor aller Welt so gerühmte Altstadt von
jeder unnötigen Autofahrt zu befreien (Taxen, Anlieferung und Anwohnerzufahrten etc. natürlich
ausgenommen). Die Fußwege von den öffentlichen Garagen zu allen Punkten der Altstadt sind
kurz und jedem gesunden Menschen, konsequenterweise auch den Landespolitikern und Beamten
des Chiemseehofes sowie den Bediensteten der Universität zuzumuten. Es ist ein Jammer, dass
die schönen Höfe des Chiemseehofes und der Universität täglich mit „totem Blech“ verstellt
werden. Sollten die vorhandenen Garagen wirklich nicht ausreichen – selbst wenn das öffentliche
Verkehrsangebot verbessert würde – dann könnte ohne größeren Aufwand unter dem
Kajetanerplatz eine weitere Tiefgarage errichtet und zugleich auch dieser Platz vom Blech befreit
werden. Die dortige Eingangssituation in die Altstadt speziell für Bustouristen vom Terminal Süd
ist wahrlich keine schöne Visitenkarte.
Eine Politik, die vorgibt das Verkehrschaos in der Altstadt zu bekämpfen, kommt nicht umhin, die
Staatsbrücke für private PKW zu sperren und nur Busse, Taxen und natürlich Notfahrzeuge
zuzulassen. Dies würde vor allem dem Öffentlichen Verkehr zugute kommen und im
Zusammenhang mit weiteren Maßnahmen (kürzere Taktzeiten, mehr Busspuren, mehr Sauberkeit)
zu dessen Attraktivitätssteigerung beitragen. Das Verkleben der Busfenster durch Reklame ist
sicher der falsche Weg, um mehr Personen zum Umsteigen vom PKW in den Bus zu motivieren.
Aufgrund der bestehenden Verkehrsprobleme bin ich der Auffassung, dass ein zweispuriger
Kapuzinerbergtunnel mit Tiefgaragen für höchstens 30 Busse und rund 150 PKW eine gute Lösung
für die Salzburger Innenstadt wäre:
- Durch die Schließung des „Ringes“ (Ignaz Harrer Straße – Aiglhofstraße –
Leopoldskronstraße – Petersbrunnstraße – Tunnel – Gabelsbergerstraße – St. Julienstraße) würde
eine bessere Orientierung in der Innenstadt entstehen,
- Die so stark belasteten Straßen (Bürgelstein-, Gaisbergstraße, Eberhard-Fugger-Straße
und auch Imbergstraße - Giselakai) würden zum Großteil entlastet werden,
- Durch die Gewinnung von öffentlichen und privaten Parkplätzen im Berg könnten die
oftmaligen prekären Parkierungssituationen beim Volksgarten sowie im nördlichen Nonntal stark
entlastet werden.
Sowohl der Vorrang des (verbesserten) öffentlichen Verkehrs auf der Staatsbrücke als auch der
Kapuzinerbergtunnel würden zu einer wesentlichen Beruhigung und damit höheren Lebensqualität
in der Innenstadt führen, davon bin ich überzeugt.

Mit freundlichen Grüßen
Gerhard Wallner
Salzburg, den 13. Juli 2007